Hamburg. Kult-Bäcker Jochen Gaues bringt Produkte in Backhus-Filialen unter. Was die Zusammenarbeit bedeutet – auch für die Kundschaft.

Bäckermeister Jörg Hoppe bringt frisch aus dem Backofen ein Bürli-Baguette an den Tisch von Jochen Gaues bei Brot und Stulle in der Rindermarkthalle. Gaues klopft auf das Brot, es klingt hohl. „Das ist schon geil“, sagt der 56-Jährige. Er schneidet das Brot an, man hört das Knacken der kroschen Kruste und dann ist der Bäcker aus Leidenschaft in seiner überschwänglichen Art nicht mehr einzufangen.

„Das Geile ist: Da ist soviel Wasser drin. Auch wenn es jetzt schon knusprig ist: Du kannst es heute Abend noch mal aufbacken und kriegst kein Zahnfleischbluten“, sagt Gaues. „Es soll knusprig sein, es soll nicht hart sein. Es soll dünn und splittrig sein.“

Bäckerei Hamburg: Gaues-Brote werden auch im Bundespräsidialamt gegessen

Der Kult-Bäcker, dessen Brote es bis in die Sterne-Gastronomie geschafft haben und den Gästen im Bundespräsidialamt kredenzt werden, nimmt eine Scheibe in die Hand und bröselt ein Stück ab. Auf die Frage nach seinem Erfolgsrezept verweist er auf seine jahrzehntelange Erfahrung als Bäcker: „Es sind die Summen der Kleinigkeiten.“

Rechts neben ihm am Tisch sitzt Barbaros Arslan. „Ich wollte auch so ein Brot mit Riesenlöchern und einer sehr dunklen Kruste haben. Das hat so etwas Mediterranes“, sagt der Geschäftsführer von Dat Backhus. Vor gut zwei Monaten haben sich Arslan und Gaues erstmals auf einen Kaffee getroffen. Dabei ist die Idee zur Zusammenarbeit entstanden.

Am Dienstag startet die Kooperation in 15 Geschäften

Drei Wochen lang backte Gaues im Anschluss an der Billstraße in der Backstube von Dat Backhus und war von den Maschinen in dem handwerklich arbeitenden Betrieb begeistert. Es wurde ein Team aufgebaut, das sich künftig ausschließlich um die Gaues-Produkte kümmern soll. Mit dabei als einer der Bäcker ist auch Jochen Gaues’ Sohn Tobias, der von Dat Backhus eingestellt wurde.

Am kommenden Dienstag startet die Kooperation offiziell. „Wir bieten in 15 Läden die Standardprodukte von Jochen Gaues mit an“, sagt Arslan. Dazu gehören rund zehn Brote wie das Sylter, Ciabatta mit Tomate, Olive, Walnuss, das Oxbrot und das Bürli. Platziert werden die Produkte unter dem Label Dat Gaues.

Perspektivisch könnten weitere Filialen dazukommen

Die ausgewählten Filialen erstrecken sich von Blankenese über die HafenCity, St. Georg und die Rindermarkthalle bis nach Quickborn, Norderstedt und Ahrensburg. Außen wird weiterhin der gewohnte Firmenname dran stehen, aber im Verkaufsbereich wird es ein Regal mit Dat Gaues-Produkten geben. „Wenn ich das Brot so in die Regale legen würde, würden die Kunden sagen: Der hat ja verbrannte Brote“, sagt Arslan und lacht. „Die Brote funktionieren nur in seinem Kontext.“

Perspektivisch können noch weitere Filialen dazukommen. Alle 97 Geschäfte, zu denen neben der Hauptmarke Dat Backhus auch die Marken Lieblingsplatz, Dat B. sowie Brot und Stulle zählen, werden es wohl aber nicht sein. Denn die Brote sind mit einem Kilopreis von 12,90 Euro vor allem etwas für Gutbetuchte – das passt nicht in jedes Umfeld einer Dat Backhus-Filiale.

Gaues’ Geschäft am Lehmweg wird von der Dat Backhus-Backstube beliefert

Gaues bringt in das Geschäft seine langjährigen Kontakte ein und werde am Umsatz beteiligt. Im Gegenzug kümmert sich die Dat Backhus-Zentrale um die Annahme und Bearbeitung der Bestellung, den Einkauf, die Verpackung und die Auslieferung – übrigens auch in das vor Kurzem neu eröffnete Geschäft Jochen Gaues original am Lehmweg.

„Die Qualität steht an erster Stelle“, sagt Gaues und sein neuer Geschäftspartner macht gleich deutlich, wer dafür zuständig ist. „Jochen Gaues macht die Abnahme und Qualitätskontrolle und schult die Bäcker. Da ist er auch gnadenlos. Das hilft unseren Leuten, um besser zu werden“, sagt Arslan.

Gaues wird von Poletto oder Mälzer geadelt

In der neuen Arbeitsteilung wird Gaues also für die Rezepte und deren Umsetzung zuständig sein – ein Gebiet, auf dem ihm in der Szene und von Gastronomen wie Cornelia Poletto oder Tim Mälzer hohe Kompetenz zugewiesen wird.

Um das Wirtschaftliche wird sich Arslan kümmern – ein Gebiet, auf dem Gaues mehrfach gescheitert ist. „Ich bin mal wieder pleite gegangen“, nennt er dann auch in schonungsloser Ehrlichkeit einen der Gründe für die neue Kooperation. Er sei immer selbst Schuld an den Pleiten gewesen und schiebt hinterher: „Ich kann nur backen. Das mach ich aber gern und aus Leidenschaft.“

Seit der Insolvenz gibt es vier neue Backhus-Filialen

Mit finanziell schwierigen Situationen kennt sich hingegen Arslan aus. Vor zwei Jahren übernahm die von dem 45-Jährigen mitgeführte Berliner Beteiligungsgesellschaft PrecapitalPartners die Hamburger Traditionsbäckerei, die offiziell nach ihrem Gründer Heinz Bräuer GmbH & Co. KG heißt, aus der Insolvenz.

Jahrelang habe der damalige Besitzer Bartels-Langness (Famila) mit dem Unternehmen Verluste geschrieben und am Jahresende ausgeglichen, hieß es damals. Eine teure Expansion sorgte zusammen mit dem Beginn der Corona-Krise und dem Wegfall von Kunden für die Verschärfung der finanziellen Schieflage.

Im Zuge des Insolvenzverfahrens wurden 26 Filialen geschlossen, 93 betrieben die Berliner weiter. Mittlerweile sind es vier Filialen mehr geworden, zwei kamen beispielsweise im Sommer durch die Übernahme des Backhauses Wedemann in Harburg hinzu.

Trotz Energie-Krise will Backhus schwarze Zahlen

Mit dem Geschäftsverlauf von Dat Backhus seit dem Erwerb sei man angesichts schwieriger Rahmenbedingungen zufrieden, sagt Arslan: „Den Umsatz von 50 Millionen Euro konnten wir halten. Wir sind nicht mehr verlustreich, sondern haben schon im ersten Jahr mit Gewinn abgeschlossen und sollten auch dieses Jahr knapp über Null abschließen.“

Allerdings seien die Herausforderungen für die energieintensive Branche groß. Dazu trügen neben den sehr hohen Energiekosten die höheren Rohstoffpreise, teurere Verpackungen und gestiegene Löhne wie die Erhöhung des Mindestlohns bei. „Wir mussten die Preise schon dreimal erhöhen. Beispielsweise stieg innerhalb von zwei Jahren der Preis für ein Franzbrötchen von 1,20 Euro auf 1,90 Euro – und das ist wirklich nur die reine Weitergabe gestiegener Kosten“, versichert Arslan und fordert eine Mehrwertsteuerbefreiung für lokal hergestellte Backwaren.

Perspektivisch laute die Wette Industrie- versus Handwerksbäcker. Auch für Brote legte der Preis bei Dat Backhus von 2,90 Euro für 500 Gramm auf 3,50 bis 3,90 Euro zu. Der Großteil der Kunden sei glücklicherweise mitgegangen.

150 Stellen seien frei, vor allem im Verkauf

Mit gut 1000 Beschäftigten, die nach Tarif bezahlt würden, sei die Zahl der Mitarbeiter stabil geblieben. 150 Stellen vor allem im Verkauf seien frei, aber man spüre den Fachkräftemangel. Daher habe man die Öffnungszeiten zum Teil deutlich reduziert. „Wir schließen kleinere Läden früher, damit das Personal in die Nachbarfiliale gehen kann“, sagt Arslan.

Dennoch seien die Kunden weitgehend treu geblieben. Während Snacks und Süßes im Prinzip wieder wie vor Corona liefen, sei allerdings mit dem Anziehen der Inflation vor einigen Monaten der Absatz von Brot und Brötchen deutlich zurückgegangen.

Hotels und Sterne-Gastronomen sollen an Gaues-Broten interessiert sein

Das Geschäft mit den 300 Handelskunden wie Firmen, Kitas und Krankenhäusern legte in der Vergangenheit hingegen kräftig zu und soll es auch in Zukunft. Arslan: „Unsere Handelskunden sind an den Gaues-Produkten stark interessiert, insbesondere im Hotelbereich oder der Sterne-Gastronomie.“

Seitdem sich die Zusammenarbeit in Fachkreisen herumgesprochen hat, wachse der Kundenkreis stetig, Stammkunden meldeten ihr Interesse an. Das sei angesichts der Rahmenbedingungen „ein kleiner Lichtblick mit Perspektive“. Neben den Broten könnte es künftig auch Brötchen unter der Marke Dat Gaues geben.

Bäckerei Hamburg: Showbacken in der Rindermarkthalle

Der Kult-Bäcker wird jeden Freitag im November ab 13 Uhr bei Brot und Stulle in der Rindermarkthalle sein, in der gläsernen Produktion backen und den ein oder anderen Klönschnack mit Interessierten halten.

Berührungsängste kennt er nicht. Am Ende des Gesprächs tritt ein Flaschensammler an den Tisch und schaut auf die angeschnittenen Brotlaibe mit Bürli und Sylter. Gaues geht zu ihm und steckt ihm zwei Hälften in die Einkaufstasche. „Hier: Kannst Du auch einfrieren. Schmeckt auch aufgebacken.“