Hamburg. Koreanische Reedereichefs planen Containerschiffe mit Reaktorantrieb. Wie Umweltbehörde und Naturschutzbund reagieren.
Die internationale Handelsschifffahrt steht unter Druck. Spätestens 2050 muss sie klimaneutral auf den Weltmeeren fahren. Besser wäre 2045. Doch noch ist die Flotte der Schiffe davon so weit entfernt wie die Erde vom Mond. Derzeit werden verschiedene Kraftstoffarten getestet, die bei der Verbrennung kein Kohlendioxid (CO2) mehr ausstoßen.
Doch den Königsweg zur Dekarbonisierung der Schifffahrt hat noch niemand gefunden. Indes haben asiatische Reedereien einen revolutionären Plan, wie sie aus der CO2-Falle herauskommen könnten. Doch der hat erhebliche Auswirkungen für die restliche Welt – nicht zuletzt auf den Hamburger Hafen. Sie erwägen nämlich den Bau von Atomfrachtern.
Dürfen Schiffe mit Atomantrieb in den Hamburger Hafen?
Fachpublikationen der maritimen Szene vermeldeten es als Erste: Eine Reihe koreanischer Reedereien, darunter HMM, Sinokor und H-Line Shipping, sowie die Klassengesellschaft des Landes (quasi der Schiffs-TÜV) treiben Pläne zur Entwicklung von Handelsschiffen mit Atomantrieb voran. Demnach haben sich kürzlich die Vorstandschefs der Reedereien zusammen mit Vertretern des Nuclear Research Institutes und dem koreanischen Atomic Energy Research Institute in der Stadt Gyeongju zu einem Arbeitsgespräch getroffen.
Ihre Idee: Wie können Kernreaktoren mit kleinen Modulen für Schiffe entwickelt werden? Offenbar wurde auch eine Vereinbarung unterzeichnet, wonach die zukünftige Kommerzialisierung des Projekts durch die Entwicklung von Demonstrationsreaktoren für große Schiffsantriebe entwickelt werden soll.
„Es gibt Überlegungen dieser Art“, bestätigt Jan Tiedemann vom Branchendienst Alphaliner. „Angesichts des gewaltigen Energiebedarfs, der auf die Schifffahrt zukommt, sind sie auch sinnvoll. Ich glaube aber nicht dass sie kurzfristig umsetzbar sind.“ Sollten solche Schiffe entwickelt werden, würde sich die Kostenstruktur komplett verschieben. „Die Investitionskosten wären extrem hoch. Die Betriebskosten später sehr gering. Das hätte auch Auswirkungen auf die Schiffsfinanzierung.“
Kernspaltung – weniger als zehn Kilometer vom Rathausmarkt entfernt
Nun gut, könnte man als Hamburger sagen. Korea ist weit weg. Und der Verband Deutscher Reeder sagt, ihm sei nicht bekannt, dass auch deutsche Reeder den Bau nuklearbetriebener Frachter vorhätten. Aber so einfach ist es nicht.
Denn mindestens eine der Reedereien, die auf Atomfrachter für die Zukunft setzt, Hyundai Merchant Marine (HMM), ist guter Kunde des Hamburger Hafens. Beispielsweise liegt die „HMM Gdansk“, ein 400 Meter langer Containerfrachter seit Dienstagmittag am Burchardkai der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA).
Am kommenden Sonnabend soll sie laut Fahrplan wieder auslaufen. Wäre sie bereits eines jener Zukunftsschiffe, die HMM plant, läge vier Tage ein Schiff mit Atomantrieb im Hamburger Hafen. Weniger als zehn Kilometer Luftlinie vom Rathausmarkt entfernt. Und der nächste HMM-Frachter steht schon auf der Segelliste der HHLA. Einmal wöchentlich schickt die Reederei ihre großen Schiffe nach Hamburg.
Atomfrachter im Hamburger Hafen? Umweltbehörde weicht Frage aus
Auf den Umschlag von Kernbrennstoffen im Hafen haben die wichtigsten Unternehmen an der Elbe wie HHLA, Hapag- Lloyd, Eurogate und C. Steinweg bereits freiwillig verzichtet – mehr oder weniger auf Druck der rot-grünen Landesregierung. Doch wie verhält sich das Problem, wenn die atomaren Stoffe gar nicht verladen werden sollen, sondern in Form des Antriebs an Bord bleiben?
Die Hamburger Umweltbehörde weicht einer Beantwortung der Frage, ob so ein Schiff Hamburg anlaufen dürfte, aus. Sie ist zwar die Atomaufsichtsbehörde Hamburgs. Eine Sprecherin verweist aber auf das Atomgesetz.
Dieses sieht vor, dass ein Atomschiff für die Einfahrt in die deutschen Gewässer eine Genehmigung benötigt. Da das zuerst die deutschen Küstengewässer beträfe, müsse diese also zunächst bei der zuständigen Bundesbehörde beantragt werden.
Atomantrieb in Containerschiffen: Naturschutzbund ist alarmiert
Alarmiert reagieren hingegen Hamburger Umweltschützer: „Man möchte angesichts der Idee, Containerschiffe mit Atomantrieb auszustatten, ausrufen: Gier frisst mal wieder Hirn“, sagte der Vorsitzende des Naturschutzbundes (NABU) Hamburg, Malte Siegert. „Es zeigt sich leider, wie wenig nachhaltig im Denken und Handeln die Branche in Teilen zu sein scheint und wie egal ihr offenbar kommende Generationen mit Blick auf kurzfristige Profite sind. Einmal ganz abgesehen davon, dass die Endlagerung des auf Hunderttausende von Jahren strahlenden Mülls selbst nach Jahrzehnten der Nutzung noch immer nicht sicher und langfristig geklärt ist.“
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Je mehr unterschiedliche Vorschläge zu Schiffsantrieben auf den Tisch kämen, desto weniger setze sich zeitnah durch, was jetzt dringend angezeigt wäre, bemängelt Siegert: nämlich eine schnelle wachsende Verfügbarkeit synthetischer Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien auf Basis von Wasserstoff. „Nur wenn solche eFuels absehbar, günstig und in ausreichender Menge für die Schifffahrt zur Verfügung stehen, werden verantwortungsvolle Reeder entsprechend Schiffe beauftragen oder im Bestand umrüsten, die Kraftstoffe aus nachhaltiger Produktion nutzen. Und nur dann verschwinden solche gefährlichen und nicht nachhaltigen Ideen wie Atomfrachter hoffentlich schnell wieder in der Schublade.“
Suezkanal für Atomschiffe gesperrt
Derzeit gibt es eine Reihe von Schiffen mit Atomantrieb, aber überwiegend im militärischen Bereich. In der zivilen Schifffahrt wären nur die russischen Eisbrecher zu nennen. Deutschland hatte in den späten 1960er-Jahren mit der „Otto Hahn“ einen eigenen Frachter mit Reaktorantrieb. Das Schiff ist aber inzwischen verschrottet. Es fand keine Nachahmer.
Atomschiffe dürfen auch nicht überall fahren. Die Durchfahrten durch den Panamakanal und den Suezkanal sind beispielsweise untersagt. „Das sollte die Reeder aber nicht hindern, ihre Pläne umzusetzen“, sagt Experte Tiedemann. „Die Schiffe müssten dann zwar außen herumfahren. Der Zeitverlust wäre aber zu verschmerzen, da atombetriebene Schiffe sehr viel schneller fahren können.“
Noch klingt es nach Zukunftsmusik, aber bald muss sich Hamburg damit befassen.