Hamburg. Zukunft der Kaufhäuser ist ungewiss. So reagieren Hamburger auf die möglichen Schließungen mehrerer Galeria-Häuser.
Nachmittags auf der Wandsbeker Marktstraße. Während sich einige Männer auf dem „Wandsbeker Winterzauber“ bereits mit Mandeln und Glühwein in Weihnachtsstimmung bringen und sich um hölzerne Stehtische gruppieren, scheinen fröhliche Weihnachten auf der gegenüberliegenden Straßenseite gerade sehr weit weg.
Viele Menschen sind es nicht, die aus dem in die Jahre gekommenen 1970er-Jahre-Bau herauskommen, in dem sich eines der noch fünf verbliebenen Hamburger Häuser von Galeria Karstadt Kaufhof befindet. Ein Glasvorbau mit einst silbernem, nun doch eher dunkelgrauem Karstadt-Schriftzug steht sinnbildlich für die Situation, in der sich die Kaufhauskette aktuell befindet: Kurz vor dem Ende, oder doch noch zu retten?
Wie berichtet, will Galeria Karstadt Kaufhof im Zuge eines selbst beantragten Insolvenzverfahrens mehr als 40 der derzeit bundesweit noch 131 Standorte schließen. Eine Analyse der „Immobilienzeitung“ gibt lediglich dem Haus in der Mönckebergstraße gute Chancen, die Schließungswelle zu überstehen. Doch was macht das mit den Hamburgerinnen und Hamburgern?
Hamburger Karstadt-Kunden: Zwischen Solidarität und Resignation
„Mein Gefühl zu Karstadt? Tja, da gibt’s kein Gefühl mehr“, sagt ein Mann mittleren Alters auf die Frage, mit welchen Gedanken er das Kaufhaus gerade verlasse. Schnell geht er die Treppe zum U-Bahneingang „Wandsbeker Markt“ herunter. Auch die meisten anderen Kunden schütteln den Kopf und wollen sich nicht dazu äußern, was eine potenzielle Standortschließung in Wandsbek für sie bedeuten würde. Viele scheinen allerdings bereits mit ihr zu rechnen.
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Welche Häuser genau von der Schließung betroffen sind, stehe heute allerdings noch gar nicht fest, wie ein Sprecher der Warenhauskette dem Abendblatt sagt. Für die Hamburger Standorte (Mönckebergstraße, Eimsbüttel, Wandsbek, Harburg und Alstertal-Einkaufszentrum) gehe das Unternehmen Galeria Karstadt Kaufhof „zeitnah in Gespräche mit den Vermietern“, heißt es. „Hier geht es neben der Miete selbst auch um weitere Fragen wie etwa die Flächennutzung, energetische Sanierungen, Modernisierungs- und Baumaßnahmen.“
Ob ein Standort erhalten bleiben könne, werde „stark von diesen Gesprächen abhängig sein“, so Sprecher Patrick Hacker. Zu dem Angebot des Onlinehändlers buero.de, der sein Interesse an der Übernahme von 47 kleineren Galeria-Standorten mit knapp 6000 Mitarbeitern signalisiert hat, will der Konzern noch keine konkrete Stellungnahme abgeben.
Mit der Kaufhauskette "groß geworden"
Doch zurück nach Wandsbek. Brigitte Flügge fände es „echt schade“, sollte es dieses Karstadt-Haus nicht mehr geben. Die 80-jährige ehemalige OP-Schwester geht „einfach schon immer zu Karstadt“ und hat auch ihr gesamtes Leben „immer in der Nähe eines Karstadt-Hauses gewohnt“. Ähnlich wie Rolf-Peter Bohn, der sich gerne an die „super Feinkostabteilung“ hier in Wandsbek erinnert. Fisch und leckeren Wein habe es im Untergeschoss des Kaufhauses gegeben. Doch auch wenn es die Lebensmittelabteilung bereits seit längerem nicht mehr gibt, „bekommt man hier fast alles“, sagt der 66-jährige Eilbeker, der mit der Kaufhauskette quasi „groß geworden“ ist.
Deshalb fände auch er es „echt schade“, wenn dieses Mal wirklich zu einer Schließung des Hauses käme. Womit Bohn auf die angedachte Schließung des Hauses im Oktober 2020 anspielt. Nur durch eine kurzfristige Einigung zwischen Vermieter und Warenhauskonzern konnte man sich in Wandsbek noch auf eine Übergangszeit verständigen. Sollte das Haus nicht bereits vorher schon schließen, endet der Vertrag mit reduziertem Mietpreis ohnehin am 30. April 2024. „Am meisten tut es mir für die älteren Leute leid“, sagt Bohn. Im Gegensatz zu ihm, dem es nicht schwerfalle, auf das Haus in der Mönckebergstraße auszuweichen, sei es für Personen, die nur eingeschränkt mobil seien „schließlich nicht so einfach.“
Kaum noch Bekleidungsgeschäfte in Wandsbek
Genau das beklagt auch Hanne. Die 80-jährige Hamburgerin, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, fände eine Schließung dramatisch. „Wenn das Haus hier schließen sollte und sich kein anderer Kaufhausbetreiber findet, verkommt Wandsbek zu einer Art Essensmeile.“ Ohnehin gebe es bereits kaum noch Bekleidungsgeschäfte in dem Bezirk.
Ähnlich betrübt wären auch viele Stammkunden in Eimsbüttel. In dem Haus an der Osterstraße herrschte am vergangenen Sonnabend reges Treiben. Schaute man auf die langen Schlangen an den Kassen, gewinnt man nicht den Eindruck, dass das Haus wirtschaftlich schlecht dasteht. Auch am vergangenen Montagmorgen ist das Haus keinesfalls leer, was unter anderem an den Kunden liegen mag, die das Haus ganz bewusst aus Solidarität aufsuchen.
So wie eine ältere Frau mit blonder Kurzhaarfrisur und roter Jacke, die mit einer großen Papiertüte aus dem Haus auf der Osterstraße herauskommt. „Ich wohne seit 1945 in Eimsbüttel und gehe schon seit ich denken kann hier hin.“ Zwar hätten Beratung und Kenntnisse der Mitarbeiter über Produkte nachgelassen. Doch die 77-Jährige hält dem Haus die Treue.
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Ebenso eine andere Frau, die schnellen Schrittes auf das Kaufhaus zugeht. Was sie kaufen wolle? Das habe die Hamburgerin sich bereits vorher im Internet angeschaut. „Wenn irgendwie möglich, versuche ich meine Einkäufe hier zu tätigen. Das gibt mir mehr Sicherheit, als die Sachen online zu kaufen.“ Auch wenn ihr bewusst sei, dass manche Produkte im Geschäft teurer als online sind. Eine Frau mit braunem Pagenschnitt hingegen betont: „Für mich macht es ehrlich gesagt keinen großen Unterschied. Hier gibt es nichts, was ich nicht auch online bekommen kann.“
Ein ganz anderes Bild bietet sich derweil in der Kaufhof-Filiale im Alstertal-Einkaufszentrum. Neben ungefliesten Böden stehen hier Warencontainer und leere Regale zwischen Porzellan und Teddybären. Im Rahmen der sogenannten 2.0 -Strategie, mit der bundesweit bereits mehrere Häuser „auf die lokalen Bedürfnisse der Kunden“ angepasst wurden, steht auch hier eine Neueröffnung an.
Diese sei bereits vor der Pandemie geplant gewesen, doch durch die Lockdowns verzögert worden, wie Konzernsprecher Hacker sagt. Die Häuser jedoch, die bereits eine Veränderung durchlaufen haben, wie etwa in Kassel und Kleve liefen laut Galeria-Chef Miguel Müllenbach „sehr gut“ und „besser als einige Wettbewerber ähnlicher Größe“. Ob die Neueröffnung nun Hoffnung für das Haus im Alstertal bedeutet? Galeria äußerte sich dazu nicht.