Hamburg. Zwar steigt der Anteil der reinen Stromer 2022 leicht, liegt aber weit hinter dem Bundesschnitt. Wie sich das bald ändern könnte.
Angesichts der Lieferkrise der Hersteller im ersten Halbjahr 2022 ist es keine Überraschung mehr: Auch das zurückliegende Jahr war kein gutes für die Hamburger Autohändler. Die Neuzulassungen in der Hansestadt sind um fast neun Prozent gegenüber 2021 zurückgegangen, wie aus den am Donnerstag veröffentlichten Daten des Kraftfahrt-Bundesamts in Flensburg hervorgeht.
Zwar bietet die Elektromobilität einen Lichtblick, denn die Verkäufe der rein batterieelektrisch angetriebenen Pkw haben gegen die Tendenz des Hamburger Gesamtmarkts um ein Viertel auf 9149 Fahrzeuge zugelegt. Doch wie schon in einigen Vorjahren haben die reinen Elektroautos in Hamburg abermals einen erheblich geringeren Anteil an den Neuzulassungen (10,8 Prozent, Vorjahr 8,6 Prozent) als im Bundesschnitt (17,7 Prozent).
Wenige E-Autos: Hamburger Händler kennt den Grund
Für Björn Böttcher, Geschäftsführer der Hamburger Autohandelsgruppe Dello, liegt die Erklärung auf der Hand: „Auf dem Land wohnen sehr viele Menschen im Einfamilienhaus oder in Reihenhäusern und können daher eine eigene Ladebox in der Garage oder im Carport installieren lassen. In dicht besiedelten Stadtvierteln haben Autofahrer, die eine Tiefgarage nutzen oder ,Laternenparker‘ sind, kaum eine Chance auf einen privaten Ladepunkt.“ Wie Studien zeigen, erfolgen mindestens 80 Prozent der Ladevorgänge von zu Hause oder am Arbeitsplatz.
„Anfangs waren Großstädte die Vorreiter bei der Elektromobilität, weil hier die Reichweite keine so große Rolle spielt wie in Flächenländern“, sagt Martin Rumpff, Geschäftsführer des Landesverbands des Kfz-Gewerbes Hamburg. Zwar seien die Metropolen im Hinblick auf die öffentliche Ladeinfrastruktur besser ausgestattet. „Aber man kann das Auto nicht gut über Nacht an der öffentlichen Ladesäule stehen lassen“, so Rumpff.
Stagnation bei E-Autos wegen geringerem Umweltbonus?
Insgesamt hat die Dynamik bei den Neuzulassungen von Elektroautos im vergangenen Jahr allerdings in Hamburg wie auch im gesamten Bundesgebiet nachgelassen. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass der „Umweltbonus“ zum 1. Januar gesenkt worden ist – für reine Elektrofahrzeuge mit einem Netto-Listenpreis bis 40.000 Euro beträgt die Gesamtförderung nur noch 6750 Euro anstatt der bisherigen 9000 Euro.
Weil der Bonus vom Lieferdatum und nicht vom Bestelldatum abhängt, dürfte sich mancher Autokäufer wegen der im vorigen Jahr langen und unsicheren Lieferzeiten gegen ein Elektrofahrzeug entschieden haben, wenn es fraglich war, ob der Wagen noch bis Ende Dezember beim Händler ankommt. „Durch die Verminderung der Förderung haben wir bei Privatkunden eine gewisse Zurückhaltung gegenüber Elektroautos gesehen“, bestätigt Rumpff.
Nach Einschätzung von Böttcher war es ein „handwerklicher Fehler“ der Bundesregierung, den Umweltbonus an das Lieferdatum zu knüpfen statt an das Kaufdatum. Dies habe gerade im vorigen Jahr so manchen Elektroauto-Interessenten verunsichert.
Steigende Strompreise als Hemmschuh für E-Autos
Wenig hilfreich war auch der kräftige Anstieg der Strompreise. Denn niedrigere Betriebskosten und die staatlichen Kaufprämien seien in Deutschland einer aktuellen Umfrage zufolge wesentliche Argumente für den Kauf eines E-Autos, teilte die Unternehmensberatung Deloitte mit. „Nun schießen die Stromkosten in die Höhe, während die Förderung sukzessive zurückgefahren wird und 2025 sogar ausläuft. Das wird dazu führen, dass künftig weniger Elektroautos verkauft werden“, sagte Deloitte-Branchenexperte Harald Proff.
Trotz wachsender Modellauswahl würden nur 16 Prozent der Befragten beim nächsten Autokauf einen reinen Stromer nehmen. Ende 2021 lag der Anteil demnach bei 15 Prozent.
Autos mit Verbrennermotor teilweise günstiger
Nach Berechnungen des ADAC schneiden batterieelektrische Pkw bei Berücksichtigung aller Kosten, vom Kaufpreis über sämtliche Betriebs- und Wartungsaufwände bis zum Wertverlust, häufig jedoch noch immer besser ab als vergleichbare Benziner oder Diesel des gleichen Herstellers (siehe Grafik). Zugrunde gelegt wurde eine jährlichen Fahrleistung von 15.000 Kilometern über fünf Jahre.
Bei manchen Modellen fällt der Vorteil des Elektroautos gegenüber seiner Verbrenner-Alternative auch durch die Absenkung der Kaufprämie nur noch hauchdünn aus, in manchen Fällen ist das Fahrzeug mit konventionellem Antrieb im Betrieb sogar günstiger.
ADAC fordert günstigere Elektroautos
Auffällig ist dabei: Während bei hochpreisigen Modellen der Unterschied zwischen den Anschaffungskosten von Elektro- und Verbrenner-Autos nicht so stark ins Gewicht fällt, ist der Preisnachteil des E-Autos im unteren Marktsegment teils enorm groß. Bei Dacia ist das Modell Spring gar mehr als doppelt so teuer wie der sonst sehr ähnliche Mini-SUV Dacia Sandero mit Benzinmotor.
Damit die Kostenbilanz bei rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen auch ohne Subventionen noch besser ausfällt, „müssen die Kaufpreise weiter sinken und dürfen nur geringfügig über denen eines vergleichbaren konventionellen Modells liegen“, heißt es vom ADAC.
Fachkräftemangel auch für E-Autos problematisch
Während die Kosten für Strom, Benzin und Diesel zuletzt stark schwankten, können E-Auto-Besitzer nach Einschätzung von Experten damit rechnen, dass ihr Fahrzeug einen wesentlich geringeren Wartungsaufwand verursacht als ein Pkw mit Verbrennungsmotor. Die Schätzungen für den Minderaufwand schwanken zwischen einem Drittel und der Hälfte der Werkstattkosten des Benziners oder Diesels.
„Man braucht eben keinen Ölwechsel. und auch der Auspuff muss nicht erneuert werden“, so Böttcher. „Darauf stellen wir uns bei unserer Planung für die Werkstatt-Kapazitäten schon ein.“ Ein größeres Problem für reine Service-Betriebe sei aber der Fachkräftemangel, sagt Rumpff. Fehlende Nachfolger seien ein wesentlicher Grund für Betriebsschließungen – und dies werde sich in den nächsten Jahren noch verschärfen.
Neue Kaufanreize für Autos im Jahr 2023
Für Autokäufer hingegen gibt es auch gute Nachrichten: „Hoher Wettbewerb, bessere Produktion, abgebauter Auftragsbestand bringen die Rabatte im Jahr 2023 zurück“, erwartet Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Duisburger CAR Center Automotive Research. Mit neuen Kaufanreizen für Verbrenner und Elektroautos sei im Laufe des ersten Quartals zu rechnen – auch bei Tesla, wo man bisher zum Listenpreis verkaufte.
„In den folgenden Quartalen gehen wir von weiter steigenden Incentives und Rabatten aus“, so Dudenhöffer. „Wer also einen geplanten Neuwagenkauf auf die zweite Jahreshälfte verschiebt, dürfte von Rabatten stärker profitieren.“