Hamburg. Überraschendes Ergebnis der neuen Kreuzfahrt-Rangliste des Nabu – der in einem Punkt allerdings ein „Dauerärgernis“ ausgemacht hat.

Erst vor wenigen Tagen schlug der europäische Dachverband der Umweltverbände Alarm. Nach Angaben der Organisation Transport & Environment (T&E) hat das Wiedererstarken der Kreuzfahrtindustrie nach den Corona-Jahren zu einem deutlichen Anstieg des Schadstoffausstoßes durch Kreuzfahrtschiffe in den Häfen auf dem Kontinent geführt.

Besonders betroffen: Hamburg. Im Jahr 2022 sei hier der Ausstoß von Schwefeloxid um 22 Prozent gestiegen, hieß es. Hamburg rückte deshalb in der Rangliste der von Kreuzfahrtschiffen am stärksten belasteten europäischen Hafenstädte von Platz 17 (2019) auf Platz sechs vor.

Kreuzfahrten – Umweltverband Nabu sieht Reedereien auf gutem Weg

Auch der Umweltverband Nabu spricht von „steigenden Treibhausgasemissionen und starker Luftverschmutzung“ durch die Urlauberschiffe.

Zugleich aber kommt der Naturschutzbund Deutschland in seinem am Mittwoch in Hamburg vorgestellten Kreuzfahrtranking zu einer überraschenden Einschätzung: Die Branche ist auf einem guten Weg, bei den Schiffsantrieben mehr für den Klima- und den Umweltschutz zu tun.

„Die Ersten haben endlich einen Weg Richtung Klimaneutralität gefunden“, sagte der Nabu-Schifffahrtsexperte Sönke Diesener. „Nun muss das Tempo anziehen und viele Nachahmer finden“, forderte er.

Hapag-Lloyd Cruises liegt hinter Aida und Tui

Der Nabu untersucht jährlich, wie weit die für den europäischen Kreuzfahrtmarkt wichtigen Reedereien bei der Umstellung ihrer Flotten auf umweltverträglichere Treibstoffe sind, welche Ziele sie sich kurz- und mittelfristig dabei gesetzt haben. „Wir gucken auf das, was aus dem Schornstein kommt“, sagte Diesener. Andere Umweltthemen wie Abwasser- oder Müllentsorgung der Schiffe spielen für die Einschätzung dagegen keine Rolle.

Das Ergebnis: Unter den 13 befragten Unternehmen liegen die großen deutschen Kreuzfahrtreedereien Aida Cruises (Platz 3) und Tui Cruises (Platz 5) in der oberen Hälfte. Hapag-Lloyd Cruises landet auf Platz 9. Phönix Reisen und Viking Ocean Cruises beantworteten die Nabu-Fragen – anders als in Vorjahren – gar nicht und landeten daher auf den letzten Plätzen.

Kreuzfahrten – In Norwegen gelten besonders scharfe Umweltauflagen

Die ersten Plätze in der Nabu-Punktewertung belegen Havila und Hurtigruten, die mit kleineren Schiffen vorwiegend in norwegischen Küstengewässern unterwegs sind. Dort gelten strenge staatliche Vorgaben für das erlaubte Maß an Schadstoffausstoß. „Bestimmte stark frequentierte Fjorde dürfen dort ab 2026 nur noch mit Batterieantrieb und damit ohne Ausstoß von Emissionen angelaufen werden“, so Diesener.

In Hamburg wäre schon viel erreicht, wenn wenigstens alle technisch dafür ausgerüsteten Kreuzfahrtschiffe die vorhandenen Landstromanlage am Kreuzfahrtterminal Altona nutzen würden. „Viele Jahre lang hat das nur die ,AidaSol’ getan, aber auch nicht immer“, sagte Hamburgs Nabu-Landeschef Malte Siegert.

Die Hafenbehörde HPA hatte kürzlich mit der Reederei Tui Cruises einen Liefervertrag für Öko-Landstrom unterzeichnet. MSC Cruises gab eine entsprechende Absichtserklärung ab.

Kreuzfahrten – In Hamburg nutzten 2023 acht Schiffe die Landstromversorgung

Am Mittwoch betonte Hamburgs Hafenbehörde HPA gegenüber der Nachrichtenagentur dpa erneut, die Kreuzfahrtterminals Steinwerder und HafenCity sollten im Herbst 2023 und im Frühjahr 2025 Landstromanlagen anbieten. In Altona seien in diesem Jahr acht Schiffe versorgt worden: ein Drittel der „entsprechend ausgerüsteten Kreuzfahrtschiffe“.

Nabu-Landeschef Siegert kritisierte, die HPA habe die Anlage in Altona zwar 2016 für elf Millionen Euro geschaffen, aber deren Nutzung nicht verpflichtend gemacht. „Ein Dauerärgernis“, sagte er. „Dass mögliche Nutzer sieben Jahre lang von der Verpflichtung freigehalten werden, den Landstrom in Altona auch zu nutzen, ist schlicht eine Frechheit“, so Siegert.

Klimaschutz – Inzwischen ist die Containerschifffahrt federführend

Aus Sicht von Diesener zeigt das Beispiel Norwegen, dass die größten Innovationen bei der Antriebstechnik dort umgesetzt würden, wo die Branche staatlich reguliert werde, wo ihr Auflagen gemacht würden. Einst sei die Kreuzfahrtbranche führend gewesen bei umweltfreundlicheren Antriebstechnologien, doch mittlerweile sei die Containerschifffahrt federführend.

Auch eine Frage des Geldes. Die Containerreedereien fuhren in der Pandemie riesige Gewinne ein, die Kreuzfahrtbranche kam zwei Jahre lang fast zum Erliegen. „Klima- und Umweltschutz dürfen aber nicht nach Kassenlage gemacht werden“, sagte Siegert.

Größere Hoffnungen setzen die Nabu-Kreuzfahrtexperten auf neue EU-Regeln. So soll von 2030 an für alle Kreuzfahrtschiffe in EU-Häfen eine Landstrompflicht gelten. Das sei einerseits ein „Durchbruch bei der Regulierung“, reiche andererseits allerdings nicht, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Aida Cruises und Tui Cruises hätten inzwischen fast die gesamte Flotte landstromtauglich gemacht. Wirklich bedeutsame Schritte bei der Verringerung des Schadstoffausstoßes gebe es allerdings zumeist nur bei neu gebauten Schiffen.

Nabu: Viele Reedereien tun mehr für Umweltschutz, als sie müssen

Der Umweltverband fordert nun schärfere Vorgaben. Etwa ein Verbot, dass Kreuzfahrtschiffe mit Schweröl fahren. „Das ist der letzte Dreck aus den Raffinerien“, sagte Diesener. Und wo immer Schweröl in den Tanks sei, fahre „immer auch die Gefahr einer Ölpest mit“. Eine Untersuchung zeige, dass immer noch mehr als die Hälfte aller Kreuzfahrtschiffe mit Schweröl fahren können, hieß es, in der Containerschiffflotte seien es nur 18 Prozent.

Kreuzfahrtschiffe liegen etwa 40 Prozent ihrer gesamten Nutzungszeit in einem Hafen. Dass dabei die Maschine läuft und Abgase ausstößt, um den an Bord benötigten Strom zu erzeugen, ist weiter eher die Regel als eine Ausnahme.
Kreuzfahrtschiffe liegen etwa 40 Prozent ihrer gesamten Nutzungszeit in einem Hafen. Dass dabei die Maschine läuft und Abgase ausstößt, um den an Bord benötigten Strom zu erzeugen, ist weiter eher die Regel als eine Ausnahme. © picture alliance / dpa Themendienst | Andrea Warnecke

Landeschef Siegert wählte auch hier das Prinzip: erst Peitsche, dann Zuckerbrot. „Wie man sich als Kreuzfahrtreederei in der EU derzeit verhalten darf, ist ein Skandal. Aber wir sehen auch, dass sich vermehrt Unternehmen besser verhalten, als sie müssten. Sie sind offen für höhere Auflagen – wenn sie alle Reedereien gleichermaßen betreffen.“

Der Kreuzfahrtverband CLIA äußerte sich nur allgemein zu dem neuen Ranking: „Die Kreuzfahrtindustrie tätigt enorme Investitionen, um eine der nachhaltigsten Formen der Urlaubsreise zu werden, indem sie ihren ökologischen Fußabdruck in Bezug auf Emissionen und Abfallmanagement reduziert. Die CLIA-Mitgliedsreedereien haben sich verpflichtet, bis zum Jahr 2050 weltweit eine kohlenstofffreie Kreuzfahrt anzubieten“, erklärte der Verband.

Kreuzfahrten – Anbieter und Umweltverband sind sich näher gekommen

Dessen Deutschland-Chef Helge Grammerstorf war Gast bei der Präsentation der neuen Rangliste. Ein Zeichen, dass die Branche und der Umweltverband sich über die Jahre näher gekommen sind – auch wenn sie weiterhin bisweilen weit auseinanderliegen. „In den ersten Jahren haben uns die Reedereien schlicht ignoriert“, erzählte Siegert, „inzwischen werden wir schon mal eingeladen, uns die Neuerungen an Bord anzuschauen.“