Elmshorn. Ein Gespräch zum „Tag der Menschen mit Behinderung“ mit Stephanie Grebe – Weltklassesportlerin und Jobcenter-Mitarbeiterin.

Die Paralympics sind längst vorbei, man könnte also meinen, Stephanie Grebe lässt es in diesen Tagen etwas ruhiger angehen. Doch die 34 Jahre alte Ausnahmetischtennisspielerin hatte diese Woche Stress. Telefonisch war sie jedenfalls nur ganz schwer zu erreichen. Sie hat eben eine 39-Stunden-Arbeitswoche – wie alle anderen auch. Da spielt es erst mal keine Rolle, dass heute der Tag der Menschen mit Behinderung ist.

Irgendwann klappt es dann doch. Im Jobcenter Elmshorn, wo sie als Vermittlerin arbeitet, berichtet sie von den diesjährigen Paralympics in Tokio, die sie mit einer Bronzemedaille beendete. 2016 hatte sie bereits Silber in Rio geholt. Ihre Leidenschaft ist das Tischtennis. Und dass sie etwas anders geboren wurde als andere, ist für sie kein Thema – weder beim Sport noch im Beruf. Der gebürtigen Berlinerin fehlen zwar beide Hände und der rechte Unterschenkel. Aber sie lebt ganz normal in einer Wohnung in Uetersen. Dort besuchte sie auch das Ludwig-Meyn-Gymnasium, an dem sie Schülermentorin war und das Abitur ablegte. Heute arbeitet sie als persönliche Ansprechpartnerin im Jobcenter des Kreises Pinneberg.

Frau Grebe, wie sind Sie zum Jobcenter gekommen?

Stephanie Grebe Auf die Ausbildung bei der Agentur für Arbeit hat mich meine Berufsberaterin aufmerksam gemacht. Ich habe mich beworben und es hat geklappt. Als persönliche Ansprechpartnerin im Jobcenter betreue ich jetzt ganz unterschiedliche Menschen mit den verschiedensten Lebenswegen. Das ist sehr abwechslungsreich und spannend!

Was machen Sie konkret?

Ich versuche, Menschen wieder in Arbeit zu bringen, ihnen einen Job zu vermitteln.

Und wie reagieren Ihre Kunden, wenn Sie persönlich mit ihnen reden?

Einige gucken erst irritiert. Aber das ist die große Ausnahme. Für die meisten spielt es keine Rolle, es geht ja um die Sache.

Ist ihr Arbeitsplatz speziell für Sie zugeschnitten worden?

Nein, ich habe einen höhenverstellbaren Tisch, weil ich auch etwas kleiner bin, aber der Rest ist wie in jedem anderen Büro auch, inklusive Computer.

Wie sind Sie eigentlich zum Tischtennis gekommen?

Das war eigentlich Zufall. Mich interessierte Fußball und Karate, aber das ging mit meinem Handicap leider nicht so gut. Im Urlaub hatte ich Tischtennis gespielt und wurde angesprochen, ob ich das mal im Verein ausprobieren will. Und da bin ich beigeblieben.

Mit Erfolg: Seit 2011 nehmen Sie an Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Paralympics teil. Was war für Sie Ihr wichtigster Erfolg?

Meine beiden Medaillengewinne bei den Paralympics stehen da ganz oben. Gerne denke ich auch an den überraschenden 1. Platz im Team bei der Europameisterschaft 2017 zurück. Das war ein besonders tolles Teamgefühl!

Die Paralympics in Tokio fanden in diesem Jahr unter besonderen Umständen statt. Wie haben Sie die Spiele erlebt?

Tokio unter Corona-Bedingungen war schon anders. Wir konnten uns leider nicht die Stadt ansehen, außer auf den direkten Pendelfahrten zwischen Unterkunft und Sportstätte. Die Japaner waren jedoch sehr gastfreundlich und bemüht, uns das Leben vor Ort so unkompliziert wie möglich zu machen.

Wie lässt sich der Leistungssport mit Ihrem Job verbinden?

Das geht dank meines Arbeitgebers sehr gut. Für die Zeit der Turniere war ich von meiner Tätigkeit freigestellt. Für die Vorbereitungszeit durfte ich meine Arbeitszeit reduzieren.

Und wie sieht das Verhältnis jetzt, nach so einem Großereignis, aus?

Ich arbeit wieder Vollzeit, das heißt 39 Stunden in der Woche. Zum Training komme ich momentan viermal pro Woche. Vor den nächsten großen Herausforderungen werden es sicher wieder sechs Trainingseinheit pro Woche. Über die Paralympics in Paris im Jahr 2024 habe ich mit meinem Arbeitgeber aber noch nicht gesprochen.

Welche Tugenden nehmen Sie aus dem Sport mit in Ihre Arbeit?

Selbstbewusstsein, Durchsetzungswille und Disziplin sind Eigenschaften, die ich in meinem Sport besonders benötige. Die richtige Portion davon hilft uns auch, unser Berufsleben und unseren Alltag erfolgreicher zu gestalten. Dies versuche ich übrigens auch meinen Kunden zu vermitteln.

Die Paralympics erleben medial immer größere Aufmerksamkeit. Werden Sie von Ihren Kunden im Jobcenter inzwischen erkannt?

Viele Menschen erkennen mich, aber direkt angesprochen werde ich seltener. Persönlich trenne ich Sport und Privatleben strikt von meinem Beruf. Dennoch freue ich mich, wenn ich über meinen Sport in interessante Gespräche komme.

Reicht denn ein Tag im Jahr, um auf Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen?

Schöner wäre natürlich, wenn dem Thema dauerhaft mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden würde. Wenn schon Kinder im täglichen Umgang lernen, dass es völlig normal ist, dass Menschen anders aussehen oder andere Fähigkeiten haben, wird es später zum Alltag.

Was nervt Sie am meisten, wenn es um Menschen mit Handycap geht?

Das sind die Vorurteile. Dass einem Menschen mit Behinderung per se weniger zugetraut wird, ist ein großes Hindernis. Und ganz persönlich finde ich Anstarren eher unangenehm. Dass ich auffalle, ist klar. Und dass man hinguckt, ist auch in Ordnung, aber dabei sollte man es dann auch belassen.

Wie könnte gesellschaftlich mehr für die Akzeptanz von Menschen mit Behinderung getan werden?

In dem Inklusion gelebt wird – bei der Arbeit, beim Sport, in der Kita, in der Gesellschaft. Klar muss auch dort auf individuellen Handicaps Rücksicht genommen werden. Aber wenn es im Zusammenleben keine große Rolle mehr spielt, ob jemand anders ist, würden viele selbstverständlicher mit dem Thema umgehen.

Was machen Sie eigentlich in Ihrer Freizeit, wenn Sie nicht Tischtennis spielen?

Arbeit und Sport nehmen schon einen Großteil meines Tages ein. Die übrige Zeit verbringe ich am liebsten mit meiner Familie und mit Freunden. Da bin ich ganz bodenständig geblieben.

Welche sportlichen Ziele haben Sie sich noch gesteckt?

Mit Silber und Bronze hat es schon geklappt. Aber eine Goldmedaille bei den Paralympics, ja, das wäre ein ganz besonderer Traum!