Norderstedt. Passage neben Einkaufszentrum hat schon Rusta und Tedi – jetzt kommt Woolworth. Zu viel Billigware oder Kundenmagneten?
- Woolworth eröffnet Mitte 2023 eine Filiale auf der ehemaligen Karstadt-Fläche neben Rusta und bietet ein Sortiment von 8000 Artikeln an
- Der schwedische Non-Food-Discounter Rusta eröffnete nebenan vor einem Jahr und ist „super zufrieden“ mit den Umsätzen in Norderstedt
- Reaktion der Norderstedter ist geteilt: Viele begrüßen die günstigen Geschäfte, andere vermissen mehr Qualität im Sortiment
Nachdem das Karstadt-Warenhaus die De-Gasperi-Passage am Herold-Center in Norderstedt verließ, war das eine große Zäsur für die Ladenpassage. Nun scheint sie sich zu einer Discounter-Meile zu entwickeln: Woolworth will 2023 eine Filiale im ehemaligen Karstadt-Sporthaus eröffnen. Und gesellt sich damit zum schwedischen Non-Food-Discounter Rusta und dem Billig-Artikel-Anbieter Tedi.
Woolworth will 8000 verschiedene Artikel auf 930 Quadratmetern anbieten. „Wir freuen uns über den Abschluss des Mietvertrags mit einem attraktiven Händler, der unseren Branchen- und Mietermix ideal ergänzt“, sagt ein Sprecher des Unternehmens MEC METRO-ECE Centermanagement (MEC), das die De-Gasperi-Passage betreut.
Woolworth: Karstadt weg – dafür Discounter-Meile am Herold-Center
„Wir siedeln uns gern dort an, wo es schon kundenstarke Nachbarn gibt“, sagt Roland Rissel, Sprecher von Woolworth. Mit Saturn oder eben Rusta gibt es Nachbarn, auf die das Kriterium zutrifft. Das 1879 in den USA gegründete Unternehmen steuert auf Expansionskurs, betreibt in Deutschland mehr als 530 Filialen und will die Zahl mittelfristig auf 1000 fast verdoppeln.
Ein Ziel, das erstaunt, kommt doch der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof nicht aus der wirtschaftlichen Schieflage heraus und sucht erneut Rettung in einem Schutzschirm-Insolvenzverfahren. Das klassische Kaufhauskonzept gilt als gescheitert.
Woolworth: Breitgefächertes Angebot für den alltäglichen Bedarf
Wir verfolgen eine ganz andere Strategie als der Warenhauskonzern und brauchen keine zwei oder drei Etagen, um unser Sortiment anzubieten“, sagt Woolworth-Sprecher Rissel. Deutlich kleinere Verkaufsflächen zwischen 500 und 2000 Quadratmetern seien ein Pluspunkt.
Hinzu komme ein breitgefächertes Angebot mit mehr als 8000 Artikeln, das „alles für den Alltag“ enthalte: Heimtextilien, Haushaltsartikel, Mode für Damen, Herren und Kinder, Deko- und Drogerieartikel, Schreib- und Kurzwaren, Geschenkartikel.
Unternehmen verzichtet auf Zwischenhändler und setzt auf Eigenmarken
„Wir bedienen eine breit aufgestellte Zielgruppe, dazu zählen Auszubildende und Studierende ebenso wie Familien und Rentner und Rentnerinnen“, sagt Rissel und fügt hinzu: „Gute Qualität zu niedrigen Preisen – das ist das, was unsere Kundinnen und Kunden sehr schätzen.“
Das Sortiment günstig in den Verkauf bringen zu können, sei möglich, weil es keine Zwischenhändler gebe und Woolworth weitgehend auf Markenwaren verzichte, stattdessen Eigenmarken anbiete.
Rückkehr: Bis 1998 gab es Woolworth am Schmuggelstieg in Norderstedt
Neu ist zwar der geplante Standort in der De-Gasperi-Passage, doch eine Premiere in Norderstedt ist das nicht. Bis 1998 gab es Woolworth am Schmuggelstieg. 2009 meldete die Kette Insolvenz an, 2010 folgte der Neustart. Das Konzept des Discounters scheint aufzugehen: „Wir wachsen so schnell wie keine andere Filialkette in Deutschland“, sagt der Unternehmenssprecher.
Tatsächlich schießen die Filialen wie Pilze aus dem Boden: in Pinneberg, Ahrensburg, Schwarzenbek und Bergedorf hat Woolworth in den letzten Jahren Verkaufsstellen eröffnet. Auch in Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen gibt es den Discounter, der in Schleswig-Holstein mehr als 20 Mal vertreten ist.
Reaktion der Norderstedter: Geteilte Meinung zu den Discountern
Wenn einer sich in der De-Gasperi-Passage auskennt, dann ist es Diego Bortolazzo. Er führt das Eiscafé Venezia in der Passage schon seit 35 Jahren. „Früher war es besser. Die Geschäfte hatten noch bis 20 Uhr geöffnet. Es waren mehr Leute da“, sagt Bortolazzo. Doch seit der Corona-Pandemie kämen weniger Leute ins Einkaufszentrum und es ginge erst langsam wieder zur Normalität zurück.
Außerdem würden die Kunden weniger und günstiger kaufen: „Die Leute müssen auf das Geld achten, auf jeden Cent gucken. Die Strom- und Gaspreise steigen. Alles ist teurer geworden.“ Bortolazzo sieht den Einzug der Kette Woolworth da als eine geeignete Ergänzung: „Tedi, Rusta oder Woolworth sind alles unterschiedliche Läden mit eigenen Konzepten und Produkten und stehen daher nicht in direkter Konkurrenz.“
Trotzdem sei der Verlust von Karstadt für einige Kunden bedeutsam: „Sie beschweren sich, dass es Karstadt nicht mehr gibt. Für die Leute war Karstadt ein Treffpunkt. Es war vielseitig. Und man konnte gut Geschenke einkaufen“, sagt Bortolazzo.
Facebook: Manche freuen sich auf die günstigen Waren
Auf Facebook wurde über den Abendblatt-Artikel zur Woolworth-Eröffnung heißt diskutiert – mit geteilten Meinungen. „Bisher kenne ich nur einen Woolworth, der aufgeräumt und strukturiert ist. Der ist in Eutin. Alle anderen sind sehr schnell nach der Eröffnung verramscht, zugestellt und nicht kundenfreundlich geführt. Bestes Beispiel ist der in Kaltenkirchen. Zur Eröffnung toll – mittlerweile ein Ramschladen“, urteilt eine Norderstedterin.
Andere sehen Woolworth sehr positiv: „Warum glauben immer alle, dass niemand günstige Läden mag und sich jeder nur teure Sachen kaufen und leisten kann?“, fragt ein Norderstedter. „Ich hätte sofort für Woolworth in der Passage gestimmt.“ Eine Frau pflichtet ihm bei: „Gerade für Senioren mit wenig Rente ist der Laden toll. Für die gibt es im Herold-Center ja nun gar nichts.“
„Gerade für Senioren mit kleiner Rente ist Woolworth toll“
Schließlich meint ein Mann: „Wir sollten doch alle froh sein, dass ein Unternehmen da einzieht. Es gibt genug freie Flächen, die das Centermanagement nicht vermietet bekommt. Wir Kunden können leider keine Ansprüche in dieser Zeit stellen!“
Günstige Angebote scheinen Erfolg versprechende Verkaufskonzepte für Einkaufspassagen zu sein, wenn die Menschen angesichts hoher Inflation und explodierender Energiepreise sehr genau darauf achten, wofür sie ihr Geld ausgeben.
Rusta sieht sich nicht als „ramschig, eher an Ikea orientiert“, wirbt aber mit niedrigen Preisen und Sonderposten. Gleich gegenüber bietet Tedi seine Produkte an, zu „fairen Preisen bei guter Qualität“.
Schwedischer Discounter: Rusta ist mit dem Geschäft „sehr zufrieden“
Günstig sei gut, sagt Christof Sauck, deutscher Geschäftsführer von Rusta. „Aber die Qualität muss trotzdem stimmen“ Er ist ein Jahr nach der Eröffnung „super zufrieden“ mit der Kundenakzeptanz. Der Discounter sei vom ersten Tag an „fast überrannt“ worden. Sauck begrüßt es ausdrücklich, dass Woolworth neuer Nachbar wird. Es gebe nur wenig Überschneidung im Sortiment und: „Je größer das Angebot, desto höher die Kundenfrequenz.“
Norderstedt: Woolworth wird wohl im zweiten Quartal 2023 am Herold-Center eröffnen
Auch der Manager des Herold-Centers steht Woolworth positiv gegenüber: „Als Nachbar der De-Gasperi-Passage freue ich mich natürlich über weitere Geschäfte. Sie sorgen für eine höhere Kundenfrequenz und davon profitiert der gesamte Standort Garstedt“, sagt Agâh Schaumburg.
Der Bauantrag für den Ausbau der Woolworth-Fläche sei schon eingereicht, teilt die Betreibergesellschaft der De-Gasperi-Passage, die MEC, mit. Die Eröffnung sei für das zweite Quartal 2023 geplant. Zehn bis 15 Beschäftigte werden dort ihre Arbeitsplätze haben. Nach dem Einzug des Discounters gibt es noch freie Flächen im ehemaligen Karstadt-Gebäude.
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Die MEC wolle noch zwei Fachmarktflächen vermieten, zu denen aktuell Gespräche mit potenziellen Mietern geführt würden. „Unser Ziel ist es, die Einkaufslandschaft in Norderstedt auch in Zukunft mit passgenauen Angeboten mitzugestalten und damit für alle Besucher attraktiv zu halten“, sagt ein MEC-Sprecher.