Hamburg. Flugzeugbauer will im nächsten Jahr weitere Stellen schaffen – auch in Hamburg. Markt erholt sich schneller als gedacht.

Der A321XLR ist der neue Hoffnungsträger von Airbus – und er scheint den Erwartungen gerecht zu werden. Drei Maschinen des neuen Langstreckenflugzeugs sind im Hamburger Werk auf Finkenwerder fertig montiert worden und nun im Testbetrieb.

„Die Piloten sind sehr glücklich mit dem Flugverhalten“, sagt Gerd Weber, Geschäftsführer der Airbus Operations GmbH, im Hotel Atlantic auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Clubs Hamburger Wirtschaftsjournalisten und des Luftfahrt-Presse-Clubs.

Neuer Airbus A321XLR flog bisher 70- bis 80-mal

Bisher seien 70 bis 80 Flüge absolviert worden. Die letzten Anforderungen der Behörden für die Zertifizierung sollten noch in diesem Jahr erfüllt werden, so Weber. Die Produktion mit der Integration des neuen Tanks im Frachtraum laufe bereits.

Der Tank ist das Herzstück des neuen Fliegers, durch den der Jet aus dem Mittelstrecken- bis in den Langstreckenbereich vorstößt. Er allein fasst rund 13.000 Liter, sodass Flüge bis zu 8700 Kilometer nonstop möglich sind. „Die ersten Kundenflugzeuge sind jetzt in der Produktion“, sagt Weber.

Airbus: Gut 500 A321XLR sind bestellt

Im Januar solle die Montage der Sektionen starten, Ende 2023 soll der Flieger in die Endmontage kommen. „Wir sind sehr positiv gestimmt“, sagt Weber. Im zweiten Quartal 2024 soll die erste Fluglinie mit dem A321XLR – XLR steht für extralange Reichweite – um die Welt jetten, gut 500 Flieger sind bestellt.

Allerdings wurde die Erstauslieferung erst vor zwei Wochen erneut nach hinten verschoben. Ursprünglich sollte der Flieger Ende 2023 in den operativen Betrieb gehen, dann hieß es Anfang 2024. Bei der Bekanntgabe der Quartalszahlen sprach Vorstandschef Guillaume Faury lediglich von einer Präzisierung des Zeitplans.

Im Frühjahr 2021 verließen 1000 Beschäftigte Airbus in Hamburg

Der Flugzeugbauer hat turbulente Zeiten hinter sich. Mit Beginn der Pandemie vor zweieinhalb Jahren und dem Einbrechen des globalen Flugverkehrs sah Faury noch die Existenz des Unternehmens gefährdet. In Hamburg sollten 2200 Stellen gestrichen werden.

Im Frühjahr 2021 verließen schließlich nach heftiger Gegenwehr der Betriebsräte und der IG Metall rund 1000 Beschäftigte das Unternehmen freiwillig und nahmen Abfindungen oder Angebote wie vorzeitigen Ruhestand an. Nun sieht sich der DAX-Konzern offenbar endgültig zurück auf Wachstumskurs und hakt die Krise ab.

2023 sollen in Norddeutschland 1000 Jobs entstehen

Man habe in diesem Jahr an seinen norddeutschen Standorten mehr als 1000 Mitarbeiter eingestellt „und einen Großteil davon in Hamburg“, sagt André Walter, der Geschäftsführer der ebenfalls auf Finkenwerder ansässigen Airbus Aerostructures GmbH (ASA) ist und ebenfalls ins Hotel Atlantic gekommen war. Zu der Verteilung der neuen Jobs auf einzelne Standorte gab es keine Angaben.

Derzeit sind rund 15.000 Beschäftigte auf Finkenwerder tätig, gut zwei Drittel bei der Operations GmbH, der Rest bei der ASA. Künftig soll die Zahl der Beschäftigten weiter zulegen. „Mit Blick auf das nächste Jahr werden wir noch einmal in dieser Größenordnung einstellen“, sagt Walter und bezieht diese Zahl auf alle norddeutschen Standorte, also auch auf Stade, Bremen und Nordenham.

Hamburg sei bei jungen Leuten sehr beliebt

Gesucht würde querbeet, zum Beispiel Fluggerätmechaniker, Elektroniker und Mechatroniker, aber auch Chemiker, Physiker und Maschinenbauer. Hamburg als Standort sei sehr gefragt, eine tolle Stadt, so Walter: „Da wollen junge Leute gerne hin, da wollen auch Leute aus der ganzen Welt hin.“

Das Unternehmen befindet sich mitten im Produktionshochlauf des Verkaufsschlagers A320-Familie. Derzeit werden konzernweit rund 50 dieser Flieger pro Monat gebaut, rund die Hälfte davon kommt aus Hamburg.

Flugzeugmarkt hat sich schneller erholt als gedacht

„Wir wollen die A320-Familie auf eine Rate 75 hochfahren – das volumenstärkste Programm in der kommerziellen Luftfahrt“, bekräftigt Weber bereits bekannte Pläne. „Der Markt hat sich deutlich schneller erholt, als wir uns das ursprünglich vorgestellt haben. Wir gehen von einer kompletten Markterholung zwischen den Jahren 2023 und 2025 aus.“

Diese werde angeführt von den Kurz- und Mittelstreckenfliegern wie dem in Nordamerika gebauten A220 und vor allem der A320-Familie. Etwas später würde ein Anziehen der Nachfrage bei Langstreckenfliegern erwartet, die Rate für die in Toulouse gebauten A330 und A350 soll auch erhöht werden.

Es gibt wieder mehr Neubestellungen

Von den Fluggesellschaften kämen bereits jetzt wieder deutlich mehr Aufträge, und zwar nicht nur von einzelnen Airlines, sondern flächendeckend. In diesem Jahr werde man mehr Bestellungen erhalten als man Jets an Kunden ausliefere. Heißt: Das Auftragsbuch wird dicker.

Die Bestellflut werde andauern, weil die mit den Neo-Triebwerken angetriebenen Flieger deutlich weniger Kerosin verbrauchen würden und effizienter seien als die Vorgängergeneration, so Weber. Wer jetzt ein neues Flugzeug bestelle, müsse Jahre auf einen Termin für den Bau warten, sagt er und ergänzt: „Unsere Kunden brauchen jedes Flugzeug. Je früher, desto besser.“

Heißer Jahresendspurt bei den Auslieferungen

Um das Auslieferungsziel in diesem Jahr zu erreichen, muss Airbus in den beiden letzten Monaten einen Zahn zulegen. 497 Maschinen wechselten bis Ende Oktober den Besitzer, rund 700 sind die Zielmarke. Weber ist optimistisch, noch 200 Jets zu übergeben.

„Wir machen das nicht das erste Mal“, sagt er, verweist auf den häufig starken Jahresendspurt und begründet seine Hoffnungen: „Diese Flugzeuge müssen wir nicht erst bauen, die müssen wir komplettieren.“ Vor allem in der ersten Jahreshälfte gab es Schwierigkeiten in der Lieferkette, Lieferungen von Teilen blieben mitunter aus. In dieser Zeit habe man die Produktion weitergefahren und Flieger anschließend geparkt. Wenn die fehlenden Teile nun geliefert würden, könnte man die Jets schnell fertig bauen. Nur das Wetter könne noch „in die Suppe spucken“.

Hamburg forscht am „grünen“ Flieger mit

Für die längerfristige Zukunft das wohl wichtigste Thema ist, das Fliegen weniger umweltschädlich zu machen. Airbus arbeitet an einem „grünen“ Flugzeug, das mit regenerativ hergestellten Wasserstoff angetrieben wird und 2035 auf den Markt kommen soll.

„Das größte Technologiethema ist die Brennstoffzelle und die erforschen wir in Hamburg im ZAL, dem Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung“, sagt Nicole Dreyer-Langlet, die das Airbus-Managertrio im Atlantic komplettiert und für Forschung und Technologie zuständig ist.

Besondere Anforderungen für Brennstoffzellen in Luftfahrt

Brennstoffzellen seien eine aus der Automobilindustrie bekannte Technologie, allerdings müssten sie für die Luftfahrt weiterentwickelt werden. Sie müssten sehr, sehr viel Energie liefern, sehr leicht und für den Einsatz in der Luft zertifiziert und sicher sein. In einem Joint Venture mit dem Automobilzulieferer ElringKlinger arbeite man daran. Eines der wichtigsten Themen auf Finkenwerder sei, wie das System später zusammenspiele.

In Bremen – der Standort verfügt über Raumfahrt-Erfahrung aus dem Ariane-Programm – und Stade werde am Tank gearbeitet, der eine weitere große Herausforderung ist. Schließlich muss der verflüssigte Wasserstoff bei mindestens minus 253 Grad Celsius kühl gehalten werden.

In vier Minuten Warteschleife werden 125 Liter Kerosin verbrannt

Um möglichst schnell bei der Dekarbonisierung Fortschritte zu machen, müssten alle Potenziale gehoben werden, sagt Dreyer-Langlet. Alte Flugzeuge müssten durch neue, sparsamere ersetzt werden. Neue Bauteile und Materialien müssten für Gewichts- und damit Treibstoffeinsparungen sorgen.

Der Anteil an nachhaltigem Kerosin (Sustainable Aviation Fuel, SAF) müsse gesteigert werden. Derzeit seien bis zu 50 Prozent Beimischung zu herkömmlichen Kerosin möglich, bis 2030 sollen die Jets mit 100 Prozent SAF fliegen können. Vor allem müsse auch der Flugbetrieb wie das unnötige Kreisen vor der Landung an Flughäfen optimiert werden, rechnet Dreyer-Langlet vor: „Vier Minuten Warteschleife sind 125 Liter Kerosin.“