Hamburg. Hamburger Tchibo-Zentrale wird absehbar besonders betroffen sein. Auch Kündigungen möglich. Es ist nicht die erste Hiobsbotschaft.
Für die mehr als 11.000 Beschäftigten des Hamburger Kaffeekonzerns Tchibo läuft 2023 bisher nicht gut. Anfang des Jahres verkündete das Unternehmen seinen Mitarbeitern, dass es konzeptionelle Veränderungen plane, dann teilte es ihnen mit, dass Lohnerhöhungen in diesem Jahr nicht möglich sind, und jetzt müssen die Beschäftigten auch noch um ihre Arbeitsplätze fürchten: Ihr Arbeitgeber will bis Ende des Jahres etwa 300 Stellen abbauen.
Ein Unternehmenssprecher bestätigt dies. Er nennt es eine „Anpassung der Personalstruktur an die gestiegenen Kosten“. Man werde alle sozialverträglichen Möglichkeiten ausschöpfen, sagte ein Tchibo-Sprecher, „aber auch betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen.“
Tchibo baut 300 Stellen ab – vor allem in Hamburg
An welchen Standorten das Unternehmen Arbeitsplätze streicht und Beschäftigte gegebenenfalls entlässt, dazu will der Sprecher keine Angaben machen. Doch da die Tchibo-Zentrale in Hamburg mit derzeit etwa 2500 Beschäftigten der Hauptsitz der Verwaltung ist, wird sie vermutlich auch die größte Last des Stellenabbaus tragen müssen.
Zu Begründung sagte der Sprecher, das Unternehmen sei gezwungen, Kosten zu reduzieren. Tchibo habe während der Corona-Pandemie, als insbesondere das Onlinegeschäft deutlich gewachsen sei, den Personalstamm erweitert. „Nun müssen wir zu den Strukturen vor den Pandemie zurückkehren.“ Tchibo werde nach dem geplanten Stellenabbau wieder in etwa so viele Beschäftigte haben wie im Vor-Corona-Jahr 2019.
Tchibo – keine Lohnerhöhung in diesem Jahr
Erst vor wenigen Wochen hatte das Unternehmen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgeteilt, dass es in diesem Jahr keine prozentuale Lohnerhöhung geben werde. Die Beschäftigten erhalten jedoch einen Inflationsausgleich in Höhe von 1500 Euro. „2022 war finanziell gesehen das schlechteste Jahr in der fast 75-jährigen Firmengeschichte“, schrieb der Vorsitzende der Geschäftsführung, Werner Weber, als Begründung.
Weniger beim Kaffee als vielmehr in seinem übrigen Angebot an Gebrauchswaren hat Tchibo die Kaufzurückhaltung der Deutschen im vergangenen Jahr voll zu spüren bekommen. Konkrete Zahlen hat das Unternehmen noch nicht vorgelegt. Konnte der Hamburger Kaffeeröster aber im Jahr 2021 noch einen Umsatz von 3,3 Milliarden Euro und ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern von 176 Millionen Euro verzeichnen, wurde bereits in der Prognose für 2022 ein erheblich rückläufiges Ergebnis vorhergesagt.
Und auch das aktuelle Geschäftsjahr verläuft nicht gerade vielversprechend. Die Erwartungen der Einzelhändler sind dem aktuellen Geschäftsklimaindex des Münchner ifo-Instituts zufolge schlecht. Die Umsätze sind im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen, ebenso die Bestellerwartungen. Was hingegen steigt, sind die Preise und die Lagerbestände.
Tchibo kämpft mit hohen Lagerkosten
Wie andere Einzelhändler auch hat Tchibo in dem von der Corona-Pandemie bestimmten guten Geschäftsjahr 2021 die Lager gefüllt – in Erwartung, dass der Verkauf weiter stabil läuft. Doch dann brach die Konsumlaune der Verbraucher ein, und das zur Hamburger Maxingvest Holding gehörende Unternehmen blieb auf hohen Lagerkosten sitzen.
Mit diesem Problem steht Tchibo nicht allein da. Der Hamburger Otto-Konzern verkündete vor zwei Wochen nach erheblichen Verlusten, die Kosten senken zu müssen. Auch Modehändler Zalando leidet unter der allgemein schwachen Kauflaune. Die Aktie hat gegenüber April 30 Prozent ihres Werts eingebüßt.
Experte stellt Verkaufsstrategie von Tchibo infrage
Und dennoch ist die Krise bei Tchibo ein Sonderfall: Lief der Verkauf von Gebrauchswaren in den vergangenen Jahren gut, sodass das Unternehmen damit auch Preisschwankungen am Kaffeemarkt auffangen konnte, ist dieses offensichtlich vorbei.
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„Das Themenwelten-Konzept, mit dem Tchibo ,jede Woche eine neue Welt’ versprach, hat sich abgenutzt. Gelang es anfangs noch, mit eher ungewöhnlichen Produkten Kunden in die Filialen zu locken, funktioniert dieses nicht mehr richtig. Zumal es überwiegend um Produkte geht, die man eigentlich nicht braucht“, glaubt der Wirtschaftsprofessor Jörg Funder, Geschäftsführender Direktor des IIHD, Institut für Internationales Handels- und Distributionsmanagement in Mainz. „Wenn dann auch noch wie derzeit das Konsumklima schlecht ist und eine Kaufzurückhaltung vorherrscht, haben solche Produkte es besonders schwer, ihre Käufer zu finden.“
Neben Waren des alltäglichen Gebrauchs vertreibt Tchibo in Sonderaktionen auch ausgefallene Produkte wie Solaranlagen, Elektrofahrzeuge, ja sogar Häuser und Dienstleistungen wie Reisen und Mobilfunkangebote.
Tchibo streicht Jobs: Schließen deshalb auch Filialen?
Zudem stellt sich die Frage, was aus den mehr als 500 deutschen Tchibo-Filialen wird. Spekulationen über größere Schließungen hat das Unternehmen bisher stets zurückgewiesen. Vielmehr wurden einzelne Filialaufgaben mit Standortanpassungen begründet.
Einzelhandelsexperte Funder zufolge muss das Ladenkonzept aber überdacht werden. „Angesichts der sinkenden Frequenzen in den Innenstädten sind die vielen kleinen Filialen, deren Betrieb sehr teuer ist, wirtschaftlich eher eine Belastung. Mehr Chancen bietet das Shop-in-Shop-Konzept, wie es von Tchibo mit der Anmietung von Verkaufsflächen in Läden, die von sich aus höhere Frequenzen haben, bereits praktiziert wird.“
Der Tchibo-Aufsichtsrat hat inzwischen auf die Probleme reagiert und vor wenigen Tagen für den Non-Food-Bereich einen neuen Geschäftsführer bestellt. Hamid Dastmalchian ersetzt Ulf Brettschneider. Der Manager habe das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen, verkündete Tchibo. Dastmalchian arbeitet schon viele Jahre bei Tchibo. Er war früher im Non-Food-Bereich tätig und verantwortete zuletzt das Geschäft mit Kaffeekapseln.