Hamburg. Die neue Zustellbasis in Schnelsen ist die bundesweit erste ihrer Art. 180.000 Menschen in Hamburg werden per E-Transporter beliefert.

Strom erzeugende Solarzellen auf dem Dach der Sortierhalle, sechs Wärmepumpen für die Fußbodenheizung, auf dem Dach des Bürogebäudes wächst allerlei Grünzeug, und die LED-Beleuchtung wird über Bewegungsmelder gesteuert: Die neue Zustellbasis in Hamburg-Schnelsen, die der Paketdienst Deutsche Post DHL (DPDHL) am Montagmittag offiziell in Betrieb genommen hat, ist die bundesweit erste ihrer Art und soll zum Vorbild für die anderen neuen Zustellbasen des Unternehmens werden. DHL nennt sie die „erste klimaneutrale Zustellbasis“.

Deutsche Post DHL stellt Pakete in sieben Hamburger Stadtteilen bald klimaneutral zu

Herzstück des Areals ist eine Sortieranlage, in der die Pakete zusammengestellt werden, bevor sie in die Zustellfahrzeuge geladen werden, die dann in die Stadtteile Eppendorf, Eimsbüttel, Hoheluft-West und -Ost, Schnelsen, Eidelstedt sowie Stellingen ausschwärmen. Die gut 180.000 Hamburgerinnen und Hamburger, die dort in 100.000 Haushalten leben, erhalten vom Platzhirsch unter den deutschen Paketdiensten im Durchschnitt 63.000 Pakete pro Woche.

Noch allerdings ist die Klimaneutralität am Standort Schnelsen nicht voll erreicht. Auf dem Hof, von dem aus pro Tag bis zu 90 Zustelltouren starten, stehen auch noch gelb-rot lackierte Fahrzeuge, auf deren Kennzeichen am Ende eine Zahl steht, nicht das charakteristische E für Elektroantrieb. „Derzeit haben wir hier etwa 60 E-Transporter im Einsatz, weitere 30 bis 35 sind im Zulauf und werden im August und September in Betrieb genommen. Ab Oktober ist die gesamte Flotte dann vollelektrisch“, sagt Stefan Eckelmann, der Chef der DPDHL-Niederlassung.

Hamburg-Schnelsen ist ein neuer Standort bei Deutsche Post DHL

Da Schnelsen ein komplett neuer Standort ist – die Zustellbasis war zuvor Teil des Standorts Altona, der für die Entwicklung eines neuen Quartiers im Bereich Diebsteich aufgegeben wird, – machte es möglich, auch das Gebäude klimaneutral zu gestalten. „Bei einem Neubau ist das natürlich viel einfacher als in Bestandsbauten“, sagt Manfred Eisenträger, der Leiter des Geschäftsbereichs Nord.

Bei der Erweiterung des Briefzentrums in Hausbruch und bei der Erweiterung des Paketzentrums Allermöhe sollen zwar ebenfalls klimaschonende Maßnahmen umgesetzt werden – doch klimaneutral werden sie deshalb dann noch nicht sein. „Das Unternehmen investiert bis zum Jahr 2030 etwa sieben Milliarden Euro in den Klimaschutz“, betont Eisenträger. Ein festes Ziel, bis wann DPDHL komplett klimaneutral in Hamburg sein will, existiert allerdings nicht.

DHL: Beim Rivalen Hermes sind bereits drei Viertel der Transporter batteriebetrieben

Der Konkurrent Hermes hat bereits im vergangenen Jahr dieses Ziel für die Hansestadt ausgerufen. „In unserem Heimathafen Hamburg wollen wir bis Ende 2023 erstmals eine komplette deutsche Großstadt ohne den Ausstoß von lokalen Emissionen beliefern“, sagte Hermes-Chef Olaf Schabirosky dem Abendblatt. Sämtliche Hamburger Postleitzahlgebiete sollen spätestens in einem halben Jahr nur noch mit E-Transportern oder Lastenrädern beliefert werden.

Derzeit würden 120 der insgesamt um die 160 Hermes-Fahrzeuge in der Stadt elektrisch betrieben, heißt es. Die Flotte des Unternehmens und seiner sogenannten Zustellpartner ist also bereits zu 75 Prozent elektrifiziert „Die Anzahl an batteriebetriebenen Transporter wird sich in Richtung Spätsommer noch einmal merklich erhöhen“, sagt eine Sprecherin des Hamburger Unternehmens.

Ein Teil der Fahrzeuge startet an einem neuen sogenannten E-Mobility-Hub an der Billstraße in Billbrook mit einer Vielzahl von Ladepunkten. Durch sie fließt ausschließlich Ökostrom in die Batterien. Das ist ein weiteres Ziel des Hamburger Hermes-Projekts. Bis Ende 2023 sollen alle Verteilzentren in der Stadt nur noch mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgt werden.

Klimaschutz – E-Transporter von DHL werden mit selbst erzeugtem Solarstrom betrieben

Bei DHL in Schnelsen werden die Transporterbatterien nachts mit selbst erzeugtem Solarstrom geladen. Er ist tagsüber in den Solarzellen auf dem Hallendach erzeugt worden. Und wenn es in Schnelsen wolkig ist? Kauft DHL „ausschließlich Ökostrom aus nachhaltigen Quellen“ dazu, heißt es. „Im Winter wird das sicher mehr sein“, sagt Regionalleiter Eisenträger.

Der Strom für die Batterien der – ab Herbst – gut 90 Elektrotransporter der DHL-Zustellbasis Schnelsen kommt vom Dach der neu gebauten Sortierhalle. Wenn die Solarzellen nicht genug erzeugen, kauft das Unternehmen Ökostrom zu.
Der Strom für die Batterien der – ab Herbst – gut 90 Elektrotransporter der DHL-Zustellbasis Schnelsen kommt vom Dach der neu gebauten Sortierhalle. Wenn die Solarzellen nicht genug erzeugen, kauft das Unternehmen Ökostrom zu. © Deutsche Post DHL | Christian Bendel

Im Frühjahr 2024 soll erstmals eine komplette Klimabilanz für die Zustellbasis Schnelsen gezogen werden. Klimaneutral um jeden Preis komme nicht infrage, versichern der Regionalleiter und Standort-Hamburg-Chef Eckelmann: „Das Unternehmen kauft keine Kompensationen, um dieses Ziel zu erreichen.“

Studie aus Hamburg: Verbraucher sehen Kompensationszahlungen kritisch

Genau das wird von Verbrauchern honoriert, zeigt eine aktuelle Studie der Hamburger Kühne Logistics University (KLU) und der University of Tennessee in den USA. Sie schätzen die Reduzierung schädlicher Emissionen durch ein Unternehmen als besser ein als Kompensationszahlungen. „Beides kann ein Produkt klimaneutral machen und sich positiv auf die Umwelt auswirken“, sagt KLU-Professor Christian Troester.

Doch aus Sicht der Verbraucher ist es ein entscheidender Unterschied, so die davon überraschten Forscher. „Erstaunlicherweise waren die Verbraucherinnen und Verbraucher in unserer Studie nur bei Reduktion von Emissionen bereit, mehr für das jeweilige Produkt auszugeben“, so KLU-Professor Troester.

Auch Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) lobte in Schnelsen, die Zustellbasis habe „die beste Klimabilanz“ aller DPDHL-Standorte. Es sei bedeutsam, „dass Logistik auch klimaneutral funktioniert – denn wenn es hier klappt, kann es auch woanders funktionieren“, sagte sie. Zugleich aber hob die Senatorin einen ganz anderen Aspekt hervor: Am Standort Flagentwiet sei es „gelungen, 120 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und Beschäftigte in der Stadt zu halten“.