Hamburg. Wirtschaftssenatorin Leonhard lässt andere Varianten prüfen und wechselt die Planer aus. Nun kümmern sich alte Bekannte ums Projekt.
- Die Pläne für die Köhlbrandquerung werden noch mal umgeworfen. Aktuell prüfe der Senat auch andere Varianten, etwa eine neue Brücke.
- Zugleich wurde der Hafenbehörde das Planungsrecht entzogen
Die Planungen für den Ersatzbau der Köhlbrandbrücke beginnen von Neuem. Eigentlich war der Bau eines Tunnels zur Verbindung von östlichem und westlichen Hafenteil beschlossene Sache. Er sollte die Köhlbrandbrücke 2036 ersetzen, deren Lebensdauer abläuft. Seit mehr als drei Jahren wird geplant. Doch nun ist wieder offen, ob der Ersatzbau ein Tunnel oder eine Brücke wird.
Nach Informationen des Abendblatts lässt Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) auch wieder alternative Bauwerke zum Bohrtunnel prüfen. Ein Sprecher der Wirtschaftsbehörde sagte dem Abendblatt auf Anfrage: „Der Ersatzneubau für die Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen ist ein Jahrhundertprojekt. Aufgrund der damit verbundenen hohen Investitionssumme und den komplexen baulichen Anforderungen findet weiterhin eine intensive Befassung mit den Ergebnissen der Vorplanungen und den weiteren Umsetzungsschritten statt. Insbesondere gilt es, die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Umsetzungsvarianten der Querung abzuwägen.“
Ersatz im Hafen: Bekommt Hamburg doch eine neue Köhlbrandbrücke?
Dabei hatte man die Prüfung unterschiedlicher Umsetzungsvarianten bereits vor zwei Jahren aufgegeben. So steht im Haushaltsplan 2021/2022 des Senats, genauer gesagt im für die Wirtschaftsbehörde erstellten Einzelplan 7, dass die Planung einer neuen Brücke als Ersatz für die marode Köhlbrandbrücke nicht infrage kommt. Wörtlich heißt es da: „Die Hamburg Port Authority (HPA) hat mit der Vorplanung des Ersatzbauwerks in Form eines Bohrtunnels begonnen, der gegenüber einer Brücke mehrere technische Vorteile bietet.
So hat ein Bohrtunnel eine längere rechnerische Lebensdauer, ermöglicht eine vorteilhaftere Trassierung und gewährt völlige Schiffshöhenfreiheit. Zudem ist der Verkehr weniger der Witterung, insbesondere starken Winden, ausgesetzt und muss einen geringeren Höhenunterschied überwinden als bei einer Brücke. Auch bietet der Bohrtunnel die Möglichkeit den Hohlraum unter der Fahrbahn zu nutzen. Die für Bundesfernstraßen zuständige Abteilung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur ist daher der Einschätzung, dass der Bohrtunnel die Vorzugsvariante sei, grundsätzlich gefolgt. Die Variante einer Brücke wird nicht weiter verfolgt.“
Doch nun ist alles wieder offen. Zumal sich die Tunnelvariante im Bau inzwischen als sehr kompliziert und kostspielig herausgestellt hat. Neben dem Bohrtunnel selbst sind für die Zufahrten zwei weitere Tunnel geplant, dazu vier offene Trogbauwerke und zehn Brücken. Wie das Abendblatt exklusiv berichtete, gehen die Planer inzwischen von Kosten um die fünf Milliarden Euro aus, nicht zuletzt weil sich der Untergrund als schwammig herausgestellt hat. Die Bauzeit verlängert sich von sieben auf neun Jahre. Eine neue Brücke, würde wohl die Hälfte kosten.
Wirtschaftssenatorin vergibt Projekt neu an Realisierungsgesellschaft ReGe
Deshalb lässt Wirtschaftssenatorin Leonhard noch einmal alles prüfen. Und da die Hafenbehörde HPA für den Tunnel steht, hat sie ihr auch gleich die Planung entzogen. „Um das Bauprogramm bestmöglich umsetzen zu können und klare Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen sicherzustellen, soll die Realisierungsträgerfunktion künftig in eine eigenständige Gesellschaft innerhalb der Freien und Hansestadt Hamburg überführt werden“, sagte ein Behördensprecher.
Nach Informationen des Abendblatts handelt es sich um die ReGe Projekt-Realisierungsgesellschaft, die einst die Erweiterung des Airbus-Werks plante, dazu die Ortsumgehung Finkenwerder, später den Bau der Elbphilharmonie. Sie ist Anfang März von Leonhard engagiert worden, um sich auch um die Köhlbrandquerung zu kümmern.
Die genaue Ausgestaltung der Bedarfsträger- und Realisierungsträgerorganisation werde derzeit von den fachlich zuständigen Behörden und der Hamburg Port Authority erarbeitet“, so der Behördensprecher. Im Klartext: Die HPA hat bei ihrem ureigensten Projekt nur noch Aufsichtsfunktion. Die operative Planung liegt bei der ReGe.
Opposition kritisiert Zeitverzug
Das findet in der politischen Opposition nicht nur Ablehnung, während die bisherige Gesamtplanung durch den Senat heftig kritisiert wird. Der Bürgerschaft seien die Varianten Tunnel oder Brücke nie vorgelegt worden. „Das ist angesichts der Entscheidung über eine Milliardeninvestition ungeheuerlich“, sagte Norbert Hackbusch, Haushaltsexperte der Linksfraktion. „Die Verzögerungen, aber auch die geheimen Untersuchungen und Entscheidungen in der HPA zeigen einen Dilettantismus der Wirtschaftsbehörde. Transparenz verursacht keine Kostensteigerungen, sondern kann sie verhindern.“
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Der Fachsprecher für Häfen in der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, sagte: „Die Köhlbrandquerung erinnert mich an Kafkas ‚Das Schloss‘: Je länger der Senat plant, desto ferner erscheint das Ziel. Während Rot-Grün regelmäßig den Eindruck erweckt, die Querung stehe kurz vor der Realisierung, wird jetzt wieder grundsätzlich diskutiert.“ Die Hafenwirtschaft frage sich, was in den letzten fünf Jahren eigentlich geschehen sei. „Wenn eine Brücke die bessere Option ist, dann sollte Rot-Grün das jetzt erklären. Es ist vor diesem Hintergrund offenbar schon ein Fortschritt, dass der Senat sich nach zwei Jahren Diskussion endlich für eine Struktur der Projektdurchführung entschieden hat.“
Entscheidung im Hafen: Köhlbrandquerung wieder offen
Der hafenpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Götz Wiese, sieht den Hamburger Hafen unter der politischen Führung des Senats auf dem Weg in die Zweitklassigkeit. „Schon der Entwurf des Hafenentwicklungsplans war misslungen, da ist es nur folgerichtig, dass auch die Planung der Köhlbrandquerung nicht klappt“, sagt er. „Jetzt wird die HPA ausgebootet, der Tunnel wieder infrage gestellt und die Planung neu aufgesetzt – alles verzögert sich noch weiter, und die Planungskosten steigen.“
Hafenwirtschaft und internationale Logistik bekämen mehr und mehr Zweifel, ob der Hamburger Hafen eine Zukunft hat, wenn die Hafenpolitik des Senats so saft- und kraft- und planlos sei. „Es ist höchste Zeit, einen neuen Kurs zu setzen.“
Die Hafenwirtschaft selbst verzichtet auf Senatsschelte. Der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz, sagte lediglich: „Es ist viel Zeit vertrödelt worden.“ Der Hamburger Hafen brauche jederzeit und ohne Unterbrechung eine funktionsfähige Köhlbrandquerung. „Wenn es stimmt, dass die jetzige Köhlbrandbrücke 2036 abgängig ist, dann muss bis dahin ein Ersatz fertig sein.“
Die ReGe ist nun am Zug.