Die Stadt darf sich auf einen warmen Regen freuen – das liegt aber auch daran, dass Reedereien kaum Steuern zahlen.

Hamburg ist ein Dorf: Ständig trifft man dieselben Personen, wenn auch mitunter in verschiedenen Rollen. In dieser Woche bestimmten Olaf Scholz, Peter Tschentscher, Wolfgang Peiner und Klaus Michael Kühne die Schlagzeilen. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte weitere Entlastungen für die Bürger an, Bürgermeister Peter Tschentscher würdigte Uwe Seeler bei einer bewegenden Trauerfeier im Volksparkstadion als „Legende des Fußballs“.

Der frühere Finanzsenator Wolfgang Peiner stellte im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss klar, dass früher der „heilige Grundsatz“ gegolten habe, „dass sich Bürgermeister und Finanzsenatoren nicht mit einzelnen Steuerfällen befassen“. Und Klaus Michael Kühne läutete den Showdown in der Machtprobe beim HSV ein.

Hapag-Lloyd: Die Stadt, Warburg und Kühne stiegen bei der Reederei ein

Was alle verbindet, stand im Kleingedruckten der Wirtschaftsteile: Hapag-Lloyd. 2008 schmiedete Peiner das Konsortium Albert Ballin, um die Reederei vom Ballindamm vor dem Verkauf nach Singapur zu retten. Mit dabei waren die Stadt mit dem schwarz-grünen Senat, das Bankhaus Warburg und Klaus Michael Kühne. Im März 2012 entschieden sich Scholz und Tschentscher für einen weiteren Anteilskauf. Es wurde ein glänzendes Geschäft, der Wert des Unternehmens hat sich seitdem vervielfacht. 2012 ging Hapag-Lloyd an die Börse, damals kostete das Papier 20 Euro, heute rund 300 Euro.

Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr: Am Donnerstag vermeldete Hapag-Lloyd einen Gewinn vor Zinsen und Steuern von 9,1 Milliarden Euro – wohlgemerkt nur im ersten Halbjahr. Im ganzen Jahr sollen es bis zu 18,2 Milliarden Euro werden. Kein anderes deutsches Unternehmen dürfte im laufenden Jahr so viel Geld verdienen. Und kaum ein Unternehmen so wenig Steuern zahlen.

Hapag-Lloyd machte 2022 schon 17 Milliarden Euro Umsatz

Der Umsatz der Reederei lag im ersten Halbjahr bei knapp 17 Milliarden Euro, das Konzernergebnis bei 8,7 Milliarden Euro. Solche Renditen hätte man vor weniger Jahren in volkswirtschaftlichen Seminaren noch ins Reich der Fabel verwiesen. Selbst im Glücksspiel lässt sich derzeit kaum so viel Geld verdienen wie mit dem Verschiffen von Containern.

Das darf man dem Unternehmen nicht vorwerfen: Es war die Pandemie, die Lieferketten reißen ließ, Krisen wie die Havarie der „Ever Given“ im Suezkanal kamen ebenso wie ein schwarzer Schwan angeflattert wie die verrückte Zero-Covid-Politik der chinesischen Regierung – über Wochen standen ganze Häfen still. Ein anderer Teil der Wahrheit ist, dass der Wettbewerb in der Containerschifffahrt nicht richtig funktioniert – mit dem Segen der EU hat sich ein lukratives Oligopol herausgebildet, weil sich die Reedereien zu drei großen Allianzen zusammenschließen durften.

Die Steuerquote für Reedereien liegt nahe Null

Aber es kommt noch besser: Die Branche, die über Jahre darbte und zwischenzeitlich gigantische Verluste anhäufte, wurde von der Politik über alle Maßen privilegiert. 1998 führte die Bundesregierung die Tonnagegewinnermittlung ein, um den Schifffahrtstandort Deutschland zu stärken und das Ausflaggen zu verhindern. Im Klartext: Die Steuerquote liegt nahe Null, weil für Reedereien nur eine niedrige Pauschalsteuer greift, die sich an der Größe der Tonnage, nicht am Ergebnis bemisst.

So hat Hapag-Lloyd 2021 nur 61 Millionen Euro Steuern bezahlt. Dafür schüttet das Unternehmen Milliarden aus. Klaus Michael Kühne durfte sich wie der chilenische Großeigner CSAV im Juni über eine Dividende von jeweils 1,845 Milliarden Euro freuen. Davon könnte man nicht nur den HSV kaufen, sondern die ganze Liga.

Nicht nur Unternehmen, auch die Stadt hat in der Krise Profit gemacht

Angesichts der krassen Zahlen mutet seltsam an, dass sich die Politik eifrig mit einer Übergewinnsteuer befasst, sich aber an die Tonnagesteuer nicht herantraut. Wie sagte Peter Tschentscher kürzlich: Die Diskussion über eine Übergewinnsteuer mache deutlich, „dass wir uns als Staat, als Gesellschaft das nicht bieten lassen wollen, dass mit Notsituationen in einer Krise Profit gemacht wird.“ Klingt gut, aber Profit gemacht hat eben auch die Hansestadt: Sie bekam im Mai per Hapag-Dividende rund 860 Millionen Euro überwiesen. Im kommenden Jahr dürfte es mehr als eine Milliarde Euro werden.

Es gibt noch eine Denksportaufgabe für die Politik: Die Übergewinne werden nicht ewig sprudeln, es könnte an der Zeit sein, die Beteiligung von 24,4 Millionen Aktien zu reduzieren. Am Donnerstag hat es ein Hapag-Vorstand vorgemacht – er verkaufte 1000 Papiere und erlöste 333.930 Euro.