Hamburg. Geringe Abgaben seien angesichts hoher Gewinne „nicht okay “. Die Hamburger Reederei verdient 13,8 Milliarden Euro in neun Monaten.

Der Vorstandschef der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen, hält angesichts exorbitant hoher Gewinne die geringe Besteuerung der Branche für zweifelhaft. „Schaut man sich die Besteuerung in den letzten paar Jahren an, dann ist das definitiv nicht okay und nicht nachhaltig“, sagte Habben Jansen am Donnerstag bei der Vorstellung der Ergebnisse des Hamburger Traditionsunternehmens für die ersten neun Monate.

Habben Jansen zeigt sich auch offen für eine Änderung der Abgabenpflicht. In den vergangenen Wochen hatte es Kritik von allen Seiten an der Besteuerung der Schifffahrt gegeben. Selbst der mit 30 Prozent größte Anteilseigner von Hapag-Lloyd, Klaus Michael Kühne, hatte im Gespräch mit dem Abendblatt die Gewinne als zu hoch eingestuft.

Tonnagesteuer: Unfaire Gewinne für Reedereien?

Wie berichtet, hat Hapag-Lloyd aufgrund der hohen Transportpreise im vergangenen Jahr einen Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) von 9,4 Milliarden Euro erwirtschaftet, darauf aber nur 61,3 Millionen Euro Steuern bezahlt. Das sind gerade einmal 0,65 Prozent des Gewinns. Grund dafür ist die Einführung der Tonnagesteuer. Reedereien werden nicht nach ihren Gewinnen besteuert, sondern nach der Nettoraumzahl, also der Größe ihrer Schiffe.

Die Steuer wurde einst eingeführt, um die Schifffahrt zu stärken. In wirtschaftlich guten Zeiten bedeutet die Tonnagesteuer aber einen wahren Geldsegen für Reeder. „Betrachtet man die letzten zwei Jahre isoliert, dann ist da etwas aus dem Gleichgewicht“, räumt Habben Jansen ein.

„Wenn sich das mit den Gewinnen so fortsetzen sollte, müsste man etwas ändern. Das wäre fair.“ Der Reederei-Chef betont allerdings, dass die Tonnagesteuer in den vergangenen 20 Jahren insgesamt gut funktioniert habe. Die Reedereien hätten demnach immer 30 bis 40 Prozent Steuern auf ihre Einkünfte gezahlt.

Hapag-Lloyd: Erneuter Rekordgewinn in diesem Jahr

Wie viel Hapag-Lloyd denn für dieses Jahr ans Finanzamt zahlen muss, dazu äußerte sich Habben Jansen nicht. Die Gewinne seines Unternehmens werden de­finitiv nicht geringer ausfallen als im vergangenen Jahr. Im Gegenteil; sie werden noch einmal exorbitant steigen. Das lässt sich bereits am Geschäftsverlauf der ersten neun Monate ablesen. Hapag-Lloyd konnte in diesem Zeitraum nämlich erneut einen Rekordgewinn verbuchen.

Hamburgs traditionsreicher Schifffahrtskonzern hat in den ersten neun Monaten dieses Jahres unterm Strich knapp 13,8 Milliarden Euro verdient. Das sind noch einmal viereinhalb Milliarden Euro mehr als im Gesamtjahr 2021.

Höherer Gewinn trotz gestiegener Transportkosten

8,9 Millionen Standardcontainer (TEU) hat Hapag-Lloyd von Januar bis Oktober auf den 252 Frachtschiffen transportiert. Das sind nur 7000 Boxen mehr als im Vorjahreszeitraum. Und obgleich die Transportmenge annähernd gleich geblieben ist und sich die Transportkosten aufgrund gestiegener Treibstoffpreise sogar erhöhten, stieg das Konzernergebnis im Neun-Monats-Vergleich der beiden Jahre um 8,2 Milliarden Euro.

Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) legte um 8,8 Milliarden Euro auf 15,6 Milliarden Euro zu. Ihren Umsatz erhöhte die Reederei um 11,7 Milliarden Euro auf mehr als 26,7 Milliarden Euro. Der Aktienkurs bewegte sich am Donnerstag dennoch kaum. Das Papier kostete am Nachmittag rund 170 Euro.

Gut für Hapag-Lloyd: Knapper Schiffsraum

Ein Grund für den hohen Gewinn war laut Reederei zum einen die derzeitige Dollarstärke. Die entscheidende Rolle spielte aber, dass die Frachtraten – also die Transportpreise – gegenüber dem Vorjahr noch einmal exorbitant zugelegt haben. So verlangte die Reederei im Durchschnitt 2938 Dollar (2953 Euro) für den Transport eines Standardcontainers. Zwischen Januar und Oktober 2021 lag die Frachtrate noch bei 1818 Dollar (1827 Euro) pro transportierter Box.

Ursache der hohen Frachtraten seien die immer noch vorhandenen Störungen der weltweiten Lieferketten, die zu längeren Umlaufzeiten für Schiffe und Container führten, so Hapag-Lloyd. Anders gesagt: der zur Verfügung stehende Schiffsraum ist extrem knapp. Und da die Transportnachfrage höher ist als das Angebot, steigen die Preise.

Habben Jansen: Lieferketten werden sich normalisieren

Das werde sich jetzt aber ändern, sagt Habben Jansen. So seien die Frachtraten am Spotmarkt für Transporte aus China seit August deutlich gesunken, zum einen aufgrund einer geringeren Nachfrage zum anderen wegen eines Rückgangs der Schiffsstaus vor den Häfen. Die Einnahmen würden sinken. Der Vorstandschef erwartet eine harte Landung: „Das ist wie ein Sprung aus zehn Metern Höhe ins Wasser. Anfangs taucht man unter, aber die Chancen sind gut, dass man wieder hoch kommt.“

Trotz der Entspannung bei den Transportpreisen bleibt Habben Jansen bei seiner Prognose für das Gesamtjahr: Für 2022 rechnet er weiterhin mit einem Ebitda in der Bandbreite von 18,2 bis 20,1 Milliarden Euro und einem Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) in der Bandbreite von 16,3 bis 18,2 Milliarden Euro. Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und noch nicht vollends gelöster Lieferkettenproblemen bleibe die Prognose jedoch mit Unsicherheiten behaftet. „In den kommenden Monaten sollte sich die angespannte Situation in den globalen Lieferketten weiter normalisieren“, so Habben Jansen.

Hapag-Lloyd: Chef will nicht an chinesische Häfen

Der Vorstandschef will auf Einkaufstour gehen und weitere Beteiligungen an Hafenterminals erwerben. Wo, will er nicht verraten. Allerdings nicht in China. „Dort sind die Hürden für europäische Investoren deutlich höher als umgekehrt“, sagt er mit Blick auf die Beteiligung der chinesischen Reederei Cosco am HHLA-Terminal Tollerort im Hamburger Hafen.