Hamburg. Noch bevor das Wahrzeichen im Hafen komplett aus dem Stadtbild verschwunden ist, soll der neue Tunnel unter dem Köhlbrand offen sein.
Die Tage eines der Hamburger Wahrzeichen sind gezählt: Die von vielen Hamburgern und Besuchern lieb gewonnene Köhlbrandbrücke wird in der zweiten Jahreshälfte 2036 nicht mehr stehen. Die Planungen zu ihrem Rückbau haben nun begonnen, wie aus den Unterlagen zum aktuellen Markterkundungsverfahren für den Bau des neuen Köhlbrandtunnels hervorgeht, der die alte Brücke ersetzen soll.
Die inzwischen detaillierteren Pläne für das Milliardenprojekt liegen dem Abendblatt vor. Sie stammen von der Hamburg Port Authority (HPA), in deren Zuständigkeitsbereich das Bauwerk fällt. Die Hafenbehörde will mittels der Markterkundung ausloten, welche Planungsbüros und Baufirmen Interesse an einer Durchführung des Projektes im Hafen haben und wie die Auftragsvergabe laufen kann. Dass es sich um ein kompliziertes Vorhaben handelt, daran dürfte kein Zweifel bestehen.
Hamburg Hafen: Köhlbrandtunnel ersetzt Köhlbrandbrücke
Denn neben dem eigentlichen Bohrtunnel, der unter dem Köhlbrand hindurchführen soll, wird der Verlauf der gesamten Hafenhauptroute zwischen dem Anschluss an die Autobahn 7 im Westen und dem Roßdamm im östlichen Hafen neu geplant. Auf der 4,5 Kilometer langen Strecke, die künftig nördlich der bisherigen Hauptstraße verlaufen soll, sind auch zwei Tunnel in offener Bauweise, zwei Tröge an den Zufahrtsrampen und mehrere Brückenbauwerke geplant.
Denn die künftige Hafenhauptroute muss diverse Gewässer, Verkehrsanlagen, Bestandsbauwerke, Entwicklungsflächen und sonstige bauliche Anlagen queren, wie es in den Plänen heißt. Da die „Ausfädelung“ der neuen Rampe auf der Ostseite aus dem Roßdamm eher erfolgt, wird auch die Verfüllung der hinteren Enden der Hafenbecken am Trave- und Roßhafen notwendig. Insgesamt sollen mehr als drei Millionen Kubikmeter Boden bewegt werden – etwas weniger als bei der Elbvertiefung.
Köhlbrandbrücke ist zu niedrig für Großcontainerschiffe
Für 2034 ist die Inbetriebnahme des Köhlbrandtunnels geplant. Bis dahin muss die HPA sehen, wie sie die alte Brücke instand hält, deren wirtschaftliche und technische Lebensdauer eigentlich nur bis 2030 prognostiziert ist. Der Ersatzbau wird wegen der geringen Haltbarkeit der 1974 eingeweihten Köhlbrandbrücke notwendig. Dass sich Hamburg dabei für einen Tunnel statt für eine neue Brücke entschieden hat, hat verschiedene Gründe.
- Nadelöhr im Hafen: Wichtige Schleuse wird erst 2023 ersetzt
- Wo jedermann einen Ozeanriesen lenken kann
- Autonom fahrender Heat-Bus: Wie geht es jetzt weiter?
Zum einen ist das bisherige Brückenbauwerk mit einer Höhe von 53 Metern schlichtweg zu niedrig, sodass die Großcontainerschiffe der neuesten Generation darunter nicht mehr hindurch passen. Der hinter der Brücke liegende Containerumschlaghafen Altenwerder, das modernste und klimafreundlichste Terminal in Hamburg, ist folglich für viele Schiffe nicht mehr erreichbar. Eine neue Brücke müsste mindestens 20 Meter höher sein, wobei allerdings die Rampen für schwere Lastwagen zu steil würden. Der Bau neuer Tragestützen im Köhlbrand könnte zudem den Hafenverkehr auf Jahre einschränken.
Neue Brücke müsste nach 75 Jahren ersetzt werden
Schließlich wird von den Behörden die Haltbarkeit ins Feld geführt, die für einen Tunnel als Ersatz spricht: Obwohl diese Lösung wohl rund 700 Millionen Euro teurer als eine Brücke wird, ist die Lebensdauer des Tunnels fast doppelt so lang wie die einer neuen Köhlbrandbrücke, die spätestens nach 75 Jahren ersetzt werden müsste. Zudem versprechen sich die Planer von dem Tunnel größere Kapazitätsreserven bei einem Wachstum der Transportmengen als von einer Brücke, die man nicht einfach um eine Fahrspur erweitern könnte.
Der neue Bohrtunnel soll zwei Röhren mit einen Außendurchmesser von 15,50 Metern haben. Die Fahrbahnbreite soll je Richtung 10,50 Meter betragen – zuzüglich eines beidseitigen Randstreifens von einem Meter. Die Fahrbahnhöhe wird mit 4,50 Meter angegeben. Der Raum unter der Fahrbahnplatte soll als Radweg oder für Containertransporte genutzt werden. Dem Senat schwebt die Einrichtung eines innovativen, automatischen Schienentransportsystems vor, ohne dass hierzu bereits konkrete Beschlüsse gefasst wurden.
Köhlbrandtunnel: Milliardenschweres Bauvorhaben
Ein Nachteil wäre, dass der Bau eines weiteren Schienensystems im Hafen viel Platz verschlingen würde. Die zusätzlichen Kosten wären zudem beträchtlich. Die HPA hatte deshalb zuletzt das System einer selbstfahrenden Lkw-Zugmaschine favorisiert, an die einfach nur Trailer mit Containern angehängt würden. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass der untere Tunneldurchschnitt gar nicht genutzt, sondern verfüllt wird. Eine HPA-Sprecherin sagte dazu dem Abendblatt: „Eine Entscheidung zur Nutzung der unteren Tunnelebene ist noch nicht gefallen.“
Der Bohrtunnel wird 1750 Meter lang. Die übrigen Tunnel und Tröge der Zufahrten haben eine Gesamtlänge von 1150 Metern. Hinzu kommen eine 870 Meter lange Brücke über Wasser und drei bis zu 600 Meter lange Brücken an Land für die Rampen. Ein so großes Vorhaben schlägt sich auch in den Kosten nieder: Der neue Köhlbrandtunnel dürfte inklusive Nebenkosten und Preissteigerungen drei Milliarden Euro verschlingen, hatte die HPA dem Wirtschaftsausschuss der Bürgerschaft im August mitgeteilt.
Da Hamburg diese Summe alleine kaum stemmen kann, hat die alte Bundesregierung zugesagt, sich an den Kosten beteiligen zu wollen. Wie hoch der Zuschuss am Ende aber ausfallen könnte, ließ sie offen. Ungewiss ist auch, ob sich die neue Bundesregierung an diese Zusage halten wird.
Sieben Jahre Bauzeit für den Köhlbrandtunnel
Damit sich der Bund an dem Projekt überhaupt beteiligen kann, wurde die Hafenhauptroute mit der alten Köhlbrandbrücke von einer Landes- zu einer Bundesstraße hochgestuft. Im Ergebnis wird seit Februar des laufenden Jahres bei der Fahrt über die Köhlbrandbrücke eine Lkw-Maut erhoben.
Das weitere Prozedere sieht vor, dass die Feinplanung bis 2024 steht. Das Planfeststellungsverfahren soll bis 2026 abgeschlossen sein, sodass dann mit dem Bau begonnen werden kann. Die Bauzeit beträgt sieben Jahre. 2034 soll der Tunnel in Betrieb gehen, damit man danach ohne Zeitverlust mit dem Rückbau der Köhlbrandbrücke starten kann. Das markante Bauwerk dürfte dann in der zweiten Jahreshälfte 2036 aus dem Stadtbild verschwunden sein.