Hamburg. Ungewissheit sorgt für Wut in der Belegschaft. Das liegt auch an einem neuen Schreckensszenario, das die Runde macht.

Noch zweimal aufwachen, dann ist Weihnachten. Aber während bei den meisten Hamburgern die Vorfreude auf die Festtage wächst, steigert sich bei den knapp 700 Beschäftigten des angeschlagenen Warenhaus-Konzerns Galeria in der Hansestadt die Ungewissheit.

Auch mehr als sieben Wochen nachdem das Unternehmen erneut ein Insolvenzverfahren beantragt hat, gibt es keine Klarheit über die Zukunft von Deutschlands letzter Kaufhauskette. „Das Zittern geht weiter“, sagt Nils Reinhardt, Betriebsratsvorsitzender der größten Hamburger Galeria-Filiale, des ehemaligen Karstadt-Stammhauses an der Mönckebergstraße, nach einer Betriebsversammlung am Mittwoch.

Galeria Hamburg: Bangen um Jobs – Belegschaft ist wütend

Wie groß die Ängste bei den 290 Beschäftigten sind, zeigt die hohe Beteiligung an dem knapp einstündigen Treffen. Viele Neuigkeiten konnte Arbeitnehmervertreter Reinhardt allerdings nicht verkünden. Die Verhandlungen zwischen Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat zur künftigen Strategie sowie über Sozialplan und tarifliche Absicherung der bundesweit 17.400 Mitarbeiter liefen noch, sagt er.

Anders als beim vorherigen Treffen direkt nach der Insolvenzankündigung, als Fassungslosigkeit geherrscht habe und Tränen geflossen seien, gebe es in der Belegschaft inzwischen viel Wut darüber, dass es nicht vorangeht.

Neues Schreckensszenario: Galeria-Beschäftigte in Hamburg in Sorge

Das liegt auch an einem neuen Schreckensszenario, das die Runde macht. Einem internen Papier zufolge könnten im Zuge der Sanierung nicht 40, sondern 90 Galeria-Häuser geschlossen werden. Zumindest stehen diese auf einer Prüfliste. Vorstandschef Miguel Müllenbach hatte zuletzt vom Aus für mindestens ein Drittel der 131 Filialen gesprochen. Beobachter erwarten, dass konkrete Pläne zu Schließungen und Personalabbau erst Mitte nächsten Monats auf den Tisch kommen. Bis Ende Januar muss der Sanierungsplan spätestens vorliegen.

Die Gewerkschaft Ver.di hat inzwischen deutliche Worte gefunden. Sie erwarte, „dass ein Zukunftskonzept für digital-stationäre Warenhäuser vorgelegt wird, das diesen Namen auch verdient“, so Stefanie Nutzenberger aus dem Bundesvorstand. Die Beschäftigten hätten über die Jahre auf zig Millionen Euro verzichtet, um ihre Arbeitsplätze zu retten. Das Management dagegen sei seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. „Es ist höchste Zeit, dass die notwendigen Investitionen in die Filialen fließen“, erklärte sie mit Blick auf Galeria-Eigentümer René Benko.

Galeria Hamburg: Betriebsrat fordert höheres Insolvenzgeld

Auch der Hamburger Betriebsratsvorsitzende Reinhardt hat klare Forderungen, unter anderem geht es um die Berechnung des Insolvenzgeldes, das aus Sicht der Beschäftigten nach dem Flächentarif um mehrere Hundert Euro höher ausfallen müsste. Konkrete Protestmaßnahmen ähnlich wie bei der Insolvenz 2019, als die Mitarbeiter mit Warnstreiks und Demonstrationen gegen das Aus für Kaufhof und Karstadt Sports in der Innenstadt gekämpft hatten, gibt es allerdings aktuell nicht. Es läuft eine Postkartenaktion, in der die Belegschaft ihre Botschaften direkt an das Management richten kann.

„Nach zwei Jahren Pandemie zeigt sich, dass die Kunden in Kaufhäuser zurückkommen“, sagt Reinhardt. Die Häuser in Hamburg seien teilweise brechend voll. Die Belastung der Mitarbeiter sei hoch. „Wir arbeiten für zwei bis drei und bekommen nicht mal für einen bezahlt.“ Der Betriebsrat setzt darauf, dass die Galeria-Filialen in der Innenstadt, im AEZ, Eimsbüttel und Harburg erhalten werden und Wandsbek nicht vor dem offiziellen Ende im April 2024 schließt. „Dabei sehe ich auch die Stadt Hamburg in der Pflicht, mehr für den Einzelhandel zu tun.“