Hamburg. Die Modemarke Isociety will auf Inklusion aufmerksam machen. Nun arbeitet das Start-up mit dem Spielzeughersteller Mattel zusammen.

Diesen Tag im Februar werden Sarah und Edda Manteufel nicht so schnell vergessen. Im Mail-Postfach ihres Start-ups Isociety war eine Nachricht des amerikanischen Spielzeugherstellers Mattel eingegangen. „Eine Mitarbeiterin schrieb, dass sie sich mit uns austauschen wolle“, erinnert sich Sarah Manteufel. Kurz darauf saßen Mutter und Tochter mit Mitarbeitern des Konzerns in einer Videokonferenz zusammen. Das Thema: die erste Barbie-Puppe mit Downsyndrom.

„Es ging dann am Schluss auch um eine Kooperation zum Verkaufsstart der Barbie in Deutschland“, sagt Edda Manteufel. „Wir waren total überrascht. So ein Mini-Start-up und einer der größten Spielzeugkonzerne der Welt.“ Aber es passt, dass sich Mattel für eine Zusammenarbeit mit den Hamburgerinnen entschieden hat – als einziges Unternehmen in Deutschland.

Mode aus Hamburg: T-Shirt für Barbie mit Downsyndrom

Mit ihrer Modemarke Isociety wollen die Gründerinnen auf Inklusion aufmerksam machen. Und der US-Konzern will mit der besonderen Barbie-Puppe „die Vielfalt des Lebens widerspiegeln“. Herausgekommen ist ein gemeinsam designtes T-Shirt, das jetzt in einer Limited-Edition für 29 Euro erhältlich. Die Hälfte der Einnahmen wird gespendet.

Jetzt sitzen Sarah und Edda Manteufel in einem Büro im Betahaus im Stadtteil Sternschanze. Lova ist auch mit zum Termin mit dem Abendblatt gekommen. Die Neunjährige wurde mit dem Downsyndrom geboren. „Ohne sie würde es Isociety nicht geben“, sagt ihre große Schwester und lächelt liebevoll. Die 24-Jährige studiert Medienkommunikationsmanagement und hatte die Idee für die Modemarke.

Hamburger Unternehmen Isociety will Thema Inklusion sichtbar machen

„Wir wollen gute Kleidung mit wichtigen Botschaften verbinden“, sagt sie. Das Logo ist ein lächelndes Smiley mit drei Augen – eine Anspielung auf das zusätzliche Chromosom, das Menschen mit Trisomie 21 haben.

Seit Ende 2021 produziert Isociety Mode mit Botschaft. Der Leitspruch lautet: Be cool by beeing kind to everyone. Das heißt übersetzt so viel wie: Sei cool, indem du zu allen freundlich bist. „Damit wollen wir ausdrücken, wie wir uns Inklusion vorstellen“, sagt Mutter Sarah Manteufel. Die 45-Jährige hat als Sozialpädagogin mit einem Master in Bildungswissenschaften selbst lange in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung gearbeitet, bevor Lova und zwei Jahre später ihre dritte Tochter Frida geboren wurden.

Trisomie 21 – Mode gegen Berührungsängste mit Menschen mit Behinderung

In ihrem Projekt will sie zeigen, dass „Menschen wie Lova keine Mängelexemplare sind, sondern eine Variante des menschlichen Seins. Sie gehören in die Mitte der Gesellschaft. Wir wollen Berührungsängste nehmen.“ Deutschlandweit haben etwa 50.000 Menschen Trisomie 21, das sind 0,06 Prozent der Bevölkerung.

Inzwischen haben Mutter und Tochter sieben unterschiedliche Modelle im Sortiment: T-Shirts, Sweater, Hoodies für Kinder und Erwachsene – von XXS bis XXL. „Wir haben mehr Größen als andere, weil wir niemanden ausschließen wollen“, sagt Edda Manteufel. Alle Kleidungsstücke sind Fairtrade zertifiziert und werden in Europa gefertigt.

Barbie: Hersteller bringt Puppe mit Einschränkungen auf den Markt

Erhältlich sind die Isociety-Stücke im Onlineshop. Die Preise liegen zwischen 29 und 79 Euro. Mehrere Hundert Produkte hat das Mutter-Tochter-Duo inzwischen verkauft. „Es spricht sich herum. Viel läuft über die Verbände und Mund-zu-Mund-Propaganda“, sagt Sarah Manteufel, die sich seit vielen Jahren ehrenamtlich unter anderem bei Kids Hamburg für das Thema Inklusion engagiert.

Sie weiß, dass das alles andere als ein Selbstgänger ist. „Deshalb finde ich es gut, dass Mattel das Thema mit der neuen Barbie aufgegriffen hat.“ Der Hersteller der wohl bekanntesten Puppe der Welt hat in den vergangenen Jahren schon mehrere Barbies mit Einschränkungen auf den Markt gebracht. Unter anderem gibt es eine Barbie, die im Rollstuhl sitzt, andere tragen sichtbar eine Beinprothese oder ein Hörgerät.

Die Barbie mit Downsyndrom ist in Zusammenarbeit mit der amerikanischen Downsyndrom-Gesellschaft entwickelt worden. Anders als die typische Barbie, die überschlank, mit langen Beinen und großem Busen ein stereotypes Frauenbild bedient, hat sie einen kräftigeren Körperbau, das Gesicht ist runder mit leicht mandelförmigen Augen. Sie trägt ein Kleid mit blau-gelben Schmetterlingen – den Farben der Bewegung in den USA.

Barbie mit Downsyndrom sorgt auch für Kritik

„Wir wollen, dass sich alle Kinder in Barbie wiederfinden“, sagt Anne Polsak, Sprecherin in der deutschen Unternehmenszentrale in Frankfurt. Seit Ende April ist die Puppe auf dem Markt, kostet 14,99 Euro und verkauft sich offenbar gut.

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, wie etwa von dem Geschwisterpaar Marian und Tabea, die auf ihrem Instagram-Account notjustdown aus ihrem Leben berichten. Marian hat das Downsyndrom. Auf Instagram beschreiben sie die Umsetzung der Downsyndrom-Barbie als „einfach halbherzig“ und kritisieren, dass es für Mattel letzten Endes „eine große Marketingstrategie“ sei. Auch die Manteufels finden, dass man der Barbie das Downsyndrom nicht gleich ansieht. „Aber“, sagt Sarah Manteufel, „Lova spielt sehr gern damit.“

Barbie mit Mode aus Hamburg – T-Shirt für Puppe mit Downsyndrom

Auch das T-Shirt, dss die Isociety-Gründerinnen gemeinsam mit dem Hersteller der Barbie designt haben, kommt bei den Kundinnen an. Der Barbie-Aufdruck, der normalerweise strengen Lizenzbedingungen unterliegt, erhöhe die Sichtbarkeit für das Thema, freuen sich die Hamburgerinnen. Die Hälfte der Edition ist inzwischen verkauft. „Es ist eine große Chance für uns“, sagt Edda Manteufel.

Und die Basis für neue Pläne. Aktuell beschäftigt Isociety aus Hamburg schon einen jungen Mann mit Downsyndrom. „Wenn wir wachsen, können wir mehr Menschen mit Einschränkungen einen Arbeitsplatz bieten“, sagt Sarah Manteufel. Und auch das Sortiment soll sich vergrößern. Die nächste Idee des Mutter-Tochter-Duos: Mode mit individuellen Maßen für Menschen mit Behinderung – und ohne.