Hamburg. Die Opposition prangert nach dem deutlichen Minus im Vergleich zum Vorjahr eine “verfehlte Hafenpolitik“ an.

Der Hamburger Hafen hat im vergangenen Jahr deutlich weniger Seegüter umgeschlagen als im Jahr zuvor. Insgesamt gingen 119,9 Millionen Tonnen über die Kaikanten. Das sind 6,8 Prozent weniger als im ebenfalls schon schwachen Jahr 2021.

Wie die Marketingorganisation des Hamburger Hafens am Montag mitteilte, wurden 8,3 Millionen Standardcontainter (TEU) umgeschlagen. Das entspricht einem Minus von 5,1 Prozent. Von der magischen Schwelle von neun Millionen TEU ist der Hamburger Hafen damit weiter entfernt denn je. Nur 2009 hatte der Seegüterumschlag im Hafen infolge der damaligen Wirtschafts- und Schifffahrtskrise die Menge von 120 Millionen Tonnen unterschritten.

Konnte HHM-Vorstand Axel Mattern noch für 2021 ein minimales Wachstum von 1,9 Prozent verkünden, begannen seine Ausführungen am Montagmorgen mit anderen Worten: „Das Jahr 2022 ist für den Hamburger Hafen besonders herausfordernd gewesen.“ Die Zahlen, die er dann vorlegte, waren die schlechtesten seit dreizehn Jahren.

Hamburger Hafen: So ging der Umschlag zurück

Im Einzelnen stellte Mattern folgende Zahlen vor: 2022 wurden 8,3 Millionen Standardcontainer (TEU) umgeschlagen. Das entspricht einem Minus von 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Von der magischen Schwelle von neun Millionen TEU ist der Hamburger Hafen damit weit entfernt.

Der Stückgutumschlag nahm um 5,8 Prozent auf 83,7 Millionen Tonnen ab, der Massengutumschlag um 8,9 Prozent auf 36,2 Millionen Tonnen. Der Umschlag von Sauggut fiel um sechs Prozent auf sechs Millionen Tonnen, Greifergut um 6,3 Prozent auf 20,2 Millionen Tonnen. Schließlich verzeichnete auch die Flüssigladung mit zehn Millionen Tonnen ein Minus von 15,2 Prozent.

Geringerer Seegüterumschlag in Hamburg – die Gründe

Die Gründe für diese negative Entwicklung sind laut Mattern alle nachvollziehbar. Er zählte auf: der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen, die Pandemie, Arbeitskämpfe im Hafen und die hohe Inflation. „Jedes Problem für sich ist für einen Hafen schon herausfordernd. Bei uns kamen sie aber alle zusammen.“

Tatsächlich lassen sich die Rückgänge der Umschlagarten im Einzelnen recht gut begründen. So ging allein der Containerumschlag im vierten Quartal 2022 um 12,4 Prozent zurück. Dieses Quartal ist im Hafenumschlag in der Regel besonders stark, weil der Handel im Hinblick auf das Weihnachtsfest viele Waren bestellt. Doch die gestiegenen Energiepreise führten zu einer Konsumentenzurückhaltung, und die Lagerbestände waren ohnehin noch hoch. Die Folge: Der Ansturm zum Jahresende blieb aus.

Experten vermuten eine Verschiebung der Handelsströme

Beim Massengut war der Rückgang den verschärften Sanktionen gegenüber Russland geschuldet, der Rückgang der Flüssigladung dem Schließen einer Raffinerie. Der Handel des Hamburger Hafens mit Russland ging aufgrund des Embargos um 76,7 Prozent zurück. Dagegen intensivierte sich der Warenverkehr mit Polen um 24,2 und mit Finnland um 22,3 Prozent.

Einige Experten vermuten eine Verschiebung der Handelsströme. Nachdem der direkte Warenverkehr von Hamburg nach Russland eingestellt worden ist, versuchen offenbar eine Reihe von Händlern das Embargo zu umgehen, indem sie ihre Güter zunächst einmal ins Baltikum verschiffen, um sie von dort aus auf inoffiziellen Wegen über die Grenze zu bringen. Dafür würde sprechen, dass beispielsweise der Hafen von Klaipeda in Litauen derzeit starke Zuwächse verzeichnet. Mattern kann das nicht bestätigen. „Die Vermutung liegt nahe“, sagt er dazu. „Es gibt aber nicht einen einzigen Beweis.“

Auch andere Häfen haben Probleme

Einziger Lichtblick: Mit vielen dieser Probleme kämpft der Hamburger Hafen nicht allein. Russland-Sanktionen, Pandemie und Inflation sind Rahmenbedingungen, die alle europäischen Häfen treffen. Deshalb haben auch die Wettbewerber im vergangenen Jahr Umschlagrückgänge verzeichnet.

Rotterdams Zahlen liegen noch nicht endgültig vor. HMM geht aber beim Containerumschlag von einem Minus von 3,1 Prozent aus. Antwerpen zählte 5,2 Prozent weniger Stahlboxen. In Bremerhaven betrugen die Rückgänge sogar 8,9 Prozent, Wilhelmshaven verzeichnete ein Minus von 2,7 Prozent. „Der Marktanteil des Hamburger Hafens ist damit stabil geblieben“, bekräftigte Mattern.

Lage auf Weltmärkten macht Voraussage für 2023 schwierig

Für das laufende Jahr wagt er indes keine Prognose. „Da benötigt man viele Glaskugeln.“ Eine weiterhin unsichere Lage auf den Weltmärkten mache es schwierig, eine Voraussage für das Jahr 2023 zu treffen. „Wir hoffen, dass sich die globale Wirtschaft wieder fängt. Das wird auch den Umschlag des Hamburger Hafens unterstützen und steigern.“

CDU und FDP sehen weniger in den Rahmenbedingungen als vielmehr in der Senatspolitik das Problem des Hafens. „Den Frachtrückgang allein auf den Krieg und die Weltpolitik zu schieben ist zu einfach. Viele Probleme sind hausgemacht“, sagte der Hafenexperte der CDU-Fraktion, Götz Wiese. Mit einem starken Hafenentwicklungsplan könne man Defizite im Hafen aufarbeiten und die Trendwende einleiten. „Aber dem Senat fehlt ein gemeinsames Konzept für den Hafen.“

Der Hafenexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, ergänzte „Die Hauptursache für den starken Umschlagrückgang im Hafen ist eine verfehlte Hafenpolitik des Senats. Seit Jahren wird der Hafen vernachlässigt, die Gebühren sind kaum mehr wettbewerbsfähig, das Schlickproblem ist nicht gelöst und eine verbindliche Zukunftsstrategie fehlt. Auch die geplante China-Beteiligung am Tollerort-Terminal hat bisher nur zu mehr Verunsicherung als zu gesteigerten Umschlagmengen geführt.“ Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) müsse den Hafen zur Chefsache machen. Kruse: „Er darf es nicht weiter zulassen, dass die Grünen jedes noch so kleine Hafenprojekt behindern.“