Hamburg. Star-Investor Ralf Dümmel hat die höchste Erfolgsquote der Sendung – und weiß, warum viele Unternehmer oft doch leer ausgehen.
Als sie die Zusage für den Deal hatte, liefen bei N’deye Fall-Kuete die Tränen fast ungehemmt. Es waren Tränen der Freude und der Erleichterung darüber, dass es nach einer Reihe von Rückschlägen eine Perspektive für sie als Jungunternehmerin geben sollte. Die in Westafrika geborene Hamburgerin löste erst im Kölner Fernsehstudio der Investorenshow „Die Höhle der Löwen“ (DHDL) und später bei Millionen Zuschauern des TV-Senders Vox eine Welle der Emotionen aus.
Das war im Frühjahr 2021. Und gleich nach der Ausstrahlung der Sendung berichtete das Abendblatt exklusiv, dass diese Happy-End-Geschichte, die kurz zuvor im TV zu sehen gewesen war, gar kein Happy End gehabt hatte. Die 130.000 Euro, die die Gründerin für den Aufbau ihrer jungen Firma rund um afrikanische Spezialitäten-Saucen erhalten sollte, waren nie bei N’deye Fall-Kuete angekommen. Der Deal war nach der Aufzeichnung geplatzt.
„Die Höhle der Löwen“: Fünf Hamburger Deals platzten
Es ist nur eine von vielen Geschichten, die die inszenierte Realität von „DHDL“schreibt. Große Pläne, große Summen; bisweilen heftige Bieterduelle der Investoren um aussichtsreiche Start-ups, tief enttäuschte Gründer, die keinen der Geldgeber überzeugen konnten; sichtlich genervte Löwen, denen ein gutes Geschäfte entgangen ist, jubelnde Jungunternehmer, die Kapital von neuen Teilhabern akquiriert haben. All das war in der elften Staffel von Deutschlands beliebtester Investoren-Show zu sehen, die an diesem Montag endet. In der abendfüllenden Sendung, die zuletzt von 1,7 bis 2,2 Millionen Zuschauern verfolgt wurde, nie zu sehen ist, dass viele dieser Deals danach gescheitert sind.
In den seit dem Frühjahr vergangenen Jahres ausgestrahlten Folgen der „DHDL“-Staffeln neun, zehn und elf stellten sich 14 Start-ups aus Hamburg und Umgebung oder mit Gründern aus Hamburg den kritischen Fragen nach Herstellungskosten und Firmenbewertung, nach Produktdetails und Absatzwegen. Zwölf dieser Firmen wurden in der Sendung mit einem oder gleich mehreren der „Löwen“ genannten Investoren handelseinig. Doch fünf dieser Absprachen wurden letztlich gar nicht oder nicht vollständig realisiert.
"Die Höhle der Löwen": 40 Prozent der Deals komme nicht zustande
Bei Laxplum, einem verdauungsfördernden Mittel auf Pflaumenbasis, kam es doch nicht zu Deal mit Judith Williams, Nahrungsergänzungsmittel-Unternehmer Nils Glagau, der gemeinsam mit der Beauty-Unternehmerin erfolgreich ein Angebot gemacht hatte, stieg aber ein.
Ndeyefoods, Closest Loop (Putzschwamm aus Gurke), Joybräu (Sportlerbier mit Proteinzusatz) und zuletzt Aivy (Personalsuche per App) blieben dann doch ohne „DHDL“-Investor.
Fünf von zwölf Deals gescheitert oder nicht voll realisiert, das ist eine gängige Quote. Das Wirtschaftsportal „Businessinsider“ kam bei Auswertung der ersten fünf „DHDL“-Staffeln zum Ergebnis, dass etwa 40 Prozent der Investmentzusagen nicht zustande kamen.
Warum ist das so? Warum steigen die „Löwen“ oft doch nicht bei den Jungunternehmern ein? „Dafür kann es tausend verschiedene Gründe geben“, sagt Ralf Dümmel. Der Star-Investor mit besten Kontakten in den Handel ist vor allem für Gründer, die ein potenzielles Massenprodukt in die Geschäfte bringen wollen, ein begehrter Firmenteilhaber und Geldgeber. Dümmel gilt als sehr zuverlässig, was die Realisierung seiner Zusagen in der Show angeht. Von den zwölf Hamburger Deals seit Frühjahr 2021 machte er vier – und alle wurden tatsächlich vollzogen.
Ralf Dümmels Erfolgsquote liegt bei 93 Prozent
Bei Haselherz (süßer Brotaufstrich auf Nussbasis), Bideo (Toilettenpapierhalter mit Befeuchtungsfunktion), Frau Poppes (Würzmischungen für Bratklopse) und Early Green (Fleischersatzpulver auf Pflanzenbasis) ist Dümmel bis heute finanziell engagiert. Die Gesamtbilanz seit seinem ersten Auftritt in der dritten „DHDL“-Staffel im Jahr 2016 und vor der letzten Folge der elften Staffel am Montag lautet: 134 zugesagte Firmenbeteiligungen, 125 davon wurden vollzogen. Mit einer Erfolgsquote von mehr als 93 Prozent liegt Dümmel weit vorn in der Rangliste der erfolgreichsten „Löwen“. Er ist der Deal-König, und er ist stolz darauf.
Bei seinen neun gescheiterten Deals habe es jeweils ganz eigene Gründe dafür gegeben. „In einem Fall haben wir im Nachhinein festgestellt, dass das Unternehmen 500.000 Euro Schulden hatte, von denen vorher nicht die Rede war.“ In einem anderen Fall habe zu dem Unternehmen, an dem er sich beteiligen wollte, weil es ein interessantes Produkt entwickelt hatte, auch noch ein Café gehört. „Ich wollte mich aber nicht an einem Café beteiligen, die Gründer wollten es im Unternehmen belassen. Also sind wir letztlich nicht zusammengekommen.“ Dümmel betont, er sei mit allen diesen Gründern im Guten auseinandergegangen.
Dagmar Wöhrl: Nur ein Deal in "Höhle der Löwen" realisiert
Familienunternehmerin Dagmar Wöhrl steht bei den Hamburger Deals am Ende der Erfolgsskala. Von vier ihrer Investmentzusagen wurde letztlich nur eine realisiert. Zusammen mit Nils Glagau stieg sie mit insgesamt 150.000 Euro bei Wowwow ein, dem Hundehalsband mit integrierter Leine. Bei Aivy hatte Wöhrl gemeinsam mit Carsten Maschmeyer zugesagt, bei Closest Loop mit Sarna Röser, Ndeyefoods sollte ein Einzeldeal werden. Doch diese drei geplanten Wöhrl-Investments platzten zwischen der Aufzeichnung im Studio und der Ausstrahlung beim TV-Sender Vox.
Dass es wohl nichts werden würde mit der Unternehmerin aus Bayern und der Hamburger Saucenköchin mit afrikanischen Wurzeln, war keine Überraschung und hatte sich schon in der Sendung abgezeichnet. Nachdem vier der fünf Investoren bereits abgesagt hatten, war Wöhrl die letzte, die ein Urteil fällen sollte. Und brachte eine weitere und finale Absage an N’deye Fall-Kuete offenbar nicht übers Herz. Mit vielen Wenns und Abers angesichts eines wackeligen Geschäftskonzepts sagte Wöhrl zu und betonte zugleich: „Es wird sehr schwierig.“ Es wurde gar nichts. Ein Gespräch des Abendblatts mit Wöhrl über die Gründe für das Scheitern ihrer Deals kam aus Termingründen nicht zustande.
Schwammige Erklärungen fürs Scheitern
Scheitert ein Deal im Nachhinein der Aufzeichnung, wird das in den meisten Fällen von den Investoren und den Gründern in gemeinsamen Erklärungen erläutert und bedauert. Es sind oft ziemlich geschraubte und selten wirklich erhellende Statements. So teilten die Gründer des Eimsbüttler Gurkenschwamm-Start-ups The Closest Loop gemeinsam mit Wöhrl und Röser mit: „In ein Unternehmen zu investieren, beziehungsweise ein Investment anzunehmen, ist eine wichtige Entscheidung. In der Sendung wird diese innerhalb kürzester Zeit getroffen. Nach ausführlichen Gesprächen im Nachgang haben sich Start-up und Investorinnen im Einverständnis dann doch gegen ein Investment entschieden.“
Bei Laxplum hieß es zunächst, Williams sei ausgestiegen, weil sich herausgestellt hatte, dass die speziellen Pflaumen aus Asien, auf denen das Abführmittel basiert, in Pandemiezeiten wohl nur in kleinerer Menge nach Deutschland geholt werden können.
Mittlerweile betonen die Gründer, sie selbst hätten sich nach drei Monaten von Williams getrennt und führen dafür zwei Gründe an: Die Löwin habe Laxplum bei der Drogeriemarktkette DM vermarkten wollen, das Produkt sei aber besser für Apotheken und Reformhäuser geeinigt. Zudem habe Williams für Auftritte in Teleshopping-Sendungen plädiert, die dafür notwendigen großen Mengen des Produkts könne die Firma aber erst 2023 bereitstellen.
Carsten Maschmeyer erklärte nach dem abgesagten Aivy-Investment, ein Altgesellschafter des Unternehmens habe sich quergestellt.
Vox-Gründershow: Suchen die Löwen nur Ausreden?
Und Nils Glagau erklärte, warum er und die Joybräu-Gründer beim Hamburger Proteinbier dann doch getrennte Wege gingen, mit den Worten: In den strategischen Verhandlungen nach der Aufzeichnung habe sich „leider herausgestellt, dass mein Mehrwert über das reine Investment hinaus nicht von allen anerkannt wurde“. Da klang dann doch Enttäuschung, vielleicht sogar Verärgerung durch, was üblicherweise peinlich vermieden wird.
Als Gründe häufig genannt werden „unterschiedliche strategische Ziele“ oder dass sich „in der Due Dilligence neue Aspekte“ ergeben hätten. Ralf Dümmel hat zwar eine unerreicht hohe Erfolgsquote bei seinen Deals, trotzdem weiß er viel über die Gründe, warum es dann doch nicht klappt zwischen „Löwen“ und Gründern. „Unterschiedliche strategische Ziele, das kann natürlich eine Ausrede sein, oft aber auch die Wahrheit. Es gibt auch Gründer, die wollen eigentlich nur einen Nischenmarkt bedienen und ausschließlich im Onlineshop verkaufen. Oder partout gleich mit 20 verschiedenen Varianten eines Produkts auf den Markt gehen, obwohl noch gar nicht klar ist, ob das Konzept funktioniert.“
Auch Unternehmer machen Rückzieher
In die Kategorie „neue Aspekte in der Due Dilligence“, also während der genaueren Überprüfung nach der Sendung, wie das Start-up wirtschaftlich dasteht, fällt bei Dümmel der Fall mit der halben Millionen Euro Schulden. „Auch da kann es 1000 unterschiedliche Dinge geben: Klagen gegen die Firma zum Beispiel oder, dass ein Patent nicht werthaltig ist.“ Zudem hielten sich Gründer manchmal nicht an die mündliche Zusage in der Sendung. „Ich habe von einem Fall gehört, in dem der Gründer hinterher alles noch einmal ganz neu verhandeln wollte.“
Der zu den Kandidaten nicht immer nur freundliche Carsten Maschmeyer bezweifelte in der Sendung sogar, dass die Joybräu-Gründer überhaupt einen Deal machen wollten. „Ich habe den Eindruck, ihr wollt hier nur Marketing machen“, warf er ihnen vor. Ist das für manche Jungunternehmer tatsächlich ein Grund, in die Sendung zu gehen? „Ich will das nicht ausschließen“, sagt Dümmel. „Wenn 300.000 Euro für acht Prozent eines Unternehmens gefordert werden, vier Löwen sagen, dass sie für die Summe 15 Prozent möchten und die Gründer dann ablehnen, ohne einen Kompromiss anzubieten, kann man sich schon fragen, ob sie wirklich einen Deal machen wollten.“
"Höhle der Löwen" für Investoren nur das "schnelle Geschäft"?
Wobei das ein riskanter Weg ist: Die Jungunternehmer haben keinen Anspruch, dass ihr Pitch überhaupt ausgestrahlt wird. Das mussten vor einigen Jahren die Gründerinnen eines Lebkuchen-Start-ups schmerzlich erfahren. Sie machten keinen Deal, gaben später freimütig zu, das vorrangige Ziel sei ohnehin gewesen, kurz vor Weihnachten im TV präsent zu sein. Erst als sie schon eine sechsstellige Summe geliehenen Geldes in die Lebkuchen-Produktion gesteckt hatten, erfuhren die beiden jungen Frauen, dass sie in der Show nicht zu sehen sein würden. Das trieb ihr Unternehmen letztlich an den Rand der Insolvenz.
Und was sagen die Gründer über die wahren Gründe für nicht zustande gekommene Deals? Wenn überhaupt etwas, dann zumeist nur unter der Wahrung ihrer Anonymität. „Den Investoren geht es wohl doch hauptsächlich um das schnelle Geschäft“, sagte eine dem Abendblatt, nach deren Misserfolg offiziell von „unterschiedlichen strategischen Zielen“ die Rede war.
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Auch manche Gründer, die den Deal wirklich umsetzten, klagen später, nach dem riesigen Kundenansturm gleich im Anschluss an die Sendung sei das Engagement ihres Investors doch spürbar geringer geworden. Ralf Dümmel kennt solche Vorwürfe, und er widerspricht vehement: „Ich beteilige mich ja nicht an einem Unternehmen, nur um einmal gut zu verdienen.“ Er verweist auch hier auf eine ungewöhnliche Erfolgsbilanz. „Von unseren Investments sind nach sechs Jahren 60 Prozent immer noch am Markt. Das sind vergleichsweise brutal viele.“ Das bedeute zwar, „dass es auch bei uns 40 Prozent eben nicht schaffen. Das tut mir für jeden einzelnen betroffenen Gründer leid. Aber letztlich sind es eben die Endverbraucher, die entscheiden.“
Sicher ist: Gleich nach einem Auftritt in der TV-Show kommen fast alle Gründer – egal ob sie einen Deal gemacht haben oder nicht – mit der Arbeit kaum noch hinterher. Aber eine Erfolgsgeschichte wie die Ankerkraut-Gründer Anne und Stefan Lemcke, die ihr Gewürz-Start-up wohl für viele Millionen Euro an Nestlé verkaufen werden, schreiben nur sehr wenige von denen, die durch die Löwenhöhle gehen.