Hamburg. Das Familienunternehmen Søstrene Grene will 40 neue Läden in Deutschland eröffnen – und sagt Preissteigerungen den Kampf an.
Dass Mogens Link Schmidt äußerst zufrieden ist, lässt sich nicht übersehen. Der Deutschland-Chef der Einzelhandelskette Søstrene Grene steht an der Rolltreppe, die in die Filiale an der Spitalerstraße in der Hamburger Innenstadt führt. Im Eingangsbereich liegen schon die ersten Adventskalender, daneben sind rote Teedosen mit Weihnachtsbaum-Motiv. Alles sehr hübsch, aber Link Schmidt will weiter. Mit schnellem Schritt steuert er durch die labyrinthartigen Gänge des Ladens auf eine Ecke zu, die gerade erst umgebaut wurde.
Kerzen, Vasen, Schachteln, Körbe, Teppiche, ein gepolsterter Stuhl – eine Wohneinheit farblich perfekt abgestimmt aus dem aktuellen Sortiment. Gerade dominiert die Farbe Grün, in allen Schattierungen. „Bei uns kann man erleben, wie man dänische Gemütlichkeit macht“, sagt der Däne. Schnell rückt er noch einen Kerzenständer gerade, schiebt ein Kissen in Position. Der 47-Jährige ist Experte für das, was er „Hygge-Gefühl“ nennt.
Søstrene Grene: Hamburg wichtige Entwicklungsregion
Und er ist damit außerordentlich erfolgreich. Deutschland, mit Firmenzentrale in Hamburg, ist inzwischen der wichtigste Wachstumsmarkt für Søstrene Grene. In den vergangenen sechs Jahren hat Deutschland-Chef Link Schmidt zwischen Flensburg und Füssen 63 Läden eröffnet – und damit sogar das Heimatland der Marke (54 Läden) überholt. Um die Sehnsucht der Deutschen nach skandinavischem Lebensstil zu stillen, sollen es noch deutlich mehr werden. „Ich wäre enttäuscht, wenn wir in den nächsten vier bis fünf Jahren nicht auf mindestens 100 Filialen in Deutschland wachsen würden“, sagt der hünenhafte Einzelhandelsprofi, der aus der deutsch-dänischen Grenzregion stammt.
Dabei sind Hamburg und der Norden wichtige Entwicklungsregionen. Die Hansestadt war 2016 das Sprungbrett für die Expansion hierzulande. Inzwischen gibt es sechs Standorte an der Elbe, unter anderem im Alstertal-Einkaufszentrum, im Mercado und in der Europa-Passage. In Schleswig-Holstein wuchs die Zahl mit zwei Neueröffnungen in Kiel und Lübeck gerade auf fünf. Für die nächsten Monate hat der Deutschland-Chef vor allem Mecklenburg-Vorpommern mit den beiden Städten Schwerin und Rostock im Blick, auch Lüneburg könne ein interessanter Standort sein, sagt er.
Søstrene Grene ist inzwischen mit 250 Läden in 15 Ländern vertreten
Es ist nicht unrealistisch, dass die Expansionspläne sogar schneller umgesetzt werden als geplant. Das Geschäft mit Dingen, die man eigentlich nicht wirklich braucht, läuft bestens. Der Mutterkonzern hat ein Rekordergebnis für das Geschäftsjahr 2021/22, das am 30. April dieses Jahres endete, gemeldet. Søstrene Grene, inzwischen mit 250 Läden in 15 Ländern vertreten, steigerte den Umsatz um satte 39 Prozent auf umgerechnet 227 Millionen Euro. Der Gewinn stieg auf 28 Millionen Euro. „Wir haben das stärkste Geschäftsjahr unserer Geschichte hinter uns“, sagte Vorstandschef und Miteigentümer Mikkel Grene gerade in der Zentrale in Århus.
Das hat mit dem Wiedereröffnungshype nach den monatelangen Corona-Lockdowns zu tun und auch mit dem neuen Hang zur Häuslichkeit. „Cocooning“, wie die Rückbesinnung auf die eigenen vier Wände auch genannt wird, hat sich in der Pandemie zu einem wichtigen Trend entwickelt, der dem Handel mit Küchen, Möbeln und allem, was damit zusammenhängt, steigende Umsätze beschert. Auch bei Søstrene Grene Deutschland mit insgesamt 1200 Beschäftigten sind die Umsätze im vergangenen Geschäftsjahr um 30 Prozent gestiegen.
Anna und Clara Grene sind die Søstrene Grene
Konkreter will Chef Mogens Link Schmidt, der das Unternehmen mit gerade mal zehn Mitarbeitern in der Verwaltung steuert, nicht werden. Nur so viel: Im Schnitt kommen an jedem Verkaufstag 1200 Kunden in eine Filiale, wenn es gut läuft sogar bis zu 3500. Erlöst werden hierzulande pro Standort zwischen einer und 1,5 Millionen Euro im Jahr. Auch in den sozialen Medien wächst die Fangemeinde. 2,3 Menschen folgen der Marke weltweit auf Facebook, in Deutschland sind es mehr als 340.000.
Dahinter steckt eine perfekt ausgeklügelte Unternehmensstrategie und ein gutes Marketingkonzept, bei dem nichts dem Zufall überlassen wird. Auch die Geschichte von zwei betagten Damen spielt dabei eine wichtige Rolle. Anna und Clara Grene sind die Søstrene Grene, also die Schwestern Grene, die als Teil des Gründungsmythos mit ihren Konterfeis auf handbeschriebenen Plakaten in den Läden quasi zu den Kunden sprechen.
„Wir bieten ein Sinneserlebnis“
Nur, dass es die beiden so nie gab. Tatsächlich nämlich stecken Inger Grene und Knud Cresten Vaupell Olsen hinter der Handelskette. Das geschäftstüchtige Ehepaar – sie Besitzerin eines kleinen Modeladens, er war ursprünglich Balletttänzer – baute das Familienimperium auf. Die beiden hatten auch die Idee, die Geschäftsphilosophie mit den Schwestern Anna – die kreativ-verspielte – und ihrem vernünftigen Widerpart Clara mit dem strengen Dutt zu verbinden. Die Namen hatten sich die Gründer bei ihren beiden kleinen Nichten ausgeliehen. Heute führt Sohn Mikkel mit Bruder Cresten als Kreativdirektor das Familienunternehmen.
Dass es funktioniert, lässt sich auch an diesem Herbsttag in der Filiale an der Spitalerstraße beobachten. Laufend kommen neue Kunden und vor allem Kundinnen die Rolltreppe herunter, schlendern mit suchendem Blick durch die Gänge. Die Präsentation folgt den zwölf Produktkategorien wie Interieur, Basteln, Schreibwaren, Kindersachen, Badartikel oder Lebensmittel. Aus den Lautsprechern plätschert klassische Musik, es riecht nach Holz, Tee und Kerzenwachs. „Wir bieten ein Sinneserlebnis“, beschreibt Mogens Link Schmidt, der seit 2014 im Unternehmen ist und anfangs in der Firmenentwicklung gearbeitet hat, das Konzept.
„Die Deutschen lieben uns für unser Design“
Kunden nennt er konsequent „Gäste“, weil der Gang ins Geschäft wie ein Besuch bei Freunden empfunden werden solle. Rechnerisch dauert ein Rundgang zehn bis zwölf Minuten. Aktuell umfasst das Sortiment in den Läden etwa 5000 Artikel. Jede Woche kommen bis zu 100 neue Produkte dazu. Es passiert eher selten, dass jemand ohne etwas zu kaufen einen Søstrene-Grene-Shop verlässt.
„Die Deutschen lieben uns für unser Design“, sagt Deutschland-Chef Link Schmidt, „aber wir bieten auch besonders günstige Preise.“ Eine kleine Spülbürste gibt es ab 47 Cent, ein einfacher Quirl – einer der Bestseller – kostet 63 Cent. Insgesamt werden 80 Prozent aller Artikel unter 8 Euro angeboten. Am günstigsten ist ein Lolli für 9 Cent. Die absolute Obergrenze liegt bei 59 Euro für einen Stuhl oder einen Teppich. „Bei uns kann jeder dabei sein. Für weniger als 15 Euro bekommt man fünf bis sechs Sachen, um die Wohnung gemütlich zu machen, einen Kindergeburtstag bunter oder Weihnachten festlicher“, sagt Mogens Link Schmidt, der mit Familie in Hamburg lebt.
Preise sollen niedrig gehalten werden
Natürlich wissen auch die Macher hinter Søstrene Grene, dass die gute Entwicklung des vergangenen Jahres angesichts aktueller Krisen und sinkender Konsumlaune so wohl nicht weitergehen wird. Das Rezept der Dänen: „Wir haben ein Konzept, das in Krisenzeiten gut funktioniert, weil wir die Preise niedrig halten“ sagt Konzernchef Mikkel Grene. Und das soll so bleiben.
Statt Preiserhöhungen der Lieferanten weiterzugeben, will das Familienunternehmen sie auffangen – und dafür sogar negative Auswirkungen auf die Marge in Kauf nehmen. „Kampfpreise“ hat das „Handelsblatt“ diese Strategie genannt. Wie sich das im Einzelfall auswirkt, wird sich zeigen. Komplett vermeiden könne man Preiserhöhungen wahrscheinlich nicht bei jedem einzelnen Produkt, sagt Deutschland-Chef Link Schmidt, der inzwischen auch die Märkte Frankreich und den Niederlanden betreut.
Søstrene Grene: "Wir können auch international"
Er hat für die nächsten Jahre große Pläne. „Anfangs dachte ich, dass Søstrene Grene ein nordisches Phänomen sei. Aber inzwischen zeigt sich, dass wir auch international können.“ Gerade wächst die Handelskette in Großbritannien, unter anderem mit Neueröffnungen in Schottland und England. Auch die USA seien ein potenzieller Markt. „In unserem Logo steht ,All over the World‘ – für mich wäre die Expansion in die USA ein persönlicher Traum“, sagt Mogens Link Schmidt.
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Dabei ist klar, dass die Dänen schnell sind bei der Expansion und nicht lange fackeln, sollte es nicht laufen. Gerade hat sich das Unternehmen nach sechs Jahren komplett aus Japan zurückgezogen. Und auch in Hamburg war das schon so: Die Filiale, im Phoenix-Center in Harburg 2016 eröffnet, war zwei Jahre später verschwunden.