Hamburg. Weniger Reparaturen: Batterieantrieb ist viel wartungsärmer – lukrativer Service geht zurück. Manche Betriebe werden wohl aufgeben.

Das Kfz-Gewerbe in Hamburg hat eine ganze Reihe harter Jahre hinter sich: Erst ließ die Corona-Krise den Neuwagenverkauf drastisch einbrechen, dann verhinderten die Lieferkettenprobleme der Hersteller eine schnelle Erholung. Und die zuletzt deutlich gestiegenen Autopreise machen es nicht leichter, Kunden von einer derart kostspieligen Anschaffung zu überzeugen.

Vor diesem Hintergrund erwies sich das Werkstattgeschäft, das ohnehin den größten Teil des Ertrags der Branche beisteuert, als Stabilitätsanker – auch in den Pandemiejahren mussten die Fahrzeuge schließlich zur Inspektion, und es fielen auch weiterhin Reparaturen an.

Hamburg: Werkstätten unter Druck: Befeuern E-Autos den Rückgang?

Mit zunehmender Bedeutung der Elektromobilität aber wird genau dieser bisher noch recht ertragsstabile Teil des Geschäfts immer stärker unter Druck geraten. „Bei E-Autos ist der Service-Umfang auf jeden Fall wesentlich geringer“, sagt Martin Krohn, Präsident des Landesverbands des Kfz-Gewerbes Hamburg.

Ein batterieelektrisch angetriebener Pkw benötigt eben keinen Ölwechsel, er hat keine Zündkerzen, keine Kupplung und keinen Zahnriemen. „Die Bremsen prüfen muss man zwar immer noch, aber auch die nutzen sich in einem Elektroauto wegen der Energierückgewinnung beim Gaswegnehmen nicht so stark ab wie in einem Verbrenner“, sagt Krohn.

Elektroautos bringen Hamburgs Kfz-Werkstätten unter Druck

„Natürlich werden die Erträge leiden“, sagt Björn Böttcher, Geschäftsführer der Hamburger Autohandelsgruppe Dello. Er illustriert das am Beispiel der mit Abstand teuersten Komponente eines Elektroautos: „Ein Akku wird in der Regel nicht vor Ort in einer Werkstatt repariert, der wird nur ausgetauscht.“

Aus Sicht von Böttcher werden diese neuen Gegebenheiten auch zu Veränderungen in der Branchenstruktur führen: „Es wird sicher zu weiteren Firmenzusammenschlüssen kommen.“ Der Dello-Geschäftsführer weiß, wovon er spricht. Gerade hat das Hamburger Unternehmen, einer der weltweit größten Opel-Händler, die fünf Standorte des Konkurrenten Lensch & Bleck aus Neumünster übernommen.

Wissenschaftler: Kosten für Wartung und Reparatur sinken um 35 Prozent

Nach Berechnungen der Wissenschaftler des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) verursachen Wartung und Reparatur eines Elektroautos im Vergleich zu einem Verbrenner rund 35 Prozent weniger Kosten. Der koreanische Hersteller Kia kündigt an, die Kosten für die Inspektion würden um fast die Hälfte sinken.

Zudem müssen manche der vollelektrisch angetriebenen Fahrzeuge nur noch deutlich seltener zu regelmäßigen Kontrollen in die Werkstatt. So fällt dies beim SUV-Modell U5 des chinesischen Autobauers Aiways jeweils erst nach 100.000 Kilometern beziehungsweise drei Jahren an. Tesla hat im Jahr 2019 die bis dahin geltenden obligatorischen Service-Intervalle sogar komplett abgeschafft. Es wird lediglich empfohlen, alle zwei Jahre die Bremsflüssigkeit überprüfen zu lassen.

Dem ADAC zufolge ist die Pannenhäufigkeit bei E-Fahrzeugen um fast 30 Prozent geringer als bei solchen mit Benzin- oder Dieselmotor. Zwar sind E-Autos selbstverständlich nicht vor Schrammen und Beulen durch unachtsames Fahren gefeit. Aber unabhängig von der Antriebsform werden Pkw mit immer mehr Fahrassistenzsystemen ausgestattet, in einigen Jahren sollen sie sich völlig ohne Eingriffe der Fahrerin oder des Fahrers durch den Verkehr bewegen können – und selbst lenkende Autos sind nach Einschätzung des Bundesverkehrsministeriums weniger anfällig für Kollisionen.

„Es ist davon auszugehen, dass die Unfallzahlen stark zurückgehen werden, weil heute mehr als 90 Prozent der Unfälle auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen sind.“ Damit würden künftig auch Unfallreparaturen seltener.

Für die Arbeit an E-Autos müssen die Werkstätten erst einmal investieren

Für die Werkstätten bedeuten Elektroautos aber nicht nur sinkende Einnahmen. Um an ihnen arbeiten zu dürfen, sind auch noch bestimmte Vorleistungen zu erbringen. So hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung für Personal, das mit E-Fahrzeugen arbeitet, vier Stufen der Qualifikation festgelegt, je nachdem wie nah am Hochvoltsystem gearbeitet werden soll.

Die erste Stufe wird schon benötigt, wenn man nur die Scheibenwischerblätter wechselt oder andere simple Service-Tätigkeiten ausführt.

Beim Online-Marktplatz eBay, einem bedeutenden Händler von Ersatzteilen, geht man davon aus, dass Werkstätten rund 12.000 Euro pro Arbeitsstation investieren müssen, um sie für die Reparatur und Wartung von E-Autos aufzurüsten.

„Ungefähr 80 Prozent der gut 600 Kfz-Betriebe in Hamburg dürften inzwischen wenigstens so weit ausgestattet sein, dass sie überhaupt solche Pkw annehmen können“, schätzt Krohn. Doch etliche von ihnen hätten noch gar kein reines Elektroauto auf dem Hof oder in der Halle gehabt.

Erstaunlich ist das nicht, denn deren Anteil am Pkw-Bestand in Hamburg liegt erst bei 2,5 Prozent. Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum gerade die kleineren, herstellerunabhängigen Betriebe noch so wenig mit E-Autos zu tun haben: „Weil für viele von ihnen die Herstellergarantie noch gilt, fährt man mit ihnen zur Wartung in die Vertragswerkstätten“, erklärt Krohn.

Bis 2040 soll die Beschäftigtenzahl im Werkstattbereich um 24 Prozent sinken

Zwar hat sich schon zwischen den Jahren 2000 und 2022 die Zahl der Kfz-Betriebe deutschlandweit um gut ein Fünftel auf 36.420 verringert, der Rückgang betraf bisher aber kaum die freien Werkstätten mit im Schnitt fünf Beschäftigten.

Einer Studie zufolge, die vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium, der Agentur e-mobil BW, den dortigen Landesverbänden des Kfz-Gewerbes und der IG Metall erstellt wurde, dürfte aber auch dort die Beschäftigtenzahl bundesweit bald spürbar sinken. Allein im Werkstatt- und Teilebereich der Betriebe soll die Zahl der Mitarbeiter schon bis 2030 um elf Prozent auf 229.000 Personen abnehmen und bis 2040 um insgesamt 24 Prozent.

Entlassungen werde es in der Branche aber wohl kaum geben, erwartet Krohn mit Blick auf den Fachkräftemangel: „Durch den demografischen Wandel wird das nicht nötig sein.“