Hamburg. Mehr Flüge ausgefallen als bisher bekannt. Airport und Fluglinien prüfen Klagen auf Schadenersatz. Es dürfte um Millionen gehen.

Nach den Klima-Protesten läuft der Flugverkehr am Hamburger Flughafen wieder ohne Probleme. „Der eigentliche Ferienstart am Samstag in Hamburg und Schleswig-Holstein lief bisher reibungslos“, sagte Flughafen-Sprecherin Janet Niemeyer am Sonnabend auf dpa-Anfrage.

In den ersten Tagen waren täglich rund 340 Starts und Landungen mit rund 50 000 Passagieren geplant. „Dieses Niveau wird auch in den kommenden Tagen so bleiben“, sagte Niemeyer. Am Freitag habe es noch einzelne Flugstreichungen oder Verspätungen gegeben, die auf die Ereignisse vom Donnerstag zurückgingen. „Und gleichzeitig waren die Flugzeuge noch voller, weil Passagiere umgebucht wurden, deren Flüge am Donnerstag gestrichen werden mussten“, sagte Niemeyer.

Nach Klima-Protest: Flugverkehr in Hamburg läuft wieder

Am Freitag waren sie wieder auf Straßen unterwegs: Die Aktivisten der Letzten Generation behinderten den Autoverkehr in mehreren deutschen Städten wie Berlin, Dresden, Leipzig und Braunschweig – am Nachmittag kam auch Hamburg mit der Fruchtallee dazu. Mindestens 36 Sitzblockaden in 26 Städten soll es gegeben haben. Grund für den Protest sei der „Bruch des Klimaschutzgesetzes durch die Regierung“, so die Organisation.

Auch Klebe-Aktionen gab es wieder – wie am Vortag auf den Flughäfen in Düsseldorf und Hamburg. In Fuhlsbüttel hatten zehn Aktivisten mit Bolzenschneidern Löcher in den Stahlmattenzaun geschnitten, der auf 22 Kilometer Länge das 570 Hektar große Airport-Gelände umschließen soll.

Flughafen Hamburg: Klima-Protest – mehr Flüge ausgefallen als bisher bekannt

An vier Stellen der Rollwege zu den Start-und-Lande-Bahnen hatten sich jeweils zwei Personen am Asphalt festgeklebt und mussten herausgeflext werden. Der Flugbetrieb war von 6.10 Uhr bis 9.50 Uhr unterbrochen. Das alles am ersten Tag der Hamburger Schulferien, an dem sich viele Familien auf ihren Urlaub freuten. Unsere Redaktion gibt einen Überblick über die weitere Entwicklung nach den Vorfällen.

Wie viele Passagiere waren am Donnerstag betroffen?

Am Donnerstagmittag war zunächst von 50 gestrichenen Starts und Landungen die Rede. Im Laufe des Tages sind wie erwartet weitere hinzugekommen. „Die Fluggesellschaften mussten gestern 68 Flüge – 35 Starts und 33 Landungen – streichen. Davon waren rund 10.000 Passagiere betroffen“, sagte Hamburg-Airport-Sprecherin Janet Niemeyer am Freitag. Umgeleitet zum Beispiel nach Bremen und Hannover wurden letztlich vier statt einst gemeldeter zehn Maschinen.

Die Lufthansa spricht von 33 ausgefallenen Flügen der Konzern-Airlines – also auch der Töchter Eurowings, Swiss, Austrian und Brussels – in Hamburg und Düsseldorf zusammen. Eurowings nennt allein für Hamburg die Zahl von 17 gestrichenen Abflügen.

Ob alle betroffenen Passagiere nun umgebucht worden seien, ließ der Lufthansa-Sprecher offen. Von Eurowings hieß es, dass dies inmitten des Sommer-Höhepunkts angesichts der hohen Nachfrage, ausgelasteter Flugzeuge sowie des Ferienbeginns nur begrenzt möglich sei. Nichtsdestotrotz setze man alles daran, betroffene Passagiere so schnell wie möglich an ihre Ziele zu fliegen.

Warum fielen auch nachmittags noch Flüge aus?

Das liegt am eng vernetzten System der Luftfahrt. Bei der Abfertigung einer Maschine sind mehrere Parteien wie die Flugsicherung, Bodenabfertigung und Check-in beteiligt und bei den Abläufen miteinander verbunden – und das nicht nur am Abflughafen Hamburg, sondern auch am Zielflughafen.

„Auch dort muss quasi alles im Takt bereitstehen – von der banalen Frage eines Abfertigungsplatzes des Flugzeugs über Gepäck- und Passagierprozesse bis hin zur Koordination mit den verschiedenen Flugsicherungen in Europa, deren Freigabe man für den Flug benötigt“, sagte Eurowings-Sprecher Florian Gränzdörffer.

Zwar gebe es dank verschiedener Reservepuffer eine gewisse Flexibilität zum Beispiel für einen Abfertigungsstopp bei einem Platzregen. Aber nach einem Totalausfall eines großen Flughafens wie Hamburg für vier Stunden passe die Verspätung nicht mehr ins Gesamtsystem Europa. „Und dann hakt es – sprich: die geplanten Slots und Ressourcen müssen neu geplant und beantragt werden“, so Gränzdörffer. Zudem müsse die Arbeitszeit der Crews im Auge behalten werden, die nicht überschritten werden darf.

Wie lief der Flugverkehr am Freitag?

Laut Flughafen-Homepage hoben die meisten Jets relativ pünktlich ab. Ausreißer war mal wieder die Condor-Schwester Marabu, deren Abflug um 9.25 Uhr vorgesehen war und bis 16.30 Uhr nicht erfolgte. Aber auch viele Eurowings-Flüge hatten Verspätungen – in der Spitze von drei Stunden nach Kos. Je ein Flug nach London und Wien wurde gestrichen.

„Wir rechnen heute weitestgehend mit einem Normalbetrieb, vereinzelt gibt es allerdings noch Flugstreichungen, die aus dem gestrigen Tag resultieren“, sagte Flughafen-Sprecherin Niemeyer. Am Freitag wurde mit mehr als 50.000 Passagieren und rund 340 Starts und Landungen geplant. Auf diesem Niveau werde es in den kommenden Tagen bleiben.

Folgewirkungen der Protestaktion am Donnerstag gibt es laut Bundespolizei nicht. Zum Engpass hatte sich in der Vergangenheit häufiger die Sicherheitskontrolle entwickelt. „Es läuft gut“, sagte deren Sprecher Jörg Ristow. In der Spitze habe die Wartezeit morgens um 5.30 Uhr bei 45 Minuten gelegen. Möglichst sollen Passagiere maximal 30 Minuten brauchen. Er hofft, dass es am Wochenende stabil läuft.

Gibt es Schadenersatzforderungen?

Hamburg Airport will das prüfen. „Fest steht, dass ein hoher wirtschaftlicher Schaden bei der Flughafenbetreibergesellschaft entstanden ist“, sagte Niemeyer. Es gebe Einbußen bei den Entgelten und Kosten durch notwendige Reparaturmaßnahmen an der Infrastruktur. Die Höhe werde zurzeit noch analysiert. Hinzu kämen die wirtschaftlichen Auswirkungen für Fluggesellschaften, Dienstleister und Drittfirmen sowie natürlich die Passagiere selbst.

Am Donnerstag zogen sich Menschenschlangen durch die Terminals des Flughafens. Vor allem Passagiere, die Umsteigeverbindungen gebucht hatten, kämpften mit Problemen, zu ihrem Urlaubsziel zu kommen.
Am Donnerstag zogen sich Menschenschlangen durch die Terminals des Flughafens. Vor allem Passagiere, die Umsteigeverbindungen gebucht hatten, kämpften mit Problemen, zu ihrem Urlaubsziel zu kommen. © dpa | Bodo Marks

Auch Deutschlands größter Airline-Konzern bemüht die Juristen. „Wir sind dabei, Schadenersatz für die Beeinträchtigung unseres Flugbetriebs am 24. November in Berlin geltend zu machen und prüfen dies auch für die Aktion am Donnerstag in Hamburg und Düsseldorf“, sagte Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty. Am Hauptstadtflughafen stand Ende 2022 nach einer Aktion der Letzten Generation der Flugbetrieb für knapp zwei Stunden still.

Die Schadenersatzforderungen dürften sicherlich in Millionenhöhe liegen, sagte der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg unserer Redaktion. Der Großteil des Schadens dürfte bei den Fluglinien aufgetreten sein. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Airlines sind durch Flugausfälle Ticketeinnahmen entgangen, es gibt Kosten für Ausweichlandungen, Weiterflüge nach Hamburg, Leerflüge, Crewwechsel, Ersatzflugzeuge und Umbuchungen bei nachfolgenden Flügen im Netzwerk der Airlines.

Flughafen Hamburg: Wird das Gelände sicherer gemacht?

Der Zaun sei stabiler, mit 2,50 Meter sechs Zentimeter höher als verlangt und verfüge über mehr Stacheldrahtreihen als gefordert, hieß es vom Airport. Zudem werde er an Fokuspunkten mit Kameras überwacht – dennoch gelang es Aktivisten der Letzten Generation, aufs Gelände zu kommen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte nach den Vorfällen neue Sicherheitsstandards für deutsche Airports an. Konkrete Maßnahmen wurden aber in der Kürze der Zeit noch nicht getroffen.

Das Luftsicherheitsprogramm werde von der zuständigen Luftsicherheitsbehörde der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Innovation geprüft, bewertet und immer wieder aktualisiert, so Niemeyer. Gemeinsam mit allen zuständigen Behörden werde man die Vorfälle analysieren und gewonnene Erkenntnisse in das Sicherheitskonzept integrieren.