Hamburg. Hamburger Kaffeeröster verstärkt Engagement bei E-Mobilität. Die neue Art der Fortbewegung auf dem Wasser ist nicht ohne Probleme.
Ein kurzer Druck auf den Gashebel und lautlos entfernt sich das Boot vom Steg. Gemächlich gleitet es auf der Dove-Elbe dahin – und die fünf Passagier machen es sich gemütlich. Die Sonne lacht. Man hört Vogelgezwitscher und das Plätschern der Wellen gegen den Bug. Kein Motorengeräusch. Für die nötige Antriebskraft sorgen zwei Batterien im Rumpf des Bootes. Es fährt mit Strom gegen den Strom.
Gebaut wurde es in einer Bootsmanufaktur nahe des Chiemsees in Bayern. Angeboten wird es aber von einem traditionsreichen Hamburger Unternehmen. Der führende deutsche Kaffeeröster Tchibo nimmt ab Dienstag Elektroboote des bayerischen Herstellers Leines in die bereits umfangreiche Produktpalette seines Onlineshops auf. Kunden mit einem maritimen Faible und dem nötigen Kapital können sich neben der üblichen Kollektion aus Mode, Gartenmöbeln und sonstigen Accessoires für 29.990 Euro nun auch ein Leines 560 Comfort bestellen. Tchibo gewährt seinen Kunden damit einen Preisnachlass, denn laut Listenpreis ist dieses Modell beim Bootsbauer 5400 Euro teurer.
Neues Tchibo-Boot fährt mit zwei Batterien
Das 5,60 Meter lange Boot mit einem so genannten GFK-Rumpf verfügt über Decks in Teakholz-Imitation, eine Edelstahl-Reling, ein klappbares Verdeck, diverse Staufächer – hinzu kommt eine gepolsterte Liegefläche zum Sonnenbaden. Hinter dem Skipper sitzt die Mannschaft auf einer L-förmigen Bank. Für Speisen und Getränke kann mit zwei Handgriffen ein kleines Tischchen montiert werden. Hinten am Boot ist eine kleine klappbare Badeleiter angebracht – alles ordentlich verarbeitet und vom Design her durchdacht.
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Für den notwendigen Antrieb sorgen zwei Akkumulatoren, die eine Leistung von 2,2 Kilowatt garantieren. Einen Wasserski-Fahrer kann man damit nicht hinter sich her ziehen, aber je nach Strömung und Beladung erreichen die Boote immerhin eine Geschwindigkeit von acht bis zwölf Kilometern in der Stunde. Damit sind sie ungefähr so schnell wie ein Jogger, der rund um die Alster unterwegs ist. Bei voller Fahrt hält der Strom allerdings nur für eineinhalb bis zwei Stunden. Bei halber Fahrt sind es sechs und bei langsamer Fahrt acht Stunden. Die Akkus lassen sich an einer normalen Haushaltssteckdose innerhalb von sieben Stunden wieder aufladen.
Neues Tchibo-Boot: Führerschein nicht notwendig
Dieser Fakt ist deshalb wichtig, weil es kaum Yachthäfen und Marinas mit Schnellladepunkten gibt, aber sehr viele Liegeplätze mit einer normalen Niederspannungsleitung mit üblichen 230 Volt ausgestattet sind. Der große Vorteil dieser Bootsklasse ist: Man benötigt keinen Führerschein Man kauft es und kann sofort loslegen. Und weil das Boot mit rund 500 Kilogramm auch vergleichsweise leicht ist, kann man es relativ einfach zu Wasser lassen und wieder herausholen. Für den Transport genügt ein 750-Kilogramm-Anhänger am Auto – und für den benötigt man ebenfalls keine besondere Fahrerlaubnis.
Auch für ungeübte Wassersportler ist das Boot leicht steuerbar. Mit der tief unter dem Rumpf hängenden Schraube reagiert es sofort auf jede Steuerradbewegung. Es kann fast auf der Stelle drehen und wie ein Auto in die Garage leicht rückwärts in den Liegeplatz eingeparkt werden.
Linus Unterberg und Alexander Hoh, die Werftgründer von Leines Boote, haben das Boot erfunden. Wo die beiden herkommen, vom Chiemsee, gibt es eine ganze Reihe von Bootsbauern und auch viele der kleinen Schiffe, aber kaum mehr freie Liegeplätze. „Das war der Antrieb für uns, ein Boot für Tagesausflüge zu entwickeln, dass man schnell zu Wasser lassen und auch wieder herausziehen kann“, sagt Hoh. „Unsere Boote sind wartungsarm und im Unterhalt günstig. Eine Vollkasko-Versicherung kostet nur etwa 220 Euro im Jahr“, ergänzt Unterberg. Zwischen 20 und 30 Boote verkauft die kleine Werft jedes Jahr. Mit Tchibo haben sie jetzt einen Vertriebspartner der besonders großen Kategorie.
Kaffeeröster Tchibo setzt auf E-Mobilität
Der Kaffeeröster will sich nachhaltiger präsentieren und setzt seit geraumer Zeit auf E-Mobilität. Erst waren es Elektrofahrräder. Vor einem Jahr startete das Unternehmen mit einem Abo für Elektroautos von Tesla und Fiat. Nun also fährt man auf Boote ab: „Im vergangenen Jahr haben wir mit Elektroautos nachhaltige Mobilität für die Straße angeboten. Jetzt setzen wir auf umweltfreundliche Mobilität auf dem Wasser“, sagt Robert Pauly von Tchibo. Immerhin sei die Schifffahrt für 13,5 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, die der Verkehr in der EU verursache. „Innovative, umweltfreundliche Ideen brauchen Unterstützung. Wir freuen uns daher, gemeinsam mit den beiden Werftinhabern von Leines Boote zu zeigen, dass nachhaltiger Bootsbau ,made in Germany’ möglich ist.“
Allerdings werden die wenigen bei Tchibo verkauften Boote an den weltweiten Treibhausgas-Emmissionen kaum etwas ändern. Ohnehin ist nicht klar, wie sich der Markt mit Elektrobooten entwickeln wird. Hersteller sprechen zwar von einer wachsenden Nachfrage. Da der Markt aber unreguliert ist und keine Zertifizierungen nötig sind, findet man auch keine offiziellen Statistiken. „Tatsächlich gibt es schon länger E-Boote als Autos“, sagt Claus-Ehlert Meyer, Geschäftsführer des Deutschen Boots- und Schiffbauerverbands (DBSV) mit Sitz in Hamburg. An den oberbayerischen Seen, wie Ammersee, Starnberger See und Chiemsee herrsche nämlich schon seit langem ein Verbot für private Boote mit Verbrennungsmotoren. Auch in Österreich sind in vielen Revieren klassische Verbrenner untersagt. Darum wichen nicht wenige Freizeitbootbesitzer auf Elektroalternativen aus.
„Anders als bei Autos, deren Herstellung strengen Auflagen unterliegt, ist der Markt auf dem Wasser aber unreguliert. Da können sich auch Hobbybootsbauer ihre E-Fahrzeuge aus verschiedenen Komponenten zusammenbasteln“, sagt Meyer. So hat es in der Vergangenheit bereits mehrere spektakuläre Bootsbrände gegeben – und zwar weit mehr als bei Elektroautos, weil die Batterien aufgrund fehlerhafter Elektrik überhitzten. Der große Hamburger Yachtversicherer Pantaenius schaut sich E-Boote ganz genau an, bevor er sie versichert. „Wir hatten eine Zeit lang eine Schadensquote von 500 Prozent. Das heißt wir hatten fünfmal höhere Schadenssummen als eingenommene Versicherungsprämien“, so ein Versicherungsexperte.
E-Boote: Ladepunkte in Häfen im Norden fehlen
In Norddeutschland ist der Anteil an E-Booten im Privatsektor noch gering, da viele zu einem Einsatz in Küstengewässern nicht taugen. „Und für die hochmotorisierten Yachten, die dafür zugelassen sind, fehlt die Ladeinfrastruktur“, sagt DBSV-Experte Meyer. Anders sehe es in den klassischen Yachthäfen im Mittelmeer wie St. Tropez und Monaco aus. Dort würden immer mehr Ladepunkte eingerichtet. Auf dem großen Plöner See sind Motorboote (auch elektrische) derweil tabu. Und auf der Alster ist für die private Schifffahrt ohnehin nur Segeln oder Rudern erlaubt.
Messbar wird der Aufschwung der Branche dennoch bei den Motorenherstellern. Bei Torqeedo im bayerischen Gilching, dem Weltmarktführer bei der Herstellung elektrischer Bootsmotoren, herrscht aktuell Aufbruchstimmung. „Wir sind 2005 am Markt gestartet, konnten bis 2020 schon 100.000 Motoren verkaufen. Heute, nicht einmal zwei Jahre später, liegen wir bereits bei fast 200.000“, sagt Oliver Glück. Marketingchef des Unternehmens.
Nicht nur die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz seien den Kunden wichtig. „Es ist auch die Geräuschlosigkeit, mit der Elektroboote unterwegs sind, die viele Kunden überzeugt“, sagt Glück. Leise surrt das Tchibo-Boot in den Sportboothafen zurück. Wer es am Dienstag bestellt, kann es vier Wochen später abholen. „Wir liefern es auch gerne vor die Haustür“, sagt Bootsbauer Unterberg. Wer möchte, kann sich sogar seinen Wunschnamen auf den Bug pinseln lassen.