Hamburg. Mehrere Betriebe beliefern den Discounter. Die Branche steht massiv unter Druck – in Hamburg mussten einige Bäckereien schließen.
Morgens Brötchen in großer Auswahl, frisches Brot und leckerer Kuchen. Jahrelang war der kleine Bäckerladen Ottensen eine feste Institution. Ein Becher Kaffee auf einem der Barhocker am Schaufenster, ein belegtes Käsebrötchen oder die beliebten Quarkbällchen zum Mitnehmen. In dem Eckladen war immer Betrieb. Retro-Einrichtung ohne Schickimicki, dafür akzeptable Preise und freundliche Bedienung.
Bis dann vor einigen Wochen die Eingangstür morgens verschlossen war, das Geschäft wenig später leer. „Liebe Kunden, es war eine schöne Zeit mit Euch!“, steht seitdem auf einer Tafel am Eingang.
Das Aus für den kleinen Bäckerladen ist kein Einzelfall. Bundesweit haben in den vergangenen Monaten Betriebe aufgegeben. In Süd- und Westdeutschland sind auch größere Unternehmen finanziell unter Druck geraten, darunter Traditionsfirmen wie die Bäckerei Sinzinger aus der Nähe von Passau mit einer mehr als 400-jährigen Geschichte.
Bäckereien in Hamburg: „Die Lage ist nicht einfach“
„Die Lage ist nicht einfach“, sagt Katharina Daube, Inhaberin der Bäckerei Daube und Obermeisterin der Hamburger Bäcker-Innung. Kostensteigerungen für Rohstoffe und Energie, Nachfolgeprobleme und vor allem der immense Personalmangel machen den Handwerksbäckern in der Hansestadt zu schaffen. Dazu kommt, dass Kunden stärker auf die Preise schauen und beim Einkauf sparen. Die gute Nachricht: „Bei unseren Innungsbetrieben ist mir keine Insolvenz bekannt“, so die Obermeisterin.
Aber auch in Hamburg verändert sich das Geschäft mit Brot und Brötchen. Im vergangenen Jahr haben zahlreiche Bäckereien die Öffnungszeiten eingeschränkt, einige Standorte ganz geschlossen. „Es hat sich wirtschaftlich nicht mehr gerechnet“, sagt Wiebke Krüger, Inhaberin der Harburger Bäckerei Becker mit sechs Filialen.
Seit August vergangenen Jahres ist ihr Laden in der Fußgängerzone Lüneburger Straße in Harburg dicht, seit Ende September auch der Standort an der Bremer Straße. „Wir machen lieber ein bisschen weniger Geschäft, dafür haben wir auch weniger Arbeit und Kosten“, sagt die 45-Jährige, die das Unternehmen mit 55 Beschäftigten 2018 von ihrem Vater Peter Becker übernommen hat.
Hamburger Bäckerei beliefert Aldi-Märkte
Inzwischen hat die Bäckermeisterin eine neue Filiale in der Marktpassage in Neugraben eröffnet und beliefert seit August zudem vier Aldi-Märkte südlich der Elbe mit Brot: in Wilhelmsburg, Hittfeld, Meckelfeld und Rönneburg. „Das sind für uns Mini-Filialen. Ein gutes Zusatzgeschäft.“ Im vergangenen Jahr hatte die Discounterkette die Kooperation mit Handwerksbäckereien in Hamburg gestartet.
Aktuell sind fünf Betriebe dabei und haben stadtweit Lieferverträge mit 18 der 80 Aldi-Märkte. Insgesamt sind im Gebiet von Aldi-Nord nach Angaben einer Unternehmenssprecherin 54 lokale Bäcker in 1300 Filialen des Discounters vertreten. Das entspricht einer Quote von 60 Prozent. „Es wird gut angenommen“, so die Sprecherin.
Vorreiterin für die neue Zusammenarbeit in Hamburg war Innungsobermeisterin Daube, die im Juni 2022 mit der Belieferung von sechs Aldi-Filialen angefangen hatte. Inzwischen sind es sieben Standorte, drei weitere kommen jetzt noch dazu. Für die Unternehmerin ist die Zusammenarbeit eine zusätzliche Option, Brot und Snacks abzusetzen – zu vergleichbaren Preisen wie in den eigenen sieben Geschäften, aber ohne zusätzliches Personal. „Der Mangel an Fachkräften, vor allem an Verkäuferinnen, ist für uns im Moment das größte Problem“, sagt die Bäckerin.
Bäckerei an der Fruchtalle schließt überraschend
Geschlossen sind zwei weitere Betriebe mit bekannten Namen in der Branche. So ist seit Jahresende die Konditorei & Café Peukert an der Fruchtallee dicht. Das Aus für den Familienbetrieb nach 50 Jahren kam überraschend. Dahinter stehen den Informationen zufolge gesundheitliche Gründe. Schon seit mehr als einem halben Jahr gibt es in der Verkaufsstelle der Bäckerei Brandt in Hoheluft-Ost keine frische Backwaren mehr.
„In der Backstube hat es im Juni gebrannt“, erklärt Bäckermeister Jochen Brandt. Weil er Schwierigkeiten hatte, Handwerker zu finden, hätten sich die Reparaturarbeiten verzögert. „Ich hoffe, dass ich im Februar, März wieder backen kann“, sagt Brandt. Dann soll auch der Laden an der Breitenfelder Straße neu eröffnen. Auch ohne Nachfolger für seinen Betrieb habe er sich entschlossen weiterzumachen, sagt der 63-Jährige, der für seine Franzbrötchen bekannt ist. „Ich brauche die Arbeit.“
Weniger Bäckereien auch bundesweit
In der Handwerksrolle bei der Hamburger Kammer sind aktuell 67 Bäckerei-Betriebe und 66 Konditoreien registriert. Die Zahlen sind seit Jahren rückläufig. Vor zehn Jahren gab es in Hamburg noch 79 Bäckereien und 69 Konditoreien. Auch große Unternehmen sind betroffen. 2020 war bei der traditionsreichen Stadtbäckerei mit Stammsitz am Gänsemarkt der Ofen aus. Im gleichen Jahr traf es Dat Backhus. Beide Betriebe wurden übernommen und machen unter neuer Leitung weiter.
Auch bundesweit gibt es weniger Bäckereien. Ende 2021 waren es noch knapp 10.000 mit einem Gesamtumsatz von 15 Milliarden Euro. Parallel ist die Zahl der Filialen gestiegen. Konkrete Zahlen für Hamburg sind nicht bekannt.
„Nach der Handwerkszählung hat in Hamburg ein Bäckereibetrieb im Durchschnitt 46 Mitarbeiter, bundesweit sind es 26. Wir haben hier also größere Unternehmen“, hatte der Geschäftsführer der Bäcker- und Konditorenvereinigung Nord, Jan Loleit, kürzlich im Abendblatt-Interview gesagt. Er rechnet damit, das gerade die Großen in der Branche ihre Filialen jetzt genauer auf Wirtschaftlichkeit überprüfen.
Junge schließt Filialen
Ein Beispiel ist das Familienunternehmen Junge, das 1897 in Lübeck gegründet wurde und in den vergangenen Jahren stark expandierte. Die Bäckereikette mit 203 Standorten ist in sechs Bundesländern vertreten, davon mit 54 Filialen in Hamburg. Zuletzt gab es einige Schließungen.
So hat die Filiale im Einkaufszentrum Mercado in Ottensen schon vor einigen Monaten zugemacht. Auch das Geschäft in der Rahlstedter Fußgängerzone ist seit November dicht. Ende Mai dieses Jahres verschwindet auch der Laden in der Reinfelder Innenstadt. „Eine Standortgarantie für die Ewigkeit gibt es leider nicht“, sagt Unternehmenssprecher Gerd Hofrichter.
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Deshalb hinterfrage das Unternehmen immer wieder, ob Standorte den Anforderungen genügten – wirtschaftlich ebenso wie von der Größe, dem Ambiente und der Ausstattung her. Die Kundenfrequenz muss ebenso stimmen wie die Höhe der Miete. „Ergeben sich hier Schieflagen, reagieren wir“, so Hofrichter.
Fußgängerzonen in kleineren Städten und Stadtteilen seien davon derzeit besonders betroffen. Die Corona-Pandemie habe den Veränderungen Schub gegeben. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden im Falle einer Schließung an anderen Standorten weiterbeschäftigt.
Für den kleinen Bäckerladen in Ottensen gab es keine Zukunft. Die Inhaberin, die die frühere Filiale der Stadtbäckerei nach der Geschäftsschließung übernommen hatte, hat nicht selbst gebacken, sondern Waren von mehreren Lieferanten bezogen. Zu den Gründen für das Aus wollte sie sich auf Anfrage nicht äußern. Nach Abendblatt-Informationen haben ihr vor allem die gestiegenen Energiekosten und Preiserhöhungen so zu schaffen gemacht, dass sie das Geschäft aufgeben musste. Das Ladenlokal ist inzwischen neu vermietet.