Immobilienmarkt in Hamburg wird durcheinandergewirbelt. Plötzlich Preisreduzierungen von bis zu 150.000 Euro bei Häusern. Die Gründe.
- Häuser mit schlechter Energieeffizienz fluten den Hamburger Immobilienmarkt
- Makler sprechen von Preisabschlägen bis zu 150.000 Euro
- Fast 60 Prozent der Immobilieneigentümer kennen die Energieeffizienz ihres Hauses nicht
Das Einfamilienhaus in Osdorf mit 110 Quadratmetern Wohnfläche aus den 1960er-Jahren soll knapp eine Million Euro kosten, inklusive weiterer Energiefresser wie Außenpool und Saunahäuschen. Bei einem Energiebedarf von rund 300 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter kommt der neue Besitzer mit der vorhandenen Ölheizung in der heutigen Zeit sogar fast noch günstig davon. 550 Euro müssen für die Heizung auf dem aktuellen Preisniveau pro Monat kalkuliert werden.
Mit Gas wäre es doppelt so teuer. Die schlechteste Energieklasse H, große Fensterfronten und meterlange Heizkörper-Radiatoren zeigen Interessenten, dass man die Räume mit der jetzt so favorisierten Wärmepumpe nicht warm bekommen wird – und wenn doch, dann würde das auch rund 600 Euro im Monat kosten.
Immobilien Hamburg: Doppelt so viele alte Häuser auf dem Markt
Der Makler gibt sich viel Mühe, das Objekt zu beschreiben: mit Solnhofener Platten belegte Diele, Panoramafenster, geschwungene, offene Mahagoniholztreppe. Doch wer sich durch die Fotos klickt, sieht vor allem den Modernisierungsbedarf. Denn bereits die Überschrift der Immobilienanzeige „Einfamilienhaus (Baugrundstück) in Südwestlage“ macht deutlich: Es geht eher um das Grundstück (880 Quadratmeter) als den Bungalow.
Ein anderer Makler macht sich mit einem ähnlichen Objekt in Sasel erst gar nicht die Mühe, den Bungalow zu beschreiben: „Großzügiges Grundstück in ruhiger Lage mit Altbestand zum Abriss“, ist die Anzeige überschrieben. Für das gleiche Geld gibt es immerhin rund 450 Quadratmeter Grundstück zusätzlich obendrauf.
Immer mehr dieser alten Immobilien kommen jetzt auf den Markt. Wer beim Immobilienportal ImmoScout24 in Hamburg nach einem Einfamilienhaus sucht, hat jetzt mit mehr als 1100 Angeboten die doppelt so große Auswahl wie noch vor einigen Monaten. Und immer mehr ältere Häuser mit schlechter Energieeffizienz sind unter den aktuellen Offerten.
„Die Verkäufer wollen ihre Objekte noch schnell verkaufen"
Das bestätigt auch Nicole Reise, Geschäftsführende Gesellschafterin von Frank Hoffmann Immobilien: „Die Verkäufer merken, dass die Abwärtsspirale begonnen hat und wollen ihre Objekte noch schnell verkaufen.“ Das wachsende Angebot drückt bei zugleich geringerer Nachfrage auf die Preise. Zu den bisherigen Preisvorstellungen ist ein Verkauf kaum möglich.
„Es gibt Preisabschläge von 50.000 Euro pro Objekt, aber mitunter auch von 100.000 bis 150.000 Euro“, sagt Reise. „Wenn man das mit Vergleichsobjekten belegen kann, ziehen die Eigentümer auch meist mit. Denn mit Verlust werden die Objekte ja dennoch nicht verkauft.“ Gemessen an den Berichten des Gutachterausschusses Hamburg haben sich Einfamilienhäuser in Hamburg seit 2010 um 170 Prozent verteuert. Manche Eigentümer hoffen allerdings, dass die Abwärtsspirale am Immobilienmarkt sich nur als kurze Delle erweist „und stellen ihre Verkaufsabsichten zurück und versuchen es mit einer Vermietung“, so Reise.
Große Wohnflächen erhöhen Energierechnung
„Unsanierte Immobilien mit hohem Energieverbrauch werden die Verlierer dieser Entwicklung am Immobilienmarkt sein“, sagt Professor Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfeldes Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), dem Abendblatt. Das liege nicht nur an ihrem hohen Energieverbrauch, sondern auch an den oft überdurchschnittlichen Wohnflächen von 150 bis 200 Quadratmetern, was die Energierechnung weiter erhöht. Ein Trend aus Corona-Zeiten, raus ins Grüne auf große Grundstücke, verblasst schon wieder.
„Die gestiegenen Preise für Benzin und Diesel relativieren auch die Erwartung, dass Pendeln nicht mehr so kostenintensiv ist, wenn man mehrere Tage die Woche im Homeoffice arbeiten kann“, sagt Voigtländer. „Wenn die Kosten für drei Tage Pendeln genauso hoch sind wie vorher für fünf Tage, verlieren Lagen ohne Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr schnell an Attraktivität.“
Heizkosten erhöhen sich extrem
Die Energiekrise zeigt die Probleme dieser Immobilien wie unter einem Brennglas. Als die Kilowattstunde Gas noch fünf Cent kostete, war Größe, Ausstattung und Lage der Immobilie wichtiger als die Energieeffizienzklasse. Selbst in der schlechtesten Klasse H lagen die jährlichen Kosten für Raumwärme und Warmwasser bei 2400 Euro im Jahr, wie das Forschungsinstitut für Wärmeschutz ermittelt hat. Doch jetzt werden für Gas-Neuverträge 34 Cent je kWh fällig. Das führt bei einem Gas-Neuvertrag zu jährlichen Heizkosten von 16.320 Euro bei einem Haus mit der Energieeffizienzklasse H (s. Grafik) und bedeutet monatliche Abschlagszahlungen von 1360 Euro.
Selbst wenn man sich an Bestandsverträgen der Gasversorger orientiert, die zwischen 15 und 20 Cent je kWh liegen, betragen die jährlichen Kosten immer noch zwischen 7200 und 9600 Euro. Im Vergleich zu einem Immobilienbesitzer eines normal gedämmten Einfamilienhauses (Energieklasse C) zahlt der Besitzer eines nicht gedämmten Hauses (Energieklasse H) 200 Prozent mehr für Raumwärme und Warmwasser.
Viele Haus-Eigentümer kennen die Energieeffizienz nicht
Nach einer Untersuchung des Immobilienportals McMakler haben 32 Prozent der in Hamburg angebotenen Immobilien die Energieklasse F bis H, und 51 Prozent liegen in den Klassen C bis E, wobei lediglich bis Klasse C die Energiekosten noch einigermaßen verkraftbar sind, wenn an anderen Haushaltsposten wie Urlaub oder Restaurantbesuche gespart wird. Vielen Hausbesitzern ist aber noch nicht bewusst, was ihnen droht. Nach einer Umfrage von McMakler kennen 58 Prozent der Immobilieneigentümer die Energieeffizienz ihrer Immobilie gar nicht.
Explodierende Nebenkosten und gestiegene Zinsen lassen derzeit viele Kaufpläne platzen. „Wer eine 200 Quadratmeter große Immobilie auf den neuesten Stand bringen will, muss 200.000 bis 300.000 Euro investieren“, sagt Reise. Und das bei sinkenden Zuschüssen des Staates, wie die jüngste Kürzung der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) zeigt. Früher bekam man vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bis zu 30.000 Euro Förderung für den Einbau einer Wärmepumpe, nach der Reform bis zu 24.000 Euro. Für einen Fensteraustausch konnte man früher bis zu 15.000 Euro erhalten, jetzt nur noch 12.000 Euro.
Farbskala informiert über Energieeffizienz
Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen wird der Energieausweis zum wichtigsten Dokument einer Immobilie. Vorbildlich umgesetzt wird das auf Immobilienportalen wie ImmoScout24 und ImmoWelt. Mit einem Blick auf die Farbskala ist man informiert, wie es um die Energieeffizienz der Immobilie steht. Auf den Internetseiten der meisten Makler sucht man diese Farbskala vergeblich, wie eine Stichprobe dieser Zeitung zeigt. Frank Hoffmann Immobilien kann damit aufwarten. „Wir haben einen neuen Softwareanbieter, der das integriert hat“, sagt Geschäftsführerin Reise.
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Haferkamp-Immobilien verwendet zwar auch eine Farbskala (grün bis rot) zu den Energieeffizienzklassen, diese ist allerdings deutlich länger gezogen als jene auf den einschlägigen Immobilienportalen. Bei Haferkamp schimmert selbst ein Energiefresser in Effizienzklasse F noch im grün-gelben Bereich der Skala, obwohl beim Interessenten eigentlich die roten Alarmglocken läuten müssten.
Viele Makler liefern keine optische Orientierung
Viele andere Makler belassen es bei der Angabe des Energieverbrauchs und der Klasse ohne optische Umsetzung. „Eine Einordnung ist aufgrund der festgelegten Angaben und der alphabetischen Klassifizierung auch ohne Farbskala möglich“, sagt Andreas Gnielka, Geschäftsführer von Grossmann & Berger. „Dennoch prüfen wir ihre Einführung auf unserer Website im Zuge der nächsten größeren Überarbeitung.“ Engel & Völkers lässt den Farbbalken bewusst weg.
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine grafische Darstellung in Form des Farbbalkens im ersten Schritt nicht selbsterklärend ist und zu Verwirrungen führen kann“, sagt John Philipp Niemann, Geschäftsführer der Engel & Völkers Residential GmbH. „Daher nennen wir bei unseren Online-Exposés zunächst nur den Energiebedarf und die jeweilige Energieklasse der Immobilie. Im zweiten Schritt stellen unsere Beraterinnen und Berater den Kunden ein ausführliches Exposé mit Integration der Farbskala zur Verfügung und stehen beratend zur Seite.”
Immobilien Hamburg: Makler locken Interessenten an
Eine weitere Variante der Makler ist: „Energieausweis liegt zur Besichtigung vor.“ Dann haben Interessenten zunächst gar keine Orientierung, aber gegen Gesetze verstößt das nicht. „Alle Kaufinteressenten haben bei der ersten Objektbesichtigung einen Anspruch darauf, den Energieausweis zu sehen“, sagt Stefan Heimann von CO2online. Es gibt zwei Arten von Energieausweisen: Der Verbrauchsausweis bewertet den tatsächlichen Energieverbrauch der Bewohner eines Gebäudes. Der Bedarfsausweis bewertet den theoretischen Energiebedarf, der sich aus dem Zustand des Gebäudes ergibt. So ermöglicht er eine nutzerunabhängige Beurteilung.
Ein Verbrauchsausweis ist aufgrund des geringeren Aufwands von den Erstellungskosten her stets günstiger, hat aber nur eine beschränkte Aussagekraft: Denn ein Single im Einfamilienhaus wird weniger Energie verbrauchen als eine vierköpfige Familie. „Ein Energieausweis wird außerdem immer nur für ein gesamtes Gebäude erstellt“, sagt Gnielka. „Daher kann der tatsächliche Bedarf von Wohnung zu Wohnung, vor allem bei älteren Wohngebäuden, erheblich variieren.“