Bergedorf. Für ihre Masterarbeit haben zwei Architektur-Studentinnen die Bergedorfer Innenstadt genau analysiert und einen Neubau entworfen.

Sechs Monate lang haben Corinna Bonow und Sophia Matischok Bergedorfs Zentrum rund um die beiden alten Karstadt-Häuser im vergangenen Frühjahr und Sommer unter die Lupe genommen. Die beiden Architektur-Studentinnen der Hafen City-Universität schauten auf die Attraktivität der Geschäfte und die genauen Wege, die die Kunden durch das Sachsentor nehmen. Aber auch auf die Analysen der Bergedorfer Bevölkerungsstruktur vom Einkommen über den Bildungsstandard und die Herkunft bis hin zur lokalen Vernetzung, also zu ihrer Heimatliebe.

Bergedorfs City inklusive Fußgängerzone Sachsentor bietet Raum für neue Ideen

Das Ergebnis: Bergedorfs City hat großes Zukunftspotenzial als gewachsenes Zentrum und Identifikationspunkt für alteingesessene, wie auch die vielen neu zugezogenen Bergedorfer. Und sie bietet Raum für neue Ideen – in ihren zahlreichen, bisher aber oft schlecht oder gar nicht genutzten Hinterhöfen ebenso wie auf den alten Karstadt-Flächen: „Bergedorfs Innenstadt hat eine sehr eigene Struktur und damit genau das Unverwechselbare, was die Menschen lieben. Trotzdem kann diese City neue Impulse sehr gut gebrauchen“, fasst Sophia Matischok (29) die Analyse zusammen, die die Grundlage der gerade fertiggestellten gemeinsamen Bachelor-Arbeit mit Corinna Bonow (25) bildet.

Die Ahrensburgerin Matischok und die Lüneburgerin Bonow haben unter dem Titel „Wohnen am Sachsentor“ die beiden alten Kaufhaus-Flächen und das 2024/25 abzureißende Parkhaus an der Bergedorfer Schlossstraße ins Visier genommen. In ihrer jetzt vorgestellten Arbeit entwerfen sie für alle drei Standorte Nachfolgebauten, die „architektonisch wie inhaltlich neue Impulse setzen, ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen“.

Offizielle Wettbewerbsverfahren des Bezirksamts laufen noch

Damit haben sie einen entscheidenden Vorsprung vor den vom Bezirksamt ausgeschriebenen Wettbewerben. Sowohl das Werkstattverfahren für den Neubau des gerade abgerissenen kleinen Karstadt-Hauses, als auch die städtebauliche Perspektive für die große Kaufhaus-Immobilie samt dahinter liegendem Parkhaus sind noch nicht abgeschlossen. Erst von der kommenden Woche an werden die insgesamt 16 beteiligten Büros ihre Entwürfe im CCB präsentieren: Am 11. und 12. November zunächst für die Kaufhaus-Parkhaus-Kombination. Und am 25./26. November dann für die Baugrube am Bergedorfer Markt, wo einst das kleine Karstadt-Haus stand. Wer den Zuschlag erhält, entscheidet eine Fachjury jeweils wenige Tage später.

Diesen Experten müssen sich die beiden Studentinnen nicht stellen. Dafür haben sie aber schon ihre Prüfer Prof. Dr. Bernd Dahlgrün und Atillar Cinar von der Hafen City-Universität überzeugt: „Eine Arbeit, die dank ihrer umfangreichen siedlungssoziologische Studie sogar weit über einen städtebaulichen Wettbewerb hinaus geht und sehr gute Vorschläge präsentiert“, lobt Cinar.

Neubauten fügen sich in historische Sachsentor-Bebauung

Konkret empfehlen die angehenden Architektinnen für beide Kaufhausgrundstücke attraktive Fassaden, die zum Sachsentor und zum Bergedorfer Markt die Kleinteiligkeit der sie umgebenden historischen Architektur aufzunehmen. Die grundsätzlich als Holzkonstruktionen entworfenen drei- bis vierstöckigen Gebäude sollen dabei wie mehrere nebeneinander stehende Häuser mit Spitzdächern wirken und durch unterschiedlich gestaltete Holzfassaden einen eigenen Charakter bekommen. Das Erdgeschoss ist Einzelhandel, Gastronomie und anderen öffentlichen Nutzungen vorbehalten. Darüber wird gewohnt, wobei ein begrünter Innenhof im ersten Stock den Mietern vorbehalten ist.

Nach hinten schließt sich zur Bergedorfer Schlossstraße sowie zu Hinterm Graben jeweils ein durchgehender, ebenfalls maximal vier Etagen hoher Gebäuderiegel die beiden Neubauten ab. Viele der Dächer werden begrünt. Im Keller liegt jeweils eine Tiefgarage mit einem Mix aus Dauerstellplätzen für die Bewohner und Kurzzeit-Parkplätzen für Besucher des Sachsentors.

Kulturzentrum im Nachfolger des Parkhauses

Ganz ähnlich stellen sich Sophia Matischok und Corinna Bonow den Neubau auf dem heutigen Parkhaus-Gelände vor. Statt Geschäften sehen sie hier im Erdgeschoss allerdings ebenfalls Wohnungen und eine große Begegnungsstätte wie etwa ein Kulturzentrum. Das soll auch Zugang zum deutlich erweiterten Hinterhof haben: „Die Nachbarn nutzen diese Fläche heute schon intensiv, indem sie von Balkon zu Balkon plaudern oder im Garten aktiv sind“, habe die beiden beobachtet. Das können sie sich auch für die Bewohner des Neubaus vorstellen, weshalb der rund ein Viertel weniger Grundfläche bekommt, die dann dem Hinterhof als Erweiterung zugeschlagen wird.

Besonderheit im Zusammenspiel mit dem nördlich angrenzenden Schlosspark: Er soll mit viel Grün in die Stadt hineingezogen werden, indem auf den heutigen Café-Anbau vor dem Parkhaus an der Schlossstraße verzichtet wird.

Schmuddeldurchgang bei Karstadt verschwindet

Ebenfalls verschwinden lässt die Bachelor-Arbeit den Schmuddeldurchgang am Rand des Karstadt-Hauses vom Sachsentor zum Parkhaus, wo noch immer das Wrack des vor Wochen abgebrannten Motorrades steht. Hier wäre theoretisch ein Zugang zum benachbarten Hinterhof des Nachbargebäudes denkbar, der sich zwar wie eine perfekte Gastronomiefläche zur Schlossstraße öffnet, aber bisher nur als Parkplatz genutzt wird.

Sehr positiv bewerten Sophia Matischok und Corinna Bonow Überlegungen, die Bergedorfer Schlossstraße als Ergänzung des Sachsentors noch stärker mit Geschäften und Gastronomie zu bestücken: „Das verschafft Bergedorfs Innenstadt zusätzliche Attraktivität, muss aber gut mit dem Sachsentor verbunden werden.“

In der Einkaufsstraße selbst setzen sie grundsätzlich auf Kleinteiligkeit: „Die alten Kaufhäuser aus Waschbeton haben weder zu Bergedorf gepasst, noch haben sie mit ihren riesigen, gleichförmigen Schaufenstern anziehend gewirkt. Die Leute sind einfach nicht stehen geblieben. Das ist bei der schönen historischen Architektur des Sachsentors ganz anders. Und genau da müssen die Neubauten der Bergedorfer City der Zukunft wieder hin.“