Hamburg. Schwefeloxid-Ausstoß legt laut aktueller Studie in Hamburg um 41 Prozent zu. Auch Kiel und Rostock betroffen. Das sagt der Senat.
Nach einer Zwangspause aufgrund der Corona-Pandemie ist das Kreuzfahrtgeschäft zur alten Stärke zurückgekehrt. Was gut für die Kassen der Reedereien ist, ist schlecht für die Umwelt. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 ist sind Zahl der Kreuzfahrtschiffe, ihre Liegezeiten in den europäischen Häfen und der Treibstoff, den sie in dieser Zeit ausstoßen, um 23 bis 24 Prozent gewachsen. Das führte zu neun Prozent mehr Schwefel in der Luft, 18 Prozent mehr Stickoxiden und 25 Prozent mehr Feinstaub, der aus den Schornsteinen gepustet wurde.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der europäischen Organisation Transport & Environment T&E, dem Dachverband der europäischen Umweltverbände. Er schlägt jetzt Alarm – und den Warnton sollte man insbesondere in Hamburg hören. Denn die Luftqualität der Hansestadt gehört zu den großen Verlierern dieser Entwicklung.
Kreuzfahrten: Luftverschmutzung steigt im Hamburger Hafen stark
In Hamburg nahm 2022 der Schwefeloxid-Ausstoß (SOX) um 41 Prozent zu. Damit ist die Hafenstadt nun auf Rang sechs der am stärksten durch Kreuzfahrtschiffe verschmutzten Hafenstädte im europäischen Vergleich. 2019 lag Hamburg noch auf Platz 17. Und wenn die Kreuzfahrtbranche erklärt, der Autoverkehr sei viel schlimmer als die Schiffe, dann hält die Untersuchung auch hier eine Zahl parat: 47 Schiffe haben während ihrer Anläufe und Liegezeiten in Hamburg soviel SOX produziert wie alle rund 814.000 Pkw, die in der Stadt gemeldet sind.
Auch in Kiel nahm im vergangenen Jahr die Verschmutzung laut Studie deutlich zu, mit einem SOX-Anstieg von 71 Prozent gegenüber 2017. Die SOX-Grenzwerte für Autos ist viel strenger als die für Schiffe. Die 39 Kreuzfahrtschiffe, die 2022 den Kieler Hafen anliefen, stießen 7530 Kilogramm aus. Das ist etwa siebenmal mehr als der SOX-Ausstoß aller in Kiel registrierten Autos. Rostock laufen jährlich etwa 30 Kreuzfahrtschiffe an. Ihre SOX-Emissionen sind mit 5302 Kilogramm rund 3,4-mal höher als der aller Autos in Rostock.
Hamburg liegt auf Platz sechs der am meisten belasteten europäischen Städte
Die am stärksten von den Kreuzfahrtschiffen und ihren Emissionen betroffene Hafenstadt liegt aber nicht in Deutschland, sondern in Spanien. Barcelona hatte im vergangenen Jahr dem am stärksten verschmutzten Hafen Europas. Dennoch hat Italien Spanien in dem unrühmlichen Ranking überholt. Hier ist insbesondere die hohe Belastung der Luft in Civitavecchia, dem Küstenhafen nordwestlich von Rom, zu nennen. Auf dem dritten Platz liegt Griechenland, vor allem mit dem Hafen Piräus.
Überraschend ist, dass Norwegens Häfen auf Platz vier bei der höchsten Luftverschmutzung rangieren. Zwar fahren hier vor allem kleinere Schiffe, aber der Kreuzfahrtverkehr hat in dem skandinavischen Land besonders zugenommen. Nimmt man die hiesigen Kreuzfahrtstandorte an Elbe, Nord- und Ostsee zusammen, landet Deutschland auf dem 12. Platz.
Luft in Venedig hat sich nach Verbot deutlich gebessert
Als Beispiel dass es auch anders geht, verweist Transport & Environment auf Venedig. In der italienischen Lagunenstadt habe sich die Luftqualität in dem untersuchten Zeitraum deutlich gebessert. War der Hafen 2019 noch derjenige mit der höchsten Verschmutzung durch Kreuzfahrten, rangiert er jetzt nur noch auf Platz 41. Der Grund dafür ist, dass Venedig 2021 ein Einlaufverbot für große Kreuzfahrtschiffe eingeführt hat, infolgedessen sanken die SOX-Emissionen um 80 Prozent.
Dies zeige, dass eine Bekämpfung der Luftverschmutzung möglich sei, schreibt die Umweltorganisation. Sie fordert eine stärkere Elektrifizierung der Häfen, um ihre Einwohner zu schützen. „Trotz großer Nachhaltigkeitsversprechen hat die Kreuzfahrtindustrie die Pandemie nicht genutzt, um ihre Schiffe sauber zu machen: Kreuzfahrten sind zurück und Touristen-Hotspots leiden mehr denn je unter ihren giftigen Abgasen. Das gilt nicht nur für Hafenstädte am Mittelmeer: In Hamburg und Kiel hat die Luftverschmutzung besonders stark zugenommen.“, sagt Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E-Deutschland.
Hamburg soll Kreuzfahrtschiffen Abnahme von Landstrom vorschreiben
Hamburg, Kiel und Rostock müssten den Kreuzfahrtschiffen jetzt vorschreiben, im Hafen Landstrom zu nutzen, statt ihre Motoren laufen zu lassen. „Gleichzeitig müssen wir die Einführung von emissionsfreien Kraftstoffen fördern.“ Hamburg schließt derzeit mit einzelnen Reedereien Abkommen zum Landstromanschluss ihrer Schiffe im Hafen. Verpflichtend sind diese nicht.
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Als einzelner Anbieter sei die Reederei MSC für die größte Verschmutzung verantwortlich, deren Kreuzfahrtschiffe fast so viel Schwefeloxid ausstießen wie alle Pkw in Europa, behauptet T&E. MSC will jetzt Landstrom in Hamburg nutzen. Berücksichtige man sämtliche Tochtergesellschaften, ist die Carnival Gruppe für die meisten Schwefel-Emissionen verantwortlich, zu der auch der deutsche Marktführer Aida gehört.
Kreuzfahrten: Luftverschmutzung im Hamburger Hafen ein Problem
Um aus der Schwefel- und Rußpartikelfalle herauszukommen, investieren derzeit viele Kreuzfahrtbetreiber in flüssiges Erdgas (LNG) als Treibstoff-Alternative. Mehr als 40 Prozent der bestellten Kreuzfahrtschiffe werden mit LNG-Antrieb ausgestattet. Doch davon hält die Umweltorganisation auch nichts: Diese Schiffe seien zwar besser, was die Luftverschmutzung angeht, aber sie seien extrem klimaschädlich, weil aus ihren Motoren Methan austrete – ein Gas das etwa 80-mal mehr zur Erderwärmung beitrage als Kohlendioxid. Die 344 Meter lange „MS Iona“ der Reederei P&O Cruises würde beispielsweise so viel Methan emittieren wie 10.500 Kühe in einem Jahr.
Sebastian Bock schlussfolgert: „Von Öl auf Gas umzusteigen, ist wie Zigaretten gegen Alkohol zu tauschen. Es mag die Luft zum Atmen in den Hafenstädten geringfügig verbessern, für das Klima hingegen ist es eine Katastrophe.“
Kreuzfahrten: Senat stellt Studie infrage – „methodisch fragwürdig“
Der Kreuzfahrtverband Clia Deutschland verweist auf fehlende saubere Kraftstoffe und Anlagen für Landstromanschluss in den Häfen. „Die Kreuzfahrtindustrie setzt sich nachdrücklich für eine kontinuierliche Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen ein, und die Kreuzfahrtunternehmen investieren in erheblichem Umfang in die Entwicklung neuer Umwelttechnologien, nachhaltiger Schiffskraftstoffe und in die Ausrüstung von Kreuzfahrtschiffen für den Anschluss an die landseitige Stromversorgung, wodurch Emissionen während der Liegezeit vermieden werden“, sagte der Deutschlandchef des Verbands, Helge Grammerstorf. „Wir investieren, aber die Behörden müssen der Bereitstellung von erneuerbaren Kraftstoffen in großem Umfang und dem Ausbau der landseitigen Strominfrastruktur Vorrang einräumen, da es in Europa derzeit nur wenige Anschlüsse gibt.“
Auf Abendblatt-Anfrage äußerte sich auch der Hamburger Senat noch. Er bezeichnete die Ergebnisse der Studie als „nicht ohne weiteres plausibel und methodisch fragwürdig“. Hauptkritikpunkt: Es handele sich wohl eher um Modellberechnungen als um tatsächliche Messungen. So könne die zuständige Umweltbehörde hinsichtlich der Schwefeloxid-Belastung keine Zunahme durch das Hamburger Luftmessnetz feststellen. Gleichwohl wies er daraufhin, dass Hamburg erhebliche Anstrengungen zum Ausbau des Landstromangebots unternehme.