Hamburg. Bio Company folgt Marktführern Denn’s und Alnatura und eröffnet heute Filiale. Umsatzplus von fast zehn Prozent in der Branche.

Die Handwerker haben ihren Job getan: Die Mitarbeiter können seit einigen Tagen die ersten Produkte – wie lange haltbare Tütenware – in die Regale einräumen. Heute früh werden Obst und Gemüse sowie Kühlwaren folgen. Schließlich sollen um 8 Uhr erstmals die Türen der Bio-Company-Filiale an der Hoheluftchaussee 67–69 öffnen. Die Bioszene in Hamburg ist erneut um eine Anlaufstelle reicher.

Mit den Berlinern macht das dritte große Unternehmen der Branche in diesem Sommer ein Geschäft in Hamburg auf. Im Juni bezog Alnatura am Überseeboulevard eine 600 Quadratmeter große Fläche. Es ist die siebte Filiale der deutschen Nummer zwei in der Hansestadt. Wenige Wochen später zog der Marktführer mit einer Eröffnungsfeier nach. Am Stratenbarg in Sasel eröffnete das neunte Geschäft von Denn’s Biomarkt in der Hansestadt. Für die Bio Company ist es nun der vierte Laden an Alster und Elbe.

Biomarkt wuchs 2016 um fast zehn Prozent

Bio ist bei den Deutschen „in“. Im vergangenen Jahr gaben die Bürger in der Bundesrepublik 9,48 Milliarden Euro für ökologisch erzeugte Lebensmittel aus. Das war ein Plus von fast zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr, ermittelte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft für seinen Branchenreport. Das ist immer noch ein kräftiger Zugewinn, obwohl die große Wachstumswelle im Biomarkt schon vor zehn, 15 Jahren begonnen habe, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Professor Thomas Roeb, der an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg lehrt. Damals entdeckten Supermärkte und Discounter das Potenzial der Bioprodukte. Durch die Erweiterung auf den gesamten Lebensmitteleinzelhandel konnte der Absatz deutlich erhöht werden. Mittlerweile werden mehr als die Hälfte der Erlöse nicht mehr im klassischen Naturkosthandel erzielt, sondern in Supermärkten wie Rewe und Edeka sowie bei Discountern wie Aldi.

Keine Insektizide und Pestizide

Doch das gute Gewissen gibt beim Einkauf auch dort häufig den Ausschlag. „Die Deutschen kaufen Bioprodukte, weil sie diese für gesünder als konventionelle Lebensmittel halten, obwohl der eindeutige wissenschaftliche Nachweis fehlt“, sagt Roeb. Sie wollen die Natur schützen, weil bei dieser Anbauart keine Insektizide und Pestizide verwendet werden. Und sie möchten kleineren Landwirten helfen, die sie als Erzeuger vermuten, sagt der Handels- experte: „Bio ist Haltung – gerade auch in einer Stadt wie Hamburg.“

Für die Bio Company ist die Filiale an der Hoheluftchaussee das 54. Geschäft bundesweit. „Wir haben gute Erfahrungen mit unseren Märkten in Hamburg gemacht“, sagt Georg Kaiser dem Abendblatt. Er ist Geschäftsführer und Inhaber der Berliner Kette, die im Jahr 2009 mit einem Geschäft an der Langen Reihe in die Stadt kam. Später folgten Läden an der Stresemannstraße und in der Rindermarkthalle. „Für die neue Filiale erwarten wir hohen Zuspruch, weil sie viel Innovatives vereint, was wir in Berlin bereits getestet haben“, sagt Kaiser.

Kleine Fachhändler bedroht

So gibt es eine „Unverpackt-Strecke“: Nüsse, Reis, Getreide, Pasta und Gummibärchen können die Kunden sich in ihre mitgebrachten Behälter selbst abfüllen, Glasgefäße dafür können auch erworben werden. Um Verpackungsmüll zu vermeiden, ist der 700 Quadratmeter große Markt plastiktütenfrei – auch in der Obst- und Gemüseabteilung fehlen die bekannten durchsichtigen Beutel. Es soll einen begehbaren Käse-Humidor geben. In diesem speziell klimatisierten Raum sollen Käselaibe gelagert und vor allem auch viele regionale Spezialitäten wie Deichkäse, Hofkäse vom Backensholzer Hof und der Friesisch Blue präsentiert werden.

Insgesamt arbeite man in der Me­tropolregion mit mehr als 45 Lieferanten zusammen, hieß es. In saisonalen Spitzenzeiten liege der Anteil der regionalen Waren über der 40-Prozent-Marke des gesamten Sortiments von 6500 Produkten. Brot und Brötchen kommen unter anderem aus der jüngst von Finkenwerder nach Seevetal gezogenen Demeter-Bäckerei Bahde. Im Bistro sollen Salat, Suppen und warme Gerichte angeboten werden. Kaiser ist optimistisch, dass die neue Filiale von den Kunden angenommen wird: „Am Standort Hoheluft sehen wir gute Chancen, dass sich die Menschen für unser einzigartiges Konzept aus Regionalität, Frische und Markenvielfalt begeistern können.“

Während Kaiser, der Chef von 1400 Mitarbeitern ist und einen Jahresumsatz (2015) von 134 Millionen Euro verantwortet, positiv für die Zukunft gestimmt ist, sieht Handelsexperte Roeb für kleinere Anbieter schwarz. „Die großen Ketten wie Alnatura, Denn’s und Bio Company sind vom Management und den Strukturen so professionell aufgestellt wie die großen Lebensmittelhändler“, sagt er. Sie seien sehr wettbewerbsstark und griffen das Wachstum des Marktes fast allein ab. Roeb: „Sehr viele der kleinen Fachhändler können weder preislich noch von der Angebotsqualität mithalten und müssen schließen.“