Hamburg. Die Automatisierung sorgt für Ärger, auch andere Vorhaben sind umstritten. Eine ganz wesentliche Frage ist noch nicht geklärt.
Der aktuelle Tarifstreit ist Ausdruck eines grundsätzlichen Wandels, dem der Hamburger Hafen derzeit unterliegt. Alte, langsame Arbeitsabläufe werden durch moderne, effizientere abgelöst. Nur so kann der Hafen im europäischen Wettbewerb bestehen, und Deutschlands herausragende Stellung als Exportnation festigen.
Hinzu kommen große Umbrüche, die sich in Dekaden vollziehen und das Stadtbild verändern. Wie damals als der Container Einzug hielt. Neue Hafenterminals mussten gebaut werden. Die Speicherstadt war zum Warenumschlag nicht mehr zu gebrauchen. Heute erinnert nur noch der Name „HafenCity“ an das maritime Erbe des Areals. Nun steht erneut ein tiefgreifender Wandel im Hafen an. Auch er wird Hamburgs Gesicht verändern. Um diese Themen geht es.
Hafen Hamburg: Schleppende Automatisierung
Als der Hafenkonzern HHLA im Jahr 2002 sein Containerterminal in Altenwerder (CTA) eröffnete, war er aufgrund der hohen Automatisierung seiner Abläufe so effizient und modern, dass die Umstellung aller Umschlagterminals im Hamburger Hafen, als in naher Zukunft unausweichlich erschien. Tatsächlich hat es aber 20 Jahre gedauert, bis nun weitere Schritte folgen, etwa am Containerterminal Burchardkai, das bereits in den 1960er-Jahren entstand. Natürlich hat es auch hier seitdem viele Schritte der Modernisierung gegeben: Größer werdende Schiffe machten die Anschaffung größerer Kräne notwendig. Die Blocklagertechnik ersetzte das Stapeln der Container mit hohem Personalaufwand.
Doch nun soll bis 2025 der Transport vom Schiff bis zum Lager am Burchardkai automatisiert werden. Wo heute noch von Menschen gesteuerte Containerhubfahrzeuge im Einsatz sind, werden künftig selbstfahrende, intelligente Transportfahrzeuge, sogenannte Automated Guided Vehicles (AGV), die Umfuhren übernehmen. Auch das Containerterminal Altenwerder soll weiter automatisiert werden: Ab 2025 werden die von einem Kranführer gesteuerten Containerbrücken durch ferngesteuerte Anlagen ersetzt. Der Hafen der Zukunft beschäftigt nicht mehr viele Menschen. Und das dritte HHLA-Containerterminal Tollerort wird Testcenter für mit Wasserstoff angetriebene Geräte und Transportfahrzeuge.
Hamburger Hafen ergreift Maßnahmen gegen Klimawandel
Denn auch die notwendigen Schritte zur Eindämmung der Erderwärmung verwandeln das Aussehen des Hafens. Die Vorstandsvorsitzende der HHLA, Angela Titzrath, fasst zusammen, was das übergeordnete Ziel ist: „Entsprechend unseres Selbstverständnisses als ,Das Tor zur Zukunft‘ verstehen wir Innovationen und technische Exzellenz als zentralen Schlüssel, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln sowie ökologisch handeln und erfolgreich wirtschaften zu können.“
Als der Chef der Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA), Jens Meier, bei der Welthafenkonferenz in Hamburg im Jahr 2015 den „Smartport“ vorstellte, war vieles von den heutigen Veränderungen darin schon angelegt: die Vernetzung von Verkehr, Infrastruktur und Warenströmen durch intelligente Systeme macht das Drehkreuz einfach schneller. Viele Schritte dieser Modernisierung geschehen täglich im Verborgenen. „Bereits 2013 haben wir mit unserer Smartport-Initiative ein Digitalisierungs- und Innovationsprogramm eingeführt, um den Hamburger Hafen zu einem der intelligentesten Seehäfen der Welt zu entwickeln.
KI soll Warenverkehr im Hafen optimieren
Damals sind wir nicht bei jedem auf offene Türen gestoßen, daher war es wichtig, auf der Welthafenkonferenz zwei Jahre später nicht Visionen zu zeigen, sondern reale Cases“, sagt Meier dem Abendblatt. Die Infra- und Suprastruktur im Hamburger Hafen werde schrittweise mit Sensorik ausgestattet. Die HPA teste neue Ansätze bei der Überwachung des Bauzustands der Brücken wie zum Beispiel den Einsatz von Drohnen oder Robotern.
Auch künstliche Intelligenz (KI) sei eine vielversprechende Schlüsseltechnologie, deren Einsatz große Potenziale für die Optimierung der Waren- und Verkehrsströme im Hamburger Hafen leisten werde, sagt Meier. „Auch dank unserer guten Vorarbeit im Bereich der Digitalisierung ist der Hamburger Hafen bisher gut durch die Pandemie gekommen.“
Weniger Gas aus Russland, dafür Flüssiggas am Hafen
Dort wo bisher Kohleschiffe für den Betrieb des Kraftwerks Moorburg entladen wurden, ist Platz für neue, klimafreundliche Energievorhaben. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Energiesenator Jens Kerstan (Grüne) wollen hier für eine gewisse Zeit ein schwimmendes LNG-Terminal installieren, zur Speicherung von Flüssiggas, dessen Umwandlung in Gasform und die anschließende Einspeisung ins allgemeine Gasnetz. Einmal pro Woche soll ein Tankschiff nach Hamburg kommen und an das LNG-Terminal andocken, um das Lager zu füllen.
Damit soll Deutschland unabhängiger von der Gasversorgung aus Russland werden. Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) gilt als ein wichtiger Energieträger für eine Übergangszeit, bis rein klimaneutrale Kraftstoffe zur Verfügung stehen. LNG senkt bei der Verbrennung den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids um 20 Prozent gegenüber Dieselkraftstoffen, den Stickstoffanteil um 85 und Schwefeloxide gar um 100 Prozent.
Hafen Hamburg: Importeur für grünen Wasserstoff
Europas Ziel zu erreichen, den CO2-Anteil bis 2050 auf null zu senken, dabei hilft LNG aber nicht. Deshalb plant Hamburg parallel den Aufbau einer Wasserstoffversorgung. In Moorburg, wo jetzt das Kohlekraftwerk abgebaut wird, entsteht unter Federführung der Wirtschaftsbehörde ein Elektrolyseur, der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.
Betrieben wird er mit Strom aus Windrädern. Zudem plant Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) Hamburg zu einem wichtigen Importhafen für grünen Wasserstoff zu machen. Ein Aktionsplan sieht vor, grünen Wasserstoff in großen Mengen per Pipeline aus Skandinavien und auf dem Seeweg aus weiter entfernt liegenden Ländern zu holen. In drei Jahren soll es so weit sein. Dann werden die Kohleberge aus dem Hafen verschwinden und langfristig die Öltanks auch.
Köhlbrandbrücke soll durch Tunnel ersetzt werden
Der Straßenverkehr ist im Hafen dauerhaft im Wandel. Allein schon, weil die Fahrbahnen unter dem rollenden Schwerlastverkehr ständig erneuert werden müssen. Auch zahlreiche Brücken sind abgängig: Die Kattwykbrücke hat ein parallel liegendes Bauwerk für den Zugverkehr bekommen, um diesen vom Straßenverkehr zu entflechten. Auch die alte Rethebrücke musste für Hunderte Millionen Euro ersetzt werden.
Das größte Bauprojekt dieser Art, das Hamburgs Skyline maßgeblich verändern wird, steht aber noch bevor: Der Ersatz der Köhlbrandbrücke durch einen Tunnel. Die 1974 eröffnete Brücke ist altersschwach und ab 2030 nur noch unter hohen Sanierungskosten und mit Einschränkungen für den Verkehr zu erhalten. Zudem ist sie nicht hoch genug, damit große Containerschiffe darunter hindurch zum Containerterminal Altenwerder fahren können. Hamburg und der Bund sind sich einig, dass die alte Brücke durch einen Tunnel ersetzt werden soll.
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Der wird als leistungsfähiger und weniger störanfällig angesehen. Mit geschätzten 3,245 Milliarden Euro verschlingt der Bau aber hohe Investitionskosten, die Hamburg nicht alleine stemmen kann. Der Bund soll sich beteiligen. Er hat jetzt immerhin 3,1 Millionen Euro an Planungsmitteln für ein neues Gutachten bereitgestellt. Das soll klären, wie die Finanzierung des Großbaus gelingt.
Eine andere, aber ganz wesentliche Frage ist noch gar nicht geklärt: Was soll außer dem Straßenverkehr noch in den Tunnel verlegt werden? Sein Querschnitt wird so groß sein, dass er zweistöckig genutzt werden kann. Oben sollen Autos fahren, unten selbstfahrende Containerzüge. Doch hierzu gibt es noch überhaupt keine Planungen. Weder ist bekannt, welche Technik zum Einsatz kommen soll, noch zu welchen Kosten. Denn nur das ist klar: Für die 3,2 Milliarden Euro gibt es den Tunnel nackt, ohne Innenausbau.
Hafen Hamburg spielt beim Schiffbau untergeordnete Rolle
Jahrzehntelang war der Schiffbau eines der bedeutenden Standbeine des Hamburger Hafens. Doch deutsche Werften sind bei Investoren kaum mehr gefragt. 85 Prozent aller Aufträge werden heute in China und Korea abgewickelt. Das merkt die Branche. Die Pella Sietas Werft ist in die Insolvenz gerauscht. Schiffbau hatte an der Estemündung eine Jahrhunderte alte Tradition.
Das ist vorbei. Die andere Werft mit großem Namen, Blohm+Voss, hat seit ihrer Übernahme durch die Bremer Lürssen Gruppe zwei Arbeitsplatzabbaurunden hinter sich und wurde personell deutlich verkleinert. Auf einem Areal, das einst Tausenden Hamburgern Beschäftigung gab, arbeiten heute noch knapp 460. Große Teile der Anlagen sind vermietet. Das große Schwimmdock, das als markanter Werbeträger jahrzehntelang den Besuchern der Landungsbrücken vom gegenüberliegenden Ufer entgegenleuchtete, wurde von Lürssen abgezogen und nach Bremen geschleppt.
Ob es je zurückkommt, ist fraglich. Das ist sichtbarer Wandel im Schiffbau, der im Hamburger Hafen der Zukunft nur noch eine untergeordnete Rolle spielen wird.