Hamburg. Während einige zögern, führen die schwierigen Rahmenbedingungen bei anderen zum Umdenken. Zwei Firmen ziehen Konsequenzen.
Die Wirtschaftsbeziehungen mit China sind schwieriger geworden. Das kommunistische Land verfolgt eine Null-Covid-Strategie. Immer wieder werden – wie jetzt in Peking und Guangzhou – seit Beginn der Pandemie Ende 2019 in der Volksrepublik über Teile oder ganze Millionenstädte und Regionen Lockdowns verhängt. Auch die mehr als 700 in China aktiven Hamburger Unternehmen stellt das vor Probleme bei der Arbeit.
Ende Oktober sicherte sich Staats- und Parteichef Xi Jinping zudem eine Machtfülle, wie sie bisher nur Staatsgründer Mao Tse-tung hatte. Der 69-Jährige ließ sich zum dritten Mal als Generalsekretär wiederwählen, sodass er im März zum dritten Mal Präsident werden dürfte.
Chinas Ton Richtung Taiwan wird schärfer
Das Land wird autokratischer, andere Meinungen zunehmend unterdrückt. Wie Xi Jinping mit Andersdenkenden umgeht, wird deutlich, als er seinen innerparteilichen Rivalen und Amtsvorgänger Hu Jintao von Dienern aus dem Saal führen lässt – erkennbar gegen dessen Widerstand.
Gleichzeitig wird der Ton in Richtung Taiwan schärfer. Auf dem Parteitag drohte Xi Jinping, die demokratische Inselrepublik militärisch einnehmen zu wollen, sollten sich die Taiwaner gegen eine „friedliche“ Vereinigung sperren. Chinas Führung sieht die Insel als Teil der Volksrepublik an, während sich die Taiwaner längst als unabhängig einstufen.
Cosco-Einstieg im Hamburg Hafen wird zum Zankapfel
Wie schwierig das Geschäftemachen mit dem Riesenreich mittlerweile ist, zeigt sich an dem Fall der Hamburger Hafen und Logistik AG. An deren Containerterminal Tollerort wollte sich die Staatsreederei Cosco mit 35 Prozent beteiligen. Nach Bedenken aus sechs Fachministerien in Berlin und heftigem politischen Streit beschloss die Bundesregierung eine Teiluntersagung des Deals. Es wurde ein Kompromiss geschmiedet, nach dem maximal 24,9 Prozent der Anteile verkauft werden dürfen.
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) begrüßte den Kompromiss, sagte aber auch: „Unabhängig von der aktuellen Einzelentscheidung der Bundesregierung halte ich es für erforderlich, die Außenwirtschaftsbeziehungen Deutschlands und der Europäischen Union an die aktuellen geopolitischen Entwicklungen anzupassen.“
So gehen Hamburger Unternehmen mit China um
Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse fragte unsere Redaktion Hamburger Unternehmen, die in China aktiv sind, wie sie mit der verschärften Lage in der Volksrepublik umgehen.
Jungheinrich fokussiert sich mehr auf USA
Der Gabelstaplerhersteller Jungheinrich betreibt insgesamt zwölf Werke, zwei davon in China. In Qingpu werden sogenannte Nieder- und Hochhubwagen, Elektro-Gegengewichtsstapler und Schubmaststapler produziert, zudem werden gebrauchte Flurförderzeuge aufgearbeitet. In Kunshan werden Regalbediengeräte und Lastaufnahmemittel produziert. Derzeit beschäftigt Jungheinrich rund 880 Mitarbeitende in dem Land.
China sei der größte Einzelmarkt der Welt für Flurförderzeuge, sagte Unternehmenssprecher Martin Wielgus: „Die deutlich verschlechterten Rahmenbedingungen haben allerdings zu einem internen Umdenken geführt: das Hinausdrängen westlicher Unternehmen, die Bevorzugung von lokalen Spielern, Repressalien im wirtschaftlichen Umfeld und Probleme bei der Datensicherheit haben uns 2021 – also vor Beginn des Kriegs in der Ukraine – dazu bewogen, China nicht mehr als den wichtigsten Markt außerhalb Europas anzusehen. Das sind nun für uns die USA.“
Aktuell gäbe es aber keine Pläne, an der Aufstellung in China etwas zu ändern. In der Vergangenheit sei es durch lokale Entscheidungen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie partiell zu Produktionseinschränkungen gekommen, so Wielgus.
Architekturbüro gmp bewirbt sich mehr um andere Aufträge
Das Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner (gmp) ist in Peking, Shanghai und Shenzhen mit etwa 140 Mitarbeitern vertreten. Projekte würden dort – wie bei allen großen, international tätigen Büros – vorwiegend über Architekturwettbewerbe gewonnen, sagte Diplom-Ingenieurin Britt Blohm. Die asiatischen Länder mit China an der Spitze sind wegen ihrer wirtschaftlichen Dynamik wichtige Märkte.
Man wolle in der Volksrepublik auch in Zukunft einen nennenswerten Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in der Architektur und im Städtebau leisten. „Durch faire Architekturwettbewerbe ist dies derzeit gewährleistet“, sagte Blohm. „Solange es uns möglich erscheint, werden wir unsere Aktivitäten dort fortsetzen. Gleichzeitig öffnen wir uns aber auch neuen Märkten, etwa in Asien oder Nordamerika.“
In den vergangenen Monaten hätten sich viele Termine bereits verzögert, weil von den Mobilitätseinschränkungen während der Pandemie auch Baustellen, Bauherren und Behörden betroffen gewesen seien. Weil die Projekte allerdings langfristig angelegt sind, seien kurzfristige Planverschiebungen verkraftbar. Über flexible, digitale Kommunikationsmöglichkeiten könne die Arbeit weitgehend normal fortgeführt werden.
Otto betreibt wichtige Tochter in Hongkong
Der Onlinehändler Otto setzt seit vielen Jahren verstärkt auf mobiles Arbeiten – das half während der Pandemie in China. Denn: „Natürlich war auch Otto International in hohem Maße von den diversen Lockdowns, auch in China betroffen“, sagte Thomas Voigt, Sprecher der Otto Group.
Bei der Tochter Otto International mit Hauptsitz in Hongkong bündeln die Hamburger die Beschaffung und Qualitätskontrollen von Produkten für den Konzern und weitere Unternehmen. Otto International beschäftigt in Hongkong sowie an 25 weiteren Standorten in Europa, Asien und Afrika mehr als 1200 Menschen.
Seit Jahrzehnten pflege man gewachsene und verlässliche Handelsbeziehungen mit in China ansässigen Firmen, meist aus dem Mittelstand, „die wir sehr wertschätzen, nicht missen wollen und die nicht kurzfristig ersetzbar sind“, sagte Voigt und ergänzte: „Selbstverständlich prüfen wir im Rahmen der geopolitischen Risikominimierung die Beziehung zu Lieferländern ständig.“
Für Reyher ist China als Beschaffungsmarkt wichtig
Für den Schrauben- und Dübelspezialisten Reyher arbeiten rund 40 Beschäftigte in Shanghai in einer Einkaufs- und Verkaufs-Tochtergesellschaft. Die weitgehend ausgeübten Bürotätigkeiten konnten während der Pandemie dank mobiler Arbeitstechniken nahezu normal ausgeübt werden – die Qualitätsprüfer konnten bei den Herstellern hingegen nur eingeschränkt tätig werden.
Für Reyher spiele China als Absatzmarkt nur eine untergeordnete Rolle, er sei jedoch ein wichtiger Beschaffungsmarkt für Verbindungselemente, und zwar der zweitwichtigste nach Deutschland, teilte das Unternehmen mit. Auch indirekt spiele China als weltgrößter Stahlproduzent eine wichtige Rolle für das Geschäft. Einen Abzug aus dem Land plant Reyher nicht, „denn eine Verlagerung unserer Tätigkeiten brächte uns klare Wettbewerbsnachteile“, hieß es.
Airbus-Chef warnt vor „wachsenden Herausforderungen“ in China
Zwar ist der Flugzeugbauer Airbus kein Hamburger Unternehmen, gehört mit seinem Werk auf Finkenwerder und den dort rund 15.000 Beschäftigten aber zu den drei größten Arbeitgebern der Hansestadt. Ein Teil dieser Beschäftigung wird auch durch das Werk in Tianjin gesichert.
An der Elbe werden die Bausätze für das Kurz- und Mittelstreckenflugzeug A320 gepackt und dorthin verschifft. In Hamburg werden traditionell etwa die Hälfte dieser Maschinen endmontiert, in China sind es rund fünf pro Monat und damit etwa ein Zehntel der konzernweiten A320-Produktion.
Anfangs musste das Werk wegen der Pandemie vorübergehend geschlossen werden, aber von den jüngsten Lockdowns im Herbst sei man nicht betroffen gewesen, so ein Sprecher. Mehr als 2000 Mitarbeiter zählt man in der Volksrepublik.
Für den DAX-Konzern ist das Land aber vor allem als Absatzmarkt wichtig: Das Reich der Mitte ist der größte Einzelmarkt. 12.815 zivile Airbus-Jets sind global im Einsatz, rund 2100 davon in China – also etwa jeder sechste gebaute Flieger trägt die rote Flagge mit einem großen und vier kleinen goldenen Sternen.
„Auch wir spüren die wachsenden Herausforderungen, in China Geschäfte zu machen“, sagte Vorstandschef Guillaume Faury Ende Oktober bei der Vorstellung der Quartalszahlen. Man werde so viele und so lange wie man kann Flugzeuge ausliefern. „Wir sehen nicht, dass das kurzfristig unter Druck kommt“, sagte der Franzose. Aber man beobachte die Situation.
Lufthansa Technik beschäftigt 600 Mitarbeiter in Shenzhen
„Wie für die gesamte Luftfahrtindustrie ist der chinesische Markt auch für uns sehr relevant“, sagte Lufthansa-Technik-Sprecher Michael Lagemann. In Shenzhen wird ein Joint Venture mit der Shenzhen Investment Holding Corporation und der Beijing Kailan Aviation Technology Company betrieben, an dem der Weltmarktführer für die Reparatur, Wartung und Überholung von Flugzeugen 80 Prozent hält.
Die rund 600 Mitarbeiter erledigen für mehr als 150 Kunden im asiatisch-pazifischen Raum Reparaturen von Anbautauteilen aus Kompositmaterialien sowie für einzelne Flugzeug- und Triebwerkskomponenten. Der Standort sei mehrfach von (Teil-)Lockdowns betroffen gewesen, zuletzt im September. Am Engagement in China wolle man festhalten, so Lagemann: „Derzeit gibt es bei Lufthansa Technik keine konkreten Pläne für Veränderungen dort.“
Eppendorf sieht keine Notwendigkeit, Strategie zu ändern
Diese Einschätzung der Lage teilt man bei dem Laborbedarfshersteller Eppendorf AG. Man beobachte mit dem Management vor Ort die Lage, sagte Sprecher Ralph Esper: „Aktuell wird keine Notwendigkeit gesehen, die Geschäftsstrategie zu ändern oder anzupassen.“
Die Hummelsbütteler beschäftigen in China rund 300 Mitarbeiter, die mehrheitlich in Shanghai tätig sind und den Vertrieb von Produkten und Services für das Arbeiten in wissenschaftlichen Labors verantworten. Zudem gibt es einen kleinen Entwicklungs- und Produktionsbereich für Geräte, die für den chinesischen Markt bestimmt sind.
Die Null-Covid-Strategie habe Eppendorf genauso getroffen wie alle anderen Unternehmen in dem Land. Soweit möglich hätten Mitarbeiter von zu Hause aus gearbeitet, sagte Esper. China sei ein bedeutender Markt mit Wachstumspotenzial. Rund 14 Prozent des Konzernumsatzes werden in der Volksrepublik erzielt.
Beiersdorf hat in China zwei Produktionsstätten
Der Nivea-Hersteller Beiersdorf unterhält in China zwei Produktionsstätten. In Shanghai gibt es neben einem Werk noch ein Forschungs- und Innovationszentrum mit insgesamt rund 300 Mitarbeitern. Dort werden zum Beispiel Produkte zur Gesichts-, Haar- und Körperpflege sowie Deodorants für den chinesischen Markt hergestellt.
Das Werk in Shanghai war wegen des Lockdowns für rund 20 Tage geschlossen. Zusammen mit der Klebstofftochter Tesa, die in Suzhou einen Standort hat, beschäftigt der einzige Hamburger DAX-Konzern knapp 1500 Mitarbeiter in dem Land. Fragen zu seinem künftigen Engagement in China beantwortete das Unternehmen nicht.