Hamburg. Jetzt schlägt das Embargo gegen Russland voll zu Buche. Experten nennen Konjunkturschwäche als Grund. Und es gibt noch ein Problem.
Der Hamburger Hafen kommt in diesem Jahr nicht in Tritt. Zwar haben sich die Ladungsverluste im Vergleich zum Januar deutlich abgemildert. Unterm Strich steht aber weiterhin kein Wachstum, der Hafen schrumpft.
So gingen im Februar 8,667 Millionen Tonnen Seegüter über die Kaikante. Im Vergleich zum Vorjahresmonat bedeutet das ein Minus von 4,1 Prozent. Nimmt man den desaströsen Verlauf des Januars hinzu, beträgt das Minus im Vergleich zum Jahresstart 2022 sogar 9,5 Prozent. Noch deutlicher sind die Rückgänge beim Stückgutumschlag, das Container und konventionelle Ladung umfasst. Mit einem Volumen von 6,2 Millionen Tonnen betrug der Rückgang im Vergleich zum Februar 2022 nur noch 1,9 Prozent. Januar und Februar zusammen sehen deutlich schlechter aus.
In den ersten beiden Monaten dieses Jahres wurden im Hamburger Hafen nämlich 12,2 Millionen Tonnen Stückgut seeseitig umgeschlagen. Das sind 15,7 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Dabei macht sich der massive Ausfall des Januars mit einem Rückgang von 26,4 Prozent besonders bemerkbar. Das geht aus einer Statistik der Hamburg Hafen Marketing hervor, die dem Abendblatt vorliegt.
Hamburger Hafen schwächelt auch im Februar
Die Hafen-Organisation führt das Minus im Vergleich zum Vorjahreszeitraum darauf zurück, dass es damals die wirtschaftlichen Verwerfungen infolge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine noch nicht gab. Russland überfiel die Ukraine am 24. Februar 2022.
Kaum Auswirkungen oder sogar einen leicht positiven Effekt hat der Ukraine-Krieg auf den Massengutumschlag gehabt. Im Mai 2022 war das EU-Embargo gegen russische Ölimporte verhängt worden. Betroffen sind raffinierte Mineralölprodukte und damit in erster Linie Dieselimporte. Die fehlenden Mineralölprodukte mussten aber durch zusätzliche Importe ersetzt werden. Der Transport erfolgt per Schiff über Seehäfen und dann weiter mit Binnenschiffen und Kesselwagenzügen. Es zeigt sich, dass die Importe aus Russland im Februar dieses Jahres aufgrund des Embargos zurückgegangen sind. Mehr Mineralölprodukte kamen dagegen zum Beispiel aus den Niederlanden, Dänemark, aber auch aus Indien. Damit konnte die Gesamtimportmenge gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 28,1 Prozent gesteigert werden. Auf den Massengutumschlag hat sich das ausgewirkt: Dieser ist im Hamburger Hafen innerhalb der ersten beiden Monate um sechs Prozent auf 6,1 Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr angewachsen.
Fachkräftemangel wirkt sich allmählich auf Hafen aus
„Nach dem Ladungseinbruch im Januar hatte ich erwartet, dass der Hafen im Februar mit einem deutlichen Plus herauskommt. Das ist nicht geschehen. Entsprechend verhalten sind auch die Reaktionen“, sagt Jan Ninnemann, Logistikprofessor an der Hamburg School of Business Administration. „Haupttreiber ist meiner Ansicht nach die deutlich abgekühlte Konsumnachfrage, die ja nicht nur bei uns, sondern inzwischen weltweit ihre Spuren hinterlassen hat.“ Nicht nur der Handel sei zurückgegangen. Auch die Industrie habe sich inzwischen auf die Inflation eingestellt und ihre Produktion etwas zurückgefahren. „Und dann tritt nach meiner Ansicht noch ein weiterer Punkt immer deutlicher hervor: der Fachkräftemangel. Fehlte in der Corona-Krise der Materialnachschub, der die Produktion ausbremste, so fehlen jetzt die Fachkräfte. Das wird im Im- und Export immer deutlicher zutage treten und hat auch Einfluss auf den Umschlag im Hamburger Hafen.“
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Jan Tiedemann, Schifffahrtsexperte des Branchendienstes Alphaliner, rät davon ab. die Umschlagzahlen überzubewerten: „Der Hamburger Hafen lebt vor allem von seiner Verteilfunktion in den Ostseeraum. Dabei werden Container aber doppelt gezählt: einmal, wenn sie vom Überseeschiff gebracht und am Kai abgeladen werden. Und dann noch einmal, wenn sie auf das Feederschiff geladen werden. „Durch diese Doppelzählung zeichnet sich der Rückgang der Feederverkehre mit Russland deutlich stärker ab, als der Ladungsverlust tatsächlich ist.“
Hamburger Hafen: Der Umschlag geht zurück
Bemerkenswert am Ladungsrückgang ist, dass er nicht alle Häfen auf der Welt gleichermaßen trifft, sondern vor allem europäische Häfen. So ist der Containerumschlag-Index des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) im Februar gegenüber dem Vormonat sogar gestiegen. Nur in den europäischen Häfen ist er nochmals kräftig zurückgegangen. So sagt der RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt: „Während der weltweite Containerumschlag seinen Rückgang vom Januar aufholen konnte, ging er in Europa unvermindert zurück. Dies deutet auf einen schwachen Außenhandel insbesondere in Deutschland hin.“
Sorgen bereitet den Akteuren im Hamburger Hafen auch die wachsende Konkurrenz innerhalb Europas. Wie berichtet, baut Rotterdam derzeit seinen Containerhafen Maasvlakte II aus. Am Freitag gab die dänische Reederei Maersk bekannt, dass sie ihr Containerterminal dort erweitert. Hinzu kommen ein 1000 Meter langer Tiefwasserkai und Containerbrücken, damit dort jährlich zwei Millionen Standardcontainer (TEU) zusätzlich umgeschlagen werden können. Damit wächst das europäische Umschlagsangebot – aber nicht das an der Elbe.