Hamburg. Lange mussten sie zittern, jetzt ist die Entscheidung da: 180 Kaufhof-Beschäftigte in Hamburg verlieren ihren Job.

Vier Monate haben die Beschäftigten des Galeria-Hauses in Harburg gebangt und gezittert, jetzt ist die Entscheidung da: Nach Informationen des Abendblatts steht die ehemalige Karstadt-Filiale am Schloßmühlendamm vor dem Aus. Die Eingangstür war am Montagmittag zu.

Draußen klebte ein Zettel, der über eine Mitarbeiterversammlung am Nachmittag informierte. Für das Geschäftszentrum in Harburg ist die Schließung ein schwerer Schlag. Schon am 30. Juni ist Schluss.

Galeria: Karstadt-Filiale in Harburg muss schließen

Frank Richter, SPD-Fraktionsvorsitzender Bezirksversammlung Harburg und Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, klagt: „Das ist ein trauriger Tag für Harburg, nachdem Karstadt so lange an diesem Standort gewesen ist. Ich hoffe, dass für die Beschäftigten eine tragbare Lösung gefunden wird. Für die Stadtentwicklung ist es eine Herausforderung", sagte Richter, der überrascht von der Entscheidung war und gerade einkaufen gehen wollte.

Frank Richter
Frank Richter, SPD-Fraktionsvorsitzender Bezirksversammlung Harburg und Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, ist enttäuscht von der Entscheidung von Galeria. © Andre Lenthe

Auch Wandsbek ist erneut von der wirtschaftlichen Schieflage des Konzerns betroffen. Das Haus sollte eigentlich schon 2020 geschlossen werden. Nach einer Einigung mit dem Vermieter wurde es zunächst gerettet und sollte bis April 2024 geöffnet bleiben. Die Planungen für die Nachnutzung laufen. Jetzt die überraschende Kehrtwende. Das Warenhaus schließt jedenfalls zum 30. Juni.

Aufatmen dagegen in Eimsbüttel. Der Standort steht nach Abendblatt-Informationen nicht auf der Schließliste. Auch die gerade neu eröffnete Filiale im Alstertal Einkaufszentrum bleibt bestehen. Das Gleiche gilt für das Hamburger Haupthaus an der Mönckebergstraße.

Dort waren durch die Schließung des sogenannten Thalia-Hauses die Verkaufsflächen allerdings erheblich reduziert worden. Nach Abendblatt-Informationen sollten die Betriebsräte gegen Mittag informiert werden. Danach waren Mitarbeiterversammlungen an den Standorten geplant.

Ver.di will um Galeria-Arbeitsplätze in Hamburg kämpfen

„Wir werden um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen“, kündigte Heike Lattekamp, die stellvertretende Ver.di-Landesleiterin und Fachbereichsleiterin Handel an. „Diese erneute Schließungswelle ist schlussendlich das Ergebnis einer Konzernspitze, die plan- und phantasielos agiert."

Galeria habe viele Millionen Euro Staatshilfen bekommen, und die Beschäftigten verzichten seit mehr als zehn Jahren immer wieder auf große Teile ihres Gehalts, um ihren Beitrag zum Erhalt der Arbeitsplätze zu leisten.

"Bloß der Eigentümer, der Milliardär René Benko, und sein Management kriegen es nicht auf die Kette, endlich ein tragfähiges Zukunftskonzept zu entwickeln. Die Fehler sind hausgemacht, schlussendlich sollen wieder die Beschäftigten mit ihren sowieso schon stark gekürzten Gehältern die Zeche zahlen. Das geht so nicht.“

Galeria in Hamburg: Aufsichtsrat hat getagt

Die Beschäftigten der Galeria-Kaufhäuser in Hamburg waren mit besonderer Anspannung in diese Woche gestartet. Knapp vier Monate, nachdem der Warenhaus-Konzern erneut Insolvenz beantragt hatte und unter einen Schutzschirm geflüchtet war, hatte am Vormittag der Aufsichtsrat getagt.

Erwartet wurden weitere Details zur Sanierung und eine Entscheidung, welche Häuser geschlossen werden sollen. Nach Angaben des Gesamtbetriebsrats sollen fast die Hälfte der Standorte aufgegben werden: 52 der aktuell noch 129 Galeria-Häuser.

Galeria steht seit Jahren unter wirtschaftlichem Druck

Die Warenhauskette Galeria, ein Zusammenschluss der Traditionsunternehmen Karstadt und Kaufhof, steht seit Jahren wirtschaftlich unter Druck. Bereits im Sommer 2020 hatte das Unternehmen, das zum Immobilienkonzern des österreichischen Unternehmers René Benko gehört im Zuge der Corona-Pandemie ein Schutzschirmverfahren beantragt.

Damals waren 40 Standorte aufgegeben worden, 4000 Arbeitsplätze wurden abgebaut. In Hamburg waren Kaufhof an der Mönckebergstraße und Karstadt in Bergedorf betroffen, außerdem das Karstadt Sports Haus ebenfalls an Mönckebergstraße.

Karstadt in Eimsbüttel hatte Sorgen bereitet

Als sicher für die Hamburger Standorte galt bislang nur, dass das Haupthaus an der Mönckebergstraße erhalten wird. Beobachter hatten mit großer Sorge auf Galeria in Eimsbüttel geschaut. Das frühere Karstadt-Haus war Anfang 2022 an einen Konsortium unter Führung des Hamburger Immobilienunternehmens Otto Wulff verkauft worden.

Das Gebäude ist stark in die Jahre gekommen. Eine Sanierung hatten bislang weder die Eigentümer noch Ankermieter Galeria angestoßen. Entsprechend groß ist jetzt die Erleichterung bei den 60 Beschäftigten: "Uns ist ein Riesenstein vom Herz gefallen", sagte die Betriebsratsvorsitzende Anke Ackermann dem Abendblatt.

Das Aus für die Filiale in Harburg war auch vor zwei Jahren schon in der Diskussion gewesen. Damals war der Standort gerettet worden. Jetzt verlieren 80 Männer und Frauen ihren Arbeitsplatz.

Galeria hatte 680 Millionen Euro vom Bund bekommen

Um wieder auf die Beine zu kommen, waren im Rahmen des Insolvenzverfahrens 2020 etwa 40 Standorte geschlossen und zwei Milliarden Euro gestrichen worden. Der Bund hatte das Unternehmen zudem mit einer Finanzspritze in Höhe von 680 Millionen Euro unterstützt. Aber die Hoffnungen auf bessere Zeiten erfüllten sich nicht. Konsumflaute, Inflation und gestiegene Energiekosten belasten den Konzern so stark, dass eine harte Sanierung notwendig sei, hatte Galeria-Chef Miguel Müllenbach erklärt.

Seitdem hatte das Management mit Vermietern, Lieferanten, Interessenten für einzelne Übernahmen verhandelt. Der Sanierungsplan sieht jetzt vor, dass mehr als ein Drittel der zuletzt 129 Filialen aufgegeben werden. Im Norden sind auch Lübeck, Celle und Bremen betroffen.

Die Schließungen, die in zwei Wellen zum 30. Juni 2023 und zum 31. Januar 2024 erfolgen sollen, kosten erneut 4000 Beschäftigten in den Filialen den Job. In der Essener Zentrale sowie in Servicebereichen fallen weitere 300 Stellen weg. Nach Angaben des Gesamtbetriebsrats sind sogar mehr als 5000 Männer und Frauen betroffen.

77 Kaufhäuser werden fortgeführt. Sie sollen künftig stärker auf die Bereiche Bekleidung, Kosmetik und Einrichtung ausgerichtet werden sowie eine größere regionale Eigenständigkeit erhalten. „Wir legen heute die Basis für eine positive wirtschaftliche Perspektive von Galeria“, lässt sich Galeria-Chef Müllenbach zitieren.

Endgültig abgestimmt wird über den Insolvenzplan allerdings erst am 27. März. Es ist schon durchgesickert, dass dieser erneut einen Verzicht der Gläubiger in Milliardenhöhe vorsieht. Sollten diese damit nicht einverstanden sein, droht einem Bericht der „Wirtschaftswoche“ zufolge das sofortige Aus der Filialen.

Galeria-Pläne: Kritik von Hamburgs Wirtschaftssenatorin

In Hamburg sorgen die Galeria-Pläne für Kritik und Unverständnis. „Die Schließungen der Kaufhausstandorte ist ärgerlich“, sagt Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) auf Anfrage unserer Zeitung. Insbesondere in Harburg sei es sehr bitter, dass seitens des Betreibers keine Entwicklungsperspektive gesehen werde.

„Dieser Standort ist zudem das einzige Warenhaus dieser Dimension im Hamburger Süden, noch dazu mit Versorgungsfunktion für das Umland“, so die Politikerin. Es wären verantwortlichere Lösungen infrage gekommen, wie etwa die Reduzierung der Verkaufsflächen.

Auch die Harburger Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen erklärte: „Den Standort zu schließen, bedeutet zunächst den Verlust von Arbeitsplätzen der Beschäftigten, aber auch darüber hinaus einen Verlust für die Harburger City.“ Dem Bezirksamt sei es jetzt wichtig, langen Leerstand zu vermeiden.

Galeria-Aus: "Abzocke zum Schaden der Beschäftigten"

Die Linke kritisierte vor allem, dass Eigentümer Benko – der in Hamburg unter anderem den Elbtower baut – auf der einen Seite Fördermittel kassiert, aber zu wenig für die Beschäftigten tut. "Mit dieser Abzocke zum Schaden der Beschäftigten und der Allgemeinheit muss endlich Schluss ein!", sagte David Stoop, gewerkschaftschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft.

Bei den Beschäftigten in Harburg sitzt der Schock an diesem Tag tief. „Wir haben bis zuletzt gehofft“, sagte ein Mitarbeiter. Am Montagnachmittag blieb das Kaufhaus geschlossen.