Hamburg. Aktivisten kleben sich auf die Rollbahn und blockieren stundenlang den Hamburger Flughafen. Tausende Passagiere betroffen.
Ausgerechnet zum Ferienbeginn: Mitglieder der Gruppe „Letzte Generation“ haben ab 6 Uhr den Flughafen Hamburg blockiert. Der Flugverkehr musste eingestellt werden. „Wir haben an vier Stellen Personen auf dem Gelände festgestellt, die sich unberechtigt dort aufhalten“, sagt Jörg Ristow von der Bundespolizeidirektion auf Abendblatt-Anfrage.
Um kurz vor 10 Uhr kam dann die erlösende Nachricht für betroffene Flugpassagiere: Der Flugverkehr konnte wieder aufgenommen werden. Allerdings werde es ganztägig zu weiteren Flugstreichungen und Verzögerungen kommen.
Bundespolizei: Metallzaun durchtrennt, zehn Personen auf Flughafengelände
Es handelte sich jeweils um zwei Leute, die sich an Zuwegen in unmittelbarer Nähe zu den Start- und Landebahnen festgeklebt hatten. Insgesamt waren es also acht Personen, die gelöst werden mussten, zwei weitere seien vorher von Einsatzkräften gestellt worden. Dabei nutzen die Aktivisten laut Bundespolizei wieder ein Gemisch, dass sie so fest mit dem Boden verband, dass sie von Einsatzkräften der Landes- und Bundespolizei aus der asphaltierten Strecke herausgeflext werden mussten.
Die Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen, ihnen droht nun ein Strafverfahren wegen Gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr. Bei den Personen handelt es sich um sechs Männer und vier Frauen im Alter von 19 bis 63 Jahren. Zu der Art, wie sie auf das Gelände kamen, gibt es noch keine offiziellen Angaben. „Die Ermittlungen laufen noch“, sagt Sprecher Jörg Ristow .
„Letzte Generation“: Aktivisten blockieren Flughafen Hamburg und Düsseldorf
Am frühen Morgen hatte die „Letzte Generation“ mitgeteilt, dass Aktivisten ihrer Gruppe den Flughafen Hamburg und Düsseldorf blockieren. Sie würden gegen die Planlosigkeit und den Gesetzesbruch der Regierung in der Klimakrise protestieren, hieß es. Über den Sicherheitszaun hätten sie sich nach eigenen Angaben Zugang zu den Flughafengeländen in Düsseldorf und Hamburg verschafft. In Düsseldorf wurde der Flugverkehr von 5.50 Uhr bis 7.15 Uhr unterbrochen.
Für Hamburg kann Jörg Ristow von der Bundespolizei die Art, wie die Aktivisten auf das Gelände kamen, etwas genauer machen. Denn laut seinen Angaben wurde der Sicherheitszaun zum Flughafengelände an zwei Stellen durchbrochen. Sprich: Der Metallzaun wurde mit Werkzeugen durchtrennt. Offenbar schoben die Aktivisten dann durch die Lücke auch die Stadträder, mit denen sie aufs Rollfeld fuhren.
Fotos zeigen die Blockierer in Warnwesten mit Stadträdern im Hintergrund und wie sie mit großen Seitenschneidern den Zaun zerstören. An einer Stelle sind die Lücken so groß, dass mehrere Aktivisten hindurchpassen, an einer anderen gehen gerade einmal die geliehenen Räder hindurch, die offenbar einsetzt wurden, um sich möglichst schnell auf dem Gelände des Flughafens bewegen zu können.
Flughafen Hamburg: Zahlreiche Flüge gestrichen, Privatflugzeug kann abheben
Zum Ferienstart an diesem Donnerstag seien rund 330 Starts und Landungen mit 50.000 Passagieren geplant gewesen. Durch den Polizeieinsatz seien nach aktuellem Stand 22 Ankünfte und 28 Abflüge gestrichen worden, teilte der Flughafen am Nachmittag mit. Zehn ankommende Flugzeuge wurden zu anderen Flughäfen umgeleitet. Passagiere werden gebeten, sich über die Website hamburg-airport.de über ihren Flug zu informieren, da es weiterhin zu Verspätungen und Ausfällen käme.
Um 10.49 Uhr konnte dann endlich die Lufthansa-Maschine Richtung Norderstedt starten, die laut Plan um 6.15 Uhr von Hamburg nach München abheben sollte (LH 2075). Das zeigen Daten des Internetportals flightradar24.com. Für den Anflug auf Hamburg wurde offenbar eine Zeitlang ebenfalls diese Bahn (15/33) gewählt, das heißt, Maschinen mit Ziel Hamburg flogen über die Stadt und Alsterdorf ein. Das ist sonst meist nur bei Bahnsperrungen der Fall. Offenbar wurde die Landebahn Langenhorn/Niendorf (05/23) wegen der Klimaaktivisten gemieden.
Ironischerweise blockierten die Mitglieder der Letzten Generation nach Daten von flightradar24 vermutlich ohne eigenes Wissen kurzzeitig eine Privatmaschine der Air Hamburg, die um 10 Uhr von Hamburg nach Palma de Mallorca abheben sollte. Die Cessna 560 XL Citation XLS+ flog dann aber um 10.54 Uhr los, wie auf flightaware.com zu sehen ist. 54 Minuten Verspätung sind gering im Vergleich zu der Verspätung des Lufthansa-Flugs. Die von den Aktivisten besonders kritisierten Privatflüge ließen sich also auch von der „Letzten Generation“ nicht stoppen.
Flughafen Hamburg: Betroffene Passagiere zeigen kein Verständnis für die Aktion
Am Flughafen Hamburg war die Stimmung am Donnerstagvormittag erstaunlich ruhig. Viele betroffene Passagiere wirkten sehr gefasst, wenn auch wütend. In einer der langen Warteschlange stand auch der Hamburger Dennis Wiederhold, der mit seiner Familie eigentlich über Graz nach Rhodos fliegen wollte. Nun versuchten sie irgendwie umzubuchen. Seit einer Stunde wartete er schon in der Schlange am Informationsschalter, seine Frau an einer anderen.
Ob er Verständnis für die Aktion der Aktivisten habe? „Nein“, sagt Wiederhold. Er verstehe zwar den Hintergrund und setzte sich für den Klimaschutz ein, „aber gerade jetzt bin ich nur angezickt. So machen sie sich keine Freunde“, sagt er. Mit dieser Meinung steht er am Donnerstag nicht allein da. Einige äußern sich angesprochen auf die Blockade so.
Letzte Generation: Mit dem Stadtrad aufs Rollfeld vom Flughafen Hamburg gefahren
Miriam Meyer soll eine der Aktivisten sein, die nach Angaben der „Letzten Generation“ über den Zaun geklettert sei und dann mit dem Stadtrad aufs Rollfeld des Flughafens Hamburg fuhr. „Wo, wenn nicht auf einem Flughafen, ist der richtige Ort gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu protestieren?“ wird sie zitiert.
Weiter erklärt sie: „Die Welt brennt und wir sind die letzte Generation, die die Chance hat, den Feuerlöscher in die Hand zu nehmen. Stattdessen lassen wir zu, dass unsere Regierung den Flugverkehr, einen bedeutenden Brandbeschleuniger der Katastrophe, jährlich mit Milliarden subventioniert. Das gleicht einem kollektiven Suizid und das dürfen wir nicht länger akzeptieren.”