Reinfeld. Im Mai ist Schluss an der Paul-von-Schoenaich-Straße. Womit die Bäckereikette ihren Rückzug aus der Reinfelder City begründet.

Nach dem Bummel durch die Innenstadt noch einen Kaffee trinken: Das wird für Reinfelder Bürgerinnen und Bürger bald schwerer, die Auswahl schrumpft. Die Bäckerei Junge wird zum 31. Mai ihre Filiale an der Paul-von-Schoenaich-Straße schließen. Mehr als 16 Jahre lang versorgte die Bäckerei mit angegliedertem Café ihre Kunden mit frischem Brot, Brötchen und Kuchen. Mit dem Rückzug des Unternehmens aus der Reinfelder Innenstadt verschärft sich der Leerstand in der City weiter.

Eine „Brotlosigkeit“ droht Reinfeld hingegen nicht. Mit Rohlf (Hamburger Straße) und Knaack (Bahnhofstraße) gibt es noch zwei weitere Bäckereien in der Innenstadt, und Junge hält außerdem an seinem Drive-in im Gewerbegebiet an der Autobahn fest.

Wirtschaftliche Gründe haben das Unternehmen zu dem Entschluss geführt

Der Standort an der Paul-von-Schoenaich-Straße rechnet sich aber nicht mehr für das 125 Jahre alte Familienunternehmen, das in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg 204 Geschäfte mit 4650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat. Laut Unternehmenssprecher Gerd Hofrichter haben wirtschaftliche Gründe zu dem Entschluss geführt: „Die Einkaufsgewohnheiten und das Gästeklientel haben sich stark verändert. Die Kaufkraft und die Gästezahl sanken, die Kosten dagegen stiegen“, sagt Hofrichter auf Anfrage. Insbesondere die Energie- und Rohstoffpreise und die Lohnkosten seien stark gestiegen, was der Filiale in Reinfeld letztendlich das Genick gebrochen habe. Hofrichter: „Die Kosten für dieses Geschäft sind bei diesem Umsatz betriebswirtschaftlich nicht mehr sinnvoll zu stemmen.“

Auch Personalmangel sei ein Grund für das Aus gewesen. Dieser plage das Unternehmen wie andere Betriebe der Branche an vielen Standorten. Hofrichter: „Die derzeitige Krankheitswelle macht es nicht leichter.“ Die elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Standortes in Reinfeld City werden nicht entlassen, sondern in umliegenden Filialen weiterbeschäftigt.

Drive-in an der Ausfahrt der A1 ist künftig der einzige Standort der Bäckerei in Reinfeld

Dass Filialen in der Vergangenheit schließen mussten, sei durchaus schon vorgekommen, sagt der Pressesprecher. „In der Mönckebergstraße in Hamburg haben zum Beispiel das veränderte Einkaufsverhalten, der damit einhergehende fehlende Lauf und die exorbitant gestiegenen Mietpreise 2014 nach knapp 30 Jahren zur Schließung des Geschäfts geführt“, so Hofrichter.

Noch herrscht reger Betrieb in der Filiale in der Reinfelder Innenstadt. Kunden kommen vorbei, um sich ein Brötchen auf die Hand für die Mittagspause zu holen oder verweilen bei einem Heißgetränk im Café. „Ich finde es sehr schade, dass die Bäckerei schließt“, sagt Lucy Wenzel aus Reinfeld. Die 20 Jahre alte Studentin der sozialen Arbeit hat sich mit ihrer Freundin Annie Walter auf einen Kaffee getroffen.

Sind traurig über das Aus der Bäckerei Junge in Reinfeld (v. l.): Annie Walter und Lucy Wenzel.
Sind traurig über das Aus der Bäckerei Junge in Reinfeld (v. l.): Annie Walter und Lucy Wenzel. © Juliane Minow

„Es ist immer ein schöner Treffpunkt“, sagt die 20 Jahre alte Fotografin Annie Walter aus Klein Wesenberg. „Außerdem ist es praktisch“, sagt Lucy Wenzel. „Wenn ich zum Bahnhof muss, kann ich mir hier noch schnell ein Brötchen holen.“ Das geht zwar nun zum Beispiel noch in der Bäckerei Knaack an der Bahnhofstraße. Doch ein schönes Café zum Verweilen, da sind die Freundinnen sich einig, werden sie vermissen. Ähnlich geht es Heike und Wolfgang Levy: „Wir waren sehr traurig, als wir von der Schließung gehört haben“, sagen sie. „Es ist eine schöne, zentrale Lage für die Bäckerei. Wir sind gern und regelmäßig gekommen.“

Stadt Reinfeld kämpft seit Jahren mit immer mehr Leerstand in der City

„Die Stadt Reinfeld bedauert den Weggang der Firma Junge aus der Innenstadt sehr“, sagt Bürgermeister Roald Wramp auf Anfrage. „Er bedeutet für Reinfeld eine weitere schmerzhafte Schwächung der Innenstadt.“ Denn seit Jahren hat die Karpfenstadt mit zunehmenden Leerständen in der City zu kämpfen. Wo einst Penny, Schlecker und weitere Einzelhandelsgeschäfte waren, sind die Türen heute geschlossen.

„Die Stadt versucht seit Jahren, mit ihrem städtebaulichen Sanierungsprogramm weitere Einzelhändler in der Innenstadt anzusiedeln. Leider waren die gemeinsamen intensiven Bemühungen mit der Politik zusammen dahingehend bislang nicht erfolgreich“, sagt der Bürgermeister. Woran das liegt? „Einzelhändler wünschen sich größere Verkaufsflächen, die aufgrund der sehr verschiedenen Eigentumsverhältnisse und Interessen der Eigentümer im Innenstadtbereich bislang nicht umsetzbar waren. Auch eigene Vermittlungsversuche zwischen den Eigentümern brachten leider keinen Erfolg“, so Wramp. Wie es mit der Immobilie, die die Bäckerei Junge derzeit noch gemietet hat, weitergeht, weiß der Bürgermeister noch nicht. Nur so viel: „Es werden Gespräche zwischen Politik und Gebäudeeigentümer geführt.“

Es muss ein neues Konzept für die Nutzung der Innenstadt her

Für den Bürgermeister drängt sich immer mehr die Frage auf, „ob das derzeitige Konzept für die Innenstadt noch umsetzbar und zeitgemäß ist“. Da passe es gut, dass die Stadt 2023 mit der Aufstellung ihres integrierten Ortsentwicklungskonzept starte. Wramp: „Das Konzept könnte den rechtlichen Rahmen für eine breite politische Diskussion in Reinfeld über eine eventuelle Neuausrichtung der Entwicklungsziele für die Innenstadt stellen.“

Denn: Mit dem Problem sich verändernder Innenstädte stehe die Stadt Reinfeld nicht allein da. In vielen Orten kämpfen die Innenstädte ums Überleben. Immer mehr Geschäfte schließen wegen fehlender Kaufkraft. Schuld ist nicht nur der Onlinehandel, auch Corona und Inflation tragen aktuell wohl ihren Teil dazu bei. Laut Bürgermeister müssen deshalb neue Ideen zur Nutzung von Innenstädten her. „Weil wir mit dem Problem nicht allein sind, gibt es bereits Ansätze und Untersuchungen, wie Innenstädte kleiner Städte wieder interessanter für ihre Einwohnerinnen und Einwohner und Gäste gestaltet werden können“, so Wramp. Möglich wäre demnach statt einer Konzentration auf den Einzelhandel eine größere Durchmischung von Wohnen, Gastronomie und Gewerbe.