Hamburg. Nächste Staffel der Investoren-Show startet im April. Ist sie wirklich ein Erfolgs-Turbo für innovative Gründer? Drei Fallbeispiele.

Es ist eine Art Ritterschlag für ein junges Unternehmen: Ein Auftritt in der TV-Investorenshow „Die Höhle der Löwen“ (DHDL) garantiert Start-ups jede Menge Aufmerksamkeit und steil ansteigende Umsätze. Egal, ob es zu einem Deal mit Ralf Dümmel, Dagmar Wöhrl, Carsten Maschmeyer und Co. kommt oder nicht. Egal, ob einer der Investoren in die Firma einsteigt und viel Geld mitbringt, oder eben nicht.

Nach dem Fernsehauftritt kommen die innovativen Jungunternehmer mit der Arbeit kaum noch hinterher. Wie aber sieht es Monate und Jahre nach dem DHDL-Boom aus? Das Abendblatt hat bei drei ehemaligen Kandidaten aus der Metropolregion nachgefragt – und ist auf Gründer in den Mühen der Ebene und auf ein Stehaufmännchen gestoßen.

Höhle der Löwen: Wowwow "geht es ganz gut"

„Luna geht es wieder gut“, sagt Walburga Falkenberg, und sie klingt dabei erleichtert. Luna, das ist die Labrador-Hundedame, die die Falkenbergs ins TV-Studio begleitet hatte und zum heimlichen Star der Ende Mai 2021 ausgestrahlten DHDL-Folge wurde. Die Falkenbergs stellten den Investoren ihr Hundehalsband vor. Der Clou: Die Leine ist in das Halsband integriert. Frauchen und Herrchen müssen sie dem Tier nicht hinterhertragen. Die inzwischen 13 Jahre alte Luna war gesundheitlich ziemlich angeschlagen im Sommer 2021. Das Alter. Man musste mit dem Schlimmsten rechnen. Das ist nun aber vorbei.

Und wie geht es der Firma? „Auch ganz gut“, sagt Reto Falkenberg. Wie seine Frau ist er Verpackungstechnik-Ingenieur, er hat das Halsband entwickelt. Zwei, drei Monate lang nach der Show verkaufte es sich im Onlineshop von Wowwow und bei Fachhändlern wie geschnitten Brot. Für die Falkenbergs ging es vornehmlich darum, den Nachschub vom Produzenten in Asien zu organisieren und Kunden bei Laune zu halten, die nicht sofort beliefert werden konnten. Auch das ist vorbei.

„Das Jahr hat jedenfalls ganz gut begonnen“

„Irgendwo zwischen 15.000 und 20.000 Stück“ von dem Halsband seien 2021 verkauft worden, sagen die Falkenbergs. Die aktuellen Verkaufszahlen bleiben ihr Geheimnis. „Das Jahr hat jedenfalls ganz gut begonnen“, sagt Lunas Herrchen. Seit kurz vor Weihnachten bietet Wowwow nun auch ein Hundegeschirr mit integrierter Leine an.

Es ist eine Erkenntnis aus den Boom-Monaten, dass es Besitzer gibt, die ihrem Tier ein Halsband nicht zumuten wollen, sondern ihm stattdessen Riemen um Vorderbeine, Bauch und Rücken schnallen. Derzeit arbeitet Falkenberg an einem Halsband für kleinere Hunde. Das aktuelle Modell wird für die Gewichtsklasse ab zehn Kilo empfohlen.

Weiterhin Kontakt zu Dagmar Wöhrl und Nils Glagau

Neue Farben, Sondereditionen für Jagdhunde, Verkaufsstände bei Fachmessen sollen helfen, den Absatz anzukurbeln. In einigen Filialen von Tierbedarfsmärkten sei Wowwow vertreten, aber der Onlineverkauf werde absehbar der wichtigere Vertriebsweg bleiben, sagen die Falkenbergs. Mit Preisen zwischen 60 und 100 Euro seien Halsband und Harness kein Mitnehmartikel, und im Internet ließen sich die durchaus erklärungsbedürftigen Artikel gut per Video erläutern.

Der Kontakt zu Dagmar Wöhrl und Nils Glagau, die in der Show gemeinsam mit 150.000 Euro für 30 Prozent der Firmenanteile eingestiegen waren, besteht weiter. „Wir reden seltener als in der Anfangsphase, aber die Zusammenarbeit mit den Löwen ist intensiv“, sagen die Falkenbergs.

Wowwow hält Preise konstant

Und finanziell? „Im vergangenen Jahr hätten wir von der Firma gut leben können“, heißt es. „Hätten“, weil Reto Falkenberg weiter an Produktdetails feilt und optimiert. Das führt zu höheren Herstellungskosten, während Wowwow die eigenen Preise bislang konstant hält.

Derzeit langen die Einnahmen wohl nicht für eine vierköpfige Familie mit zwei Hunden. Die Expansion in andere Länder und neue Vertriebswege sollen helfen, das zu ändern. Lunas Herrchen und Frauchen sagen, sie seien da guter Dinge: „Wir haben noch einige Produktideen für Hunde. Und es gibt ja auch noch andere Haustiere.“

Foodguide, die mit der Essens-App

2019 wurde Malte Steiert langsam klar, dass es wohl nichts werden würde mit der Smartphone-App namens Foodguide. Dass das Geschäftsmodell rund um diese Essens-App, das er und Mitgründer Finn Fahrenkrug geschmiedet hatten, nicht aufgehen werde. „Vielleicht haben wir sogar zu lange gewartet, jedenfalls haben wir eine Menge Geld verbrannt“, sagt er heute.

Vor fünf Jahren hatten sich noch große Hoffnungen rund um Foodguide gerankt. Die Idee: Die App-Nutzer navigieren sich durch eine Vielzahl von Gerichten und bewerten, welche sie interessant finden. Das Programm lernt die individuellen Vorlieben, macht von sich aus Vorschläge und weist auf Restaurants hin. Dafür bekommt der App-Betreiber Geld von den Gastronomen.

Maschmeyer stieg bei Foodguide-Gründern ein

Im März 2017 gingen Foodguide-Gründer nach der Aufzeichnung mit einem Mega-Deal aus dem „Höhle der Löwen“-Studio. Carsten Maschmeyer war mit insgesamt 450.000 Euro für 31,6 Prozent der Anteile eingestiegen. Das Konzept versprach ein großes Ding zu werden, die Expansion in Europa lief schon. In den USA sollte es bald losgehen. „Wir hatten insgesamt fast eine Million Downloads und 50.000 aktive Nutzer im Monat“, sagt Steiert. Gescheitert sei Foodguide letztlich am Konkurrenten Instagram und weil nur wenige Gas­tronomen bereit waren, sich der App anzuschließen.

Erst wurde sie nicht mehr weiterentwickelt, der Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 war ihr Todesurteil. Inzwischen gibt es Foodguide gar nicht mehr. „Wir haben eine Menge Lehrgeld gezahlt“, sagt Steiert. Carsten Maschmeyer auch. „Wir sind aber total fair auseinandergegangen“, sagt Steiert.

Steiert kaufte Anteile zurück

Er hat inzwischen die Anteile zurückgekauft – für einen Bruchteil dessen, was der Investor einst gezahlt hatte. Trotz allem sei das Verhältnis zu den Managern von Maschmeyers Beteiligungsfirma „total cool“. „Die wissen ja auch, dass neun von zehn Investments nichts werden und das zehnte alles wieder rausreißen kann.“

Foodguide-Co-Gründer Malte Steiert war Anfang 20, als er in die Löwenhöhle ging und mit einem Mega-Deal nach Hamburg zurückkehrte.
Foodguide-Co-Gründer Malte Steiert war Anfang 20, als er in die Löwenhöhle ging und mit einem Mega-Deal nach Hamburg zurückkehrte. © raphaelguillou.com

Steiert weiß das auch und besser, als ihm lieb sein kann: Er startete parallel zum Foodguide-Niedergang mit Taste Tours, geführten Gruppen-Touren zu ausgewählten Restaurants. Ende 2019 bot die Hamburger Firma diese erstmals auch in Berlin, Köln, Frankfurt an. Und wurde kurz darauf ebenfalls von Corona jäh gestoppt. Inzwischen ist Taste Tours liquidiert.

Steiert startete „Pay now, eat later“

Aber Steiert ist ein Stehaufmännchen. Im ersten Lockdown startete er die Aktion „Pay now, eat later“ zur Unterstützung notleidender Gastronomen, die durch den Verkauf von später einlösbaren Essensgutscheinen wenigstens einen Teil des Umsatzausfalls kompensieren können. Anfangs war es eine Art Sozialprojekt, das Steierts Team nur „Karmapunkte“ brachte, wie er es nennt.

Nun soll „Pay now, eat later“ doch zum Geschäftsmodell werden. Das Unternehmen bietet seine Dienste Firmen an, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter belohnen möchten. Auch ein Konzept für die Investorensuche in der Löwenhöhle? „Das war schon ziemlich verrückt und lustig damals“, sagt Steiert, „aber ich muss das nicht noch mal haben.“

Frau Poppes, die mit den Frikadellengewürzen

Es ist ein bisschen wie bei den Falkenbergs mit ihren Hundehalsbändern: Tausende Bestellungen und ungeahnte Umsatzzahlen in den ersten Tagen und Wochen nach der Sendung. Dann wird der Geschäftsgang ruhiger, viel ruhiger, sehr viel ruhiger. „Man muss aufpassen, dass man nicht zu tief fällt“, sagt Thomas Leiendecker. Er ist der Mann hinter Frau Poppes. Die Namensgeberin ist seine Schwiegermutter. Angelika Poppe, 69 Jahre alt, gelernte Hauswirtschafterin, vor fast fünf Jahrzehnten nach einem Autounfall erblindet und dennoch eine offenbar begnadete Frikadellenbraterin.

Mit Gewürzmischungen nach ihren Rezepten waren sie und der Schwiegersohn im Herbst 2021 in der Löwenhöhle. Der Auftritt der blinden Dame aus Neu Wulmstorf rührte viele zu Tränen. Star-Investor Ralf Dümmel stieg mit 150.000 Euro für 20 Prozent der Anteile ein. 500.000 vorproduzierte Tüten Gewürzmischung wurden an Tausende Supermärkte ausgeliefert und waren bis Jahresende verkauft. 25.000 Euro vom Erlös gingen an den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband.

Frau Poppes bei Famila zu finden

War es der Beginn einer wunderbaren DHDL-Erfolgsgeschichte wie einst bei den Gewürzmachern von Ankerkraut? Oder mindestens der Start in eine dauerhaft ertragreiche Unternehmenszukunft? Ersteres wohl eher nicht, Letzeres vielleicht. „Es geht jetzt erst mal darum, das Standardsortiment fest in den Supermärkten zu etablieren“, sagt Leiendecker über seine aktuellen Herausforderungen.

Derzeit sei Frau Poppes in etwa 350 Filialen vornehmlich im Norden zu finden. Bei Famila und in einigen Edeka-Regionen. Mit anderen Regionalgesellschaften von Deutschlands größter Supermarktkette und von Rewe sei er im Gespräch, sagt Leiendecker. Veranstaltungen, bei denen die Einkäufer der Ketten sich neue Produkte präsentieren lassen, finden wegen Corona nicht statt.

„Wir dehnen uns langsam aus“

Klinkenputzen bei selbstständigen Kaufleuten und Verkostungen im Geschäft sind in Zeiten der Pandemie schwierig bis unmöglich. Bislang muss jeder Markt, der die Würzmischungen in den Regalen hat, von Frau Poppes selbst mit Ware beliefert werden. Es ist mühsam.

Thomas Leiendecker und seine Schwiegermutter Angelika Poppe sind das Team hinter Frau Poppes.
Thomas Leiendecker und seine Schwiegermutter Angelika Poppe sind das Team hinter Frau Poppes. © Roland Magunia/Funke Foto Services

„Wir dehnen uns langsam aus“, sagt Thomas Leiendecker. Er hat jetzt drei Agenturen engagiert, die helfen sollen, die Expansion voranzutreiben. Seit Januar wird nachproduziert, in diesem Jahr wurden bislang 25.000 Packungen verkauft. 300.000 – so Leiendeckers Plan – sollen es bis Jahresende sein. „Ich bin zuversichtlich, dass wir das erreichen.“

Höhle der Löwen: Einnahmen reichen nicht zum Leben

Und die Zusammenarbeit mit dem Team um Ralf Dümmel sei gut. Drei weitere Gewürzmischungen sind fertig entwickelt. Zwei für Fleisch und die dritte für Bratlinge auf Gemüsebasis. Sie könnten im Herbst auf den Markt kommen – wahrscheinlich als Aktionsware, nicht als fester Bestandteil des Sortiments.

„Zum Erfolg gehören eben viel Leidenschaft, Fleiß – und auch eine gehörige Portion Glück“, sagt Leiendecker. Leben kann er von den Einnahmen der jungen Firma – auch wegen der sehr hohen Kosten für die Expansion im Handel – derzeit nicht. Das werde sicher auch noch länger so bleiben. „Sagen wir mal so: Ich arbeite dran.“