Hamburg. Hamburger Gründerin relativiert nach Aus bei Vox: “Haben nicht wirklich einen Investor gesucht“. Ein Löwe hatte wohl doch Interesse.
Enttäuscht? „Nein, überhaupt nicht“, sagt Melike Zirek, „wir sind ohne jede Erwartung ins Studio gegangen. Es war trotzdem eine tolle Erfahrung.“ Am Montagabend war im TV-Sender Vox zu sehen, wie die Hamburgerin und ihr Bruder Hakan in der Investorenshow „Die Höhle der Löwen“ (DHDL) einen Geldgeber für ihr Start-up Memobild suchen – erfolglos. Keiner der fünf Jurorinnen und Juroren wollte in die junge Firma einsteigen, keiner war bereit, für 15 Prozent der Anteile 75.000 Euro auszugeben. „Wir machen natürlich trotzdem weiter. Es wäre ja traurig, wenn wir uns davon runterziehen lassen würden“, sagt Melike Zirek.
Memobild, das ist eine etwas andere, eine besondere Form der Sprachnachricht, eine persönliche Botschaft für die emotionalen Momente im Leben, ein Geschenk, das ein Bild und eine Audiodatei zugleich ist. Um ein Memobild zu erstellen, spricht man online eine bis zu 20 Sekunden lange Nachricht ein. Ein Geburtstagsgruß, eine Liebeserklärung – was auch immer.
Die zweite Möglichkeit ist das Hochladen einer schon bestehenden Audiodatei: die Herztöne des Babys im Mutterleib bei der Ultraschalluntersuchung; der Moment, in dem das Kleinkind zum ersten Mal „Mama“ sagt; das Jawort bei der Heirat. Dazu noch eine Überschrift.
"Höhle der Löwen": Start-up Memobild in der Pandemie gegründet
Memobild macht ein virtuelles Mini-Poster daraus, das sich per Smartphone verschicken lässt. Und ein paar Tage später geht beim Kunden das ausgedruckte Bild per Post ein. Es zeigt die Ausschläge der Tonspur, darunter einen QR-Code, mit dem sich die Sprachnachricht abhören lässt. Kostenpunkt: ab knapp 25 Euro für das kleine Format, ab 34,95 Euro für das größere (30 mal 40 Zentimeter). Ein Rahmen kostet extra. Das Memobild-Motto lautet „Deine Stimme, Dein Geschenk“. Die Zirek-Geschwister sind überzeugt: Eine Stimme kann genauso schöne Erinnerungen wecken wie ein Foto.
Die Idee hatten sie, als sie kurz nach Ausbruch der Pandemie auf der Suche nach einem Geschenk für ihre Mutter waren. „Wir haben alte Videos von unserem verstorbenen Opa gesichtet, seine Stimme aufgezeichnet und uns Memobild als eine besondere Form der Verpackung ausgedacht“, erzählt Melike Zirek beim Treffen mit dem Abendblatt ein paar Tage vor der Ausstrahlung der Sendung. Das Bild mit dem QR-Code, hinter dem die Stimme des Opas steckt, hänge zu Hause immer noch an der Wand.
Doch die Löwinnen und Löwen sind nicht überzeugt. „Das ist eine originelle Idee, aber kein Geschäftsmodell“, sagt Georg Kofler. „Ich würde mir das nicht an die Wand hängen“, sagt Carsten Maschmeyer. Auch Dagmar Wöhrl, Nils Glagau und Judith Williams winken ab. Sie mäkeln an der Optik der Tonspur-Kurve, sie glauben nicht, dass Memobild viele Kunden finden werde. Einer nach dem anderen steigt aus. Kein Deal für die Geschwister aus Hamburg.
"Höhle der Löwen": Hamburger Gründer nicht auf das Geld angewiesen
Als alles vorbei ist bei der Aufzeichnung im Januar – auch das war am Montagabend zu sehen –, geht Melike Zirek trotzdem lächelnd aus dem Studio. „Wir waren gar nicht wirklich auf der Suche nach einem Investor“, sagt sie heute. Memobild sei eingeladen worden, sich bei DHDL zu bewerben. Klar, die 150.000 Euro hätte man ins Marketing stecken und vielleicht die Poster dann selbst ausdrucken können, statt den Auftrag dafür an eine Druckerei zu geben.
Aber dringend angewiesen sei man auf das Geld eben auch nicht gewesen. „Im Grundsatz sind wir weiter offen für einen Business Angel, der sich finanziell beteiligt und uns mit Know-how unterstützt. Aber es muss jemand sein, der für das Produkt wirklich brennt.“
Bis Anfang des Jahres hatte Memobild etwa 250 Aufträge erhalten. „Seit der Show haben wir die Anzahl der Bestellungen mehr als verdoppelt.“ Welche Botschaften die Kunden aufzeichnen und verschenken, das wissen die 30-Jährige und ihr zwei Jahre jüngerer Bruder gar nicht so ganz genau. „Wir hören stichprobenartig rein, um zu kontrollieren, ob die Aufnahme qualitativ in Ordnung ist. Was da gesagt wird, ist sehr privat, und dabei möchten wir es natürlich belassen.“ Gespeichert sei die Sprachnachricht im Grundsatz für immer, garantieren kann Memobild allerdings nur für zwei Jahre.
"Höhle der Löwen": Memobild arbeitet an elektronischer Postkarte
Das Produkt sei zwar fertig, biete aber noch Raum für Weiterentwicklungen. Ein Foto statt die Tonspur auf dem Poster wäre eine Möglichkeit oder ein Video in der Digitalversion. Davon reden Melike und Hakan Zirek auch in der Fernsehshow. Und, dass es ein Memobild auch als eine Art elektronische Postkarte geben könnte. Weitergekommen sind die Gründer-Geschwister dabei in den acht Monaten seit der Aufzeichnung allerdings noch nicht. „Wir arbeiten dran, bislang fehlte aber die Zeit, um sich intensiver damit zu befassen“, heißt es.
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Für Melike Zirek ist Memobild eines von mehreren Projekten, die sie vorantreibt. Die Marketing-Expertin mit Masterabschluss, die mit ihren beiden jüngeren Brüdern im Schanzenviertel aufwuchs und zwischen Bachelor- und Masterstudium vier Jahre im Ausland im Tourismus-Management arbeitete, vermarktet unter anderem Haustier-Fressnäpfe, die sie in der Türkei produzieren lässt. Seitdem es wegen der Pandemie hakt in den Lieferketten zwischen Europa und Asien, berät sie deutsche Unternehmen, vermittelt ihnen Kontakte zu Herstellern in der Türkei.
All das wird aus einem Ein-Raum-Büro in Osdorf gesteuert. Dort hat auch der jüngste Bruder Sinan (22) seinen Schreibtisch, der neben dem Studium gerade mit Unterhaltungsvideos in den sozialen Medien durchstartet, allein auf TikTok 1,3 Millionen Follower hat – und seinen älteren Geschwistern jetzt erklärt, wie erfolgreiche Marketingvideos bei Instagram und YouTube aussehen sollten. Was seine Schwester ganz genau weiß, ist, dass sie in der „Höhle der Löwen“ letztlich zumindest ein kleines Erfolgserlebnis hatten. Einer der kritischsten Juroren, erzählt Melike Zirek, habe im Nachhinein zwei Memobilder bestellt.