Hamburg. Erneutes Bangen um Hamburger Filialen: Der Warenhaus-Konzern will bundesweit dutzende Standorte schließen. Mitarbeitende sind besorgt.
Gut zwei Jahre nach einem massiven Stellenabbau und der Schließung von bundesweit Dutzenden Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof müssen die noch etwa 660 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Warenhauskonzerns in Hamburg erneut um ihre Arbeitsplätze fürchten. Im Zuge des Anfang der Woche von dem Unternehmen beantragten erneuten Insolvenzverfahrens in Eigenregie sollen mehr als 40 der derzeit bundesweit noch 131 Standorte geschlossen und Tausende Arbeitsplätze gestrichen werden.
Lattekamp: „Es ist ein schwarzer Tag für die Beschäftigten"
Unternehmenschef Miguel Müllenbach sagte der „FAZ“, das Filialnetz müsse „um mindestens ein Drittel reduziert werden“. Betriebsbedingte Kündigungen seien unvermeidbar. Der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz kündigte am Dienstag ebenfalls harte Einschnitte an. Nur ein harter Kern der Kaufhäuser werde übrig bleiben, sagte Geiwitz dem WDR. Welche Standorte bestehen bleiben, welche geschlossen werden sollen, das werde in spätestens drei Monaten feststehen.
„Es ist ein schwarzer Tag für die Beschäftigten. Bei ihnen herrschen Wut, Trauer und Zukunftsangst“, sagt Heike Lattekamp, die Leiterin des Fachbereichs Handel bei der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg, über die Gefühlslage der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der aktuell fünf Karstadt-Häuser in der Hansestadt (Mönckebergstraße, Eimsbüttel, Wandsbek, Harburg sowie im Alstertal-Einkaufszentrum) nach der Ankündigung aus der Unternehmenszentrale in Essen.
„Die Enttäuschung ist groß.“ Nach der harten Sanierungsrunde im Jahr 2020 hätten die verbliebenen Beschäftigten dem Arbeitgeber viele Zugeständnisse gemacht und große Zuversicht auf eine bessere Zukunft des Unternehmens gehabt.
Filiale an der Mönckebergstraße wohl nicht betroffen
Im Karstadt-Haus an der Mö halten sich Befürchtungen und Optimismus am Tag danach die Waage. „Wir werden nicht schließen“, sagt ein Verkäufer in der Haushaltswarenabteilung mit großer Überzeugung. „Wir sind ja rentabel.“ Kleinere Häuser könnten betroffen sein, aber notfalls helfe bei Standorten in Schwierigkeiten, die so wichtig für die City sind, auch die Stadt, ist der Angestellte überzeugt.
Eine Kundin in der Bademodenabteilung ist dagegen durchaus besorgt. „Gar nicht auszudenken, wenn das Haus hier schließen würde, schließlich ist es doch ‚das‘ Karstadt in Hamburg“, sagt sie. Für die Kunden würde eine Schließung des Kaufhauses jedenfalls eine enorme Einschränkung bedeuten. „Dann müsste man ja in jedes einzelne Geschäft“, sagt die Frau und deutet hinaus auf die Läden an der Mönckebergstraße. „Hier ist alles unter einem Dach, so große Auswahl, so viele Marken.“
Karstadt-Häuser in Harburg und Wandsbek in Gefahr
Auch wenn nach Angaben des Insolvenzverwalters noch nicht feststeht, welche Standorte im neuerlichen Schutzschirmverfahren zur Disposition stehen, dürften auch Karstadt-Häuser in Hamburg dazugehören. In den beiden vergangenen Jahren waren bereits die Filiale in Bergedorf, das Warenhaus Kaufhof an der Mönckebergstraße sowie der gegenüberliegende Standort von Karstadt Sports geschlossen worden. Annähernd 400 Beschäftigte des Unternehmens in der Hansestadt verloren ihren Arbeitsplatz. Die Filiale von Karstadt Sports im Harburger Phoenix-Center firmiert inzwischen unter der Marke SportScheck.
Schon 2020 gab es aber auch große Sorge um den Fortbestand des Karstadt-Hauses in Harburg. Die Filialen im AEZ sowie in Wandsbek standen sogar auf einer von Unternehmen veröffentlichten Liste derjenigen Standorte, die geschlossen werden sollten. Während die Filiale in AEZ recht schnell gerettet werden konnte, lief in Wandsbek im Herbst des vorvergangenen Jahres bereits der Räumungsausverkauf, Schilder mit der Aufschrift „Wir schließen!“ hingen in den Schaufenstern.
Die Rettung für Karstadt Wandsbek kam überraschend, und erst wenige Wochen vor dem bereits feststehenden Schließungstermin Mitte Oktober 2020. Der Vermieter und der Warenhauskonzern hatten sich doch noch auf eine Mietreduzierung für das Gebäude verständigt. Allerdings nur für eine Übergangszeit. Der Vertrag mit dem reduzierten Mietpreis hat eine Laufzeit von dreieinhalb Jahren und endet am 30. April 2024.
Müllenbach: Viele Filialen in Deutschland nicht mehr rentabel
Im ersten Corona-Jahr hatte die Hoffnung bestanden, das Warenhausunternehmen werde nach der Schließung von gut 40 Standorten, dem Abbau von etwa 4000 Arbeitsplätzen und der Streichung von mehr als zwei Milliarden Euro Schulden wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen. Es begann ein Umbau der verbliebenen Standorte.
Doch die Hoffnung auf bessere Zeiten erfüllte sich nicht: In einem Brief an die bundesweit etwa 17.000 Beschäftigten schrieb Galeria-Chef Müllenbach jetzt, das Unternehmen müsse sich von jenen Filialen trennen, die angesichts der Konsumflaute, der Inflation und der Energiekosten „auf absehbare Zeit nicht mehr profitabel zu betreiben sind“. Nur so lasse sich ein endgültiges Scheitern des Unternehmens verhindern.
Galeria hatte vor dem Gang zum Insolvenzgericht noch mit der Bundesregierung über weitere Finanzhilfen – über die seit 2020 bereits erhaltenen 680 Millionen Euro hinaus – verhandelt. Doch sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass dies kein gangbarer Weg sei, so Müllenbach. „Dauerhafte staatliche Darlehen können hier nicht die Lösung sein, sondern es bedarf eines klaren Schnitts hin zu wirtschaftlich tragfähigen Strukturen.“
Verdi fordert vom Eigentümer mehr Engagement
Die Gewerkschaft Ver.di kündigte an, um die Arbeitsplätze bei Deutschlands letzter großer Warenhauskette zu kämpfen. „Für uns geht es jetzt darum, möglichst jeden Arbeitsplatz zu erhalten“, sagte Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Sie forderte ein größeres Engagement des Galeria-Eigentümers, des österreichischen Immobilienmilliardärs René Benko, zur Rettung des Unternehmens.
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„Unsere Kolleginnen und Kollegen in den 131 Warenhäusern fragen sich, wo der Eigentümer ist in dieser existenziell höchst bedrohlichen Situation für die Beschäftigten und ihre Familien.“ Es müsse jetzt zusätzliches Geld ins Unternehmen. Der Deutsche Städtetag plädierte für den Erhalt möglichst vieler Standorte und Arbeitsplätze. „Wir würden es sehr bedauern, wenn weitere Kaufhäuser schließen“, so Städtetagspräsident Markus Lewe.
Karstadt: Nur wenige Filialen überlebensfähig?
Handels- und Immobilienexperten aber glauben, dass nur eine überschaubare Anzahl von Standorten eine langfristige Überlebensperspektive hat. „Das Warenhaus hat eine Daseinsberechtigung, aber es benötigt ein großes Einzugsgebiet. Darum ist nur Platz für 50 bis 60 Filialen in Deutschland, nicht für alle 131 Galeria-Kaufhäuser“, sagt etwa Jörg Funder von der Hochschule Worms.
Und laut einer Analyse der „Immobilienzeitung“ hat nur eins der fünf Hamburger Karstadt-Häuser sehr gute Aussichten, eine Schließungswelle zu überstehen – das an der Mönckebergstraße.