Hamburg. Eigentlich könnte die Westerweiterung längst starten. Doch Eurogate und die Stadt Hamburg kommen nicht zusammen. Die Gründe.
Es geht um 38 Hektar Fläche im Hamburger Hafen – und sie haben Potenzial. Die sogenannte Westerweiterung beim Containerterminal Eurogate könnte das Herzstück künftigen Hafenwachstums sein – wenn sie genutzt würde. Die Unterlagen dafür sind fertig. Mehr noch: Der Planfeststellungsbeschluss steht. Und seitdem die Klagen mehrerer Anwohner in letzter Instanz abgeschmettert worden sind, ist er auch sofort vollziehbar. Also seit Mitte 2022. Doch nichts geschieht.
Während der Konkurrent Rotterdam praktisch im Wochentakt die Erweiterung seines großen Umschlaghafens Maasvlakte 2 bekannt gibt, liegt die Westerweiterung in Hamburg auf der langen Bank. Senat und Hafenunternehmen blockieren sich bei dem Projekt gegenseitig nach dem Henne-Ei-Prinzip.
Die Haltung der zuständigen Wirtschaftsbehörde ist klar: Sie fängt mit dem Bauvorhaben erst an, wenn das Unternehmen Eurogate genau erklärt, was es mit dem Gelände vorhat und wie teuer die Pläne werden. „Wenn der unternehmensseitige Business Case und Bedarf feststeht, lässt sich die Planung konkretisieren – hieraus ergeben sich dann mögliche Kosten“, sagt ein Behördensprecher.
Hamburger Hafen: Ausbau bei Eurogate verzögert sich – es geht um Millionen
Aus dem Unternehmen Eurogate, dass sich offiziell nicht zu dem Fall äußern will, heißt es dagegen: „Wie soll ein Hafenunternehmen einen Business Case aufstellen, wenn es nicht einmal weiß, mit welcher Unterstützung durch die Stadt und mit welchen Finanzmitteln es rechnen kann?“
Es geht also wieder ums liebe Geld. Dabei hat die Stadt bereits 2005 die Planungen für die Westerweiterung bei Eurogate aufgenommen. Vorgesehen ist, das bestehende Containerterminal am Predöhlkai im Waltershofer Hafen nach Westen zu verlängern. Dazu soll eine Kaimauer mit einer Gesamtlänge von 1050 Metern entstehen, die an die vorhandenen Liegeplätze am Predöhlkai anschließt und von dort zunächst 600 Meter in nordwestliche Richtung bis zur Elbe verläuft, dort nach Westen abknickt und parallel zum Bubendey-Ufer fortgeführt wird.
Dies ist mit der vollständigen Verfüllung des Petroleumhafens auf einer Fläche von etwa 13 Hektar verbunden. Die bestehende Richtfeuerlinie wird versetzt, ebenso ein Radarturm an das südöstliche Ende des Waltershofer Hafens. Ein Radarturm wird am Nordufer der Elbe gebaut und die private Hochwasserschutzanlage angepasst.
Hafenausbau in Hamburg verzögert sich – 5,5 Hektar Wasserflächen würden zerstört
Das kostet alles sehr viel Geld. Hafenexperten schätzen die Summe auf 400 Millionen Euro. Hinzu kommen etliche Millionen als Ausgleichsmaßnahmen für den Natureingriff. Immerhin werden 5,5 Hektar an Wasserflächen zerstört.
Die Behörde sagt dazu nichts. Aus gutem Grund: Sie hat nicht einen einzigen Cent dafür in ihrem Haushalt veranschlagt, nicht einmal in der mittelfristigen Finanzplanung.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass an der Westerweiterung noch ein zweites Bauprojekt hängt, nämlich die Schaffung eines Drehkreises für die heutigen Megafrachter. Diese werden nach ihrer Ankunft in Hamburg vor der Einfahrt zum Waltershofer Hafen gedreht und dann rückwärts zu ihrem Liegeplatz geschleppt.
Der vorhandene Drehkreis in der Elbe beträgt 480 Meter. Das ist für ein 400 Meter langes Schiff sehr wenig Platz, weshalb die kniffligen Wendemanöver schiefgehen könnten. Der Drehkreis soll deshalb auf komfortable 600 Meter vergrößert werden. Auch das ist Teil des Planfeststellungsbeschlusses. Offizielle Kosten nennt die Wirtschaftsbehörde nicht. Hafenexperten gehen von zusätzlich 500 Millionen Euro aus.
Westerweiterung des Hamburger Hafens: EU-Kommission muss befragt werden
Wer bezahlt das alles? Die Wirtschaftsbehörde sieht in erster Linie die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) in der Pflicht, steht aber auch auf dem Standpunkt, dass sich Eurogate an der Westerweiterung beteiligen muss. Denn wer ist der Begünstigte? Nur Eurogate.
Es gehe deshalb nicht um die Herstellung der allgemeinen Infrastruktur, sondern um eine nutzerspezifische Infrastruktur, hieß es in der Senatsantwort auf eine schriftliche Kleine Anfrage der Linken vor zwei Jahren. „Ein öffentlicher Finanzierungsanteil steht noch nicht fest.“
Anders als die Westerweiterung ist der neue Drehkreis aber nicht für ein Unternehmen im Hafen wichtig, sondern für alle. Also handelt es sich um allgemeine Infrastruktur. Und für die ist laut Senat die HPA zuständig. „Bei den Flächen handelt es sich grundsätzlich um Nutzer-spezifische Infrastruktur (auf der Fläche) bzw. Hafenzugangsinfrastruktur (Drehkreis), welche von der HPA als Hafenbetreiber zu finanzieren ist“, heißt es von der Wirtschaftsbehörde. „Ein möglicher öffentlicher Zuschussbedarf muss noch ermittelt werden; für eine anteilige öffentliche Finanzierung ist gegebenenfalls zudem ein Notifizierungsverfahren bei der EU-Kommission notwendig.“ Schließlich geht die Behörde davon aus, dass das Verfahren beihilferechtlich geprüft werden muss.
Hamburg will Drehkreis für übergroße Containerfrachter
Besonders groß ist das Interesse des Senats nicht, mit der Westerweiterung neue Umschlaganlagen zu schaffen. Auch wenn man dringend weitere Großschiffsliegeplätze in Hamburg benötigt, so haben die bestehenden Terminals ausreichend Kapazitätsreserven, um größere Mengen im Hamburger Hafen abzufertigen, als derzeit ankommen. Das waren im vergangenen Jahr nicht einmal neun Millionen Standardcontainer (TEU).
Allein die beiden Umschlagplätze im Waltershofer Hafen – das Containerterminal Burchardkai und das Containerterminal Hamburg von Eurogate – sind in der Lage, jährlich 9,2 Millionen TEU abzufertigen. Dabei sind die Terminals Altenwerder und Tollerort mit ihren Kapazitäten von drei beziehungsweise 2,2 Millionen TEU im Jahr noch gar nicht eingerechnet.
Worauf man aus Sicht der Stadt aber keinesfalls verzichten kann, ist der breitere Drehkreis. Denn die Zahl übergroßer Containerfrachter wächst seit Jahren kontinuierlich, während das Aufkommen kleinerer Schiffe abnimmt. Rechtlich gibt es den Drehkreis aber nur im Zusammenhang mit der Westerweiterung, sonst müsste man ein neues Planfeststellungsverfahren starten.
Kommt es doch zu einer Zusammenarbeit von HHLA und Euogate?
Um den gordischen Knoten zu durchtrennen, ist nun eine neue Idee aufgetaucht: finanziell leichter zu stemmen wäre das Projekt, wenn ein weiteres großes Unternehmen darin eingebunden wäre – die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Auch sie hat ein Auge auf die Westerweiterung geworfen, wobei Eurogate eine rechtsverbindliche Zusage des Senats hat, die Flächen zu entwickeln.
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Eigentlich haben HHLA und Eurogate ihre deutschen Containerterminals aufgrund der starken europäischen Konkurrenz in einem gemeinsamen Unternehmen bündeln wollen. Doch nach monatelangen Gesprächen scheiterte das Projekt – offiziell wegen des Ukraine-Kriegs und der unsicheren geopolitischen Lage.
Tatsächlich war es so, dass sich die beiden Parteien nicht über die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerseite einigen konnten: Der Aufsichtsrat der HHLA ist paritätisch besetzt. Darauf will sich Eurogate nicht einlassen.
Hafenausbau verzögert sich – Kosten sind Hamburg zu hoch
Vorstellbar ist aber eine punktuelle Zusammenarbeit, wie die HHLA einräumt: Das Unternehmen sei offen für die projektbezogene Zusammenarbeit mit Eurogate, sofern diese wirtschaftlich sinnvoll sei, sagte eine Sprecherin. „Dies funktioniert bereits heute sehr gut: Als Beispiel lässt sich das Hamburg Vessel Coordination Center (HVCC) anführen, ein Joint Venture von HHLA und Eurogate. Sollten sich darüber hinaus weitere Projekte ergeben, bei denen eine Zusammenarbeit sinnvoll sein könnte, ist die HHLA offen für Gespräche.“ Als größter Terminalbetreiber in Hamburg sei das Unternehmen an der Weiterentwicklung des Hafens interessiert.
Auch die Stadt könnte sich die Zusammenarbeit von HHLA und Eurogate vorstellen, will aber nicht den ersten Schritt machen: „Eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen im Hamburger Hafen ist stets vorstellbar, aber naturgemäß zuvorderst Sache der Unternehmen selbst“, sagt der Sprecher der Wirtschaftsbehörde. „Der Senat kann eine Zusammenarbeit von Unternehmen, zumal börsennotierten, schon aus gesellschaftsrechtlichen Gründen nicht allein beschließen oder entscheiden.“
Eurogate hält sich hingegen bedeckt: Das Unternehmen werde Ideen oder Gerüchte zu etwaigen Kooperationspunkten mit der HHLA auch bezüglich der Westerweiterung nicht kommentieren, hieß es.