Hamburg. Steigende Zinsen, hohe Energieausgaben und ein Krieg mitten in Europa. Was das für den Kauf von Häusern und Wohnungen bedeutet.

Die Hypothekenzinsen steigen, die Inflationsrate liegt bereits bei mehr als sieben Prozent, der Krieg gegen die Ukraine verunsichert – von diesen Entwicklungen bleibt auch der Immobilienmarkt nicht unberührt, da sind sich alle Experten einig. Soll man seine Immobilie nun zu Höchstpreisen verkaufen oder besser abwarten, vielleicht sogar Eigentum erwerben? Gerade in einer Stadt wie Hamburg, wo die Preise für Häuser und Wohnungen von Rekord zu Rekord eilen, stellen sich viele diese Fragen. Wie geht es nun weiter mit den Immobilienpreisen? Sinken sie – und wenn ja, wann?

Das Abendblatt hat mit Experten gesprochen und analysiert die Perspektiven am Immobilienmarkt für Käufer und Verkäufer – unter besonderer Betrachtung Hamburgs.

Wie wirken sich die gestiegenen Zinsen auf die Finanzierung aus?

Historisch niedrige Zinsen haben den Immobilienboom mehr als ein Jahrzehnt lang befeuert. Doch diese Entwicklung ist Anfang des Jahres zu Ende gegangen. Seitdem steigen die Zinsen für Baufinanzierungen kontinuierlich, haben sich seit Januar 2022 mehr als verdoppelt. Wer heute einen Kredit über 440.000 Euro mit einer zehnjährigen Zinsbindung abschließt, zahlt pro Monat eine Finanzierungsrate aus Zins und Tilgung in Höhe von 1639 Euro. Das sind rund 500 Euro mehr als Mitte Januar 2022 und 809 Euro mehr im Vergleich zu Mitte März 2020 (siehe Grafik).

Bei einer Befragung von 4000 Maklern des Hamburger Immobilienportals Hausgold erwarten 58 Prozent zunehmende Probleme aufgrund steigender Zinsen. 42 Prozent registrieren ein Abwarten bei Kaufentscheidungen.

Was bedeutet diese Entwicklung für die Immobilienpreise?

Wenn der Immobilienkauf plötzlich 500 Euro im Monat mehr kostet als vor wenigen Monaten, liegt es nahe, dass viele Interessenten ihren Traum von den eigenen vier Wänden nicht mehr verwirklichen können. Denn ein Ende des Zinsanstiegs zeichnet sich nicht ab. Um so verwunderlicher ist es, dass ausgerechnet zwei Experten, die Hamburg schon seit Jahren in einer Immobilienblase sehen, zumindest in diesem Jahr dennoch keine sinkenden Immobilienpreise erwarten.

„Neben dem Zinsanstieg gibt es mit der steigenden Inflation einen weiteren Faktor, der die Flucht in Betongold eher verstärken wird“, sagt der Hamburger Ökonom Karl-Werner Hansmann. „Mit einem Preisrückgang rechne ich erst im nächsten Jahr.“ Ähnlich argumentiert der Vorstandsvorsitzende der auf den Immobilienmarkt spezialisierten Beratungsfirma Empirica AG, Reiner Braun. „Wenn nur die Zinsen steigen würden, wäre ein langsamer Rückgang der Immobilienpreise eher zu erwarten.“

Doch viele würden wegen der steigenden Inflation jetzt noch auf den fahrenden Immobilienzug aufspringen. Ob diese Phase nur Monate anhält oder das ganze Jahr über, sei unklar. „Aber mit fallenden Immobilienpreisen in Hamburg rechne ich in diesem Jahr nicht“, sagt Braun. „In jedem Fall werden Neubauobjekte noch deutlich teurer.“ Dafür sorgen allein die Knappheit an Material und Fachkräften. „Hinzu kommt, dass viele genehmigte Bauvorhaben wegen dieser Probleme gar nicht mehr umgesetzt werden und für fallende Preise braucht es ein Überangebot an Wohnungen“, sagt Braun.

Was spricht gegen diese Erwartungen?

Skeptischer ist Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfeldes Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Die Luft in Städten wie Hamburg wird noch dünner, denn bisher hatten es Selbstnutzer dort schon sehr schwer, Immobilieneigentum zu erwerben“, sagt der Experte. Angesichts des aktuellen Zinsniveaus erwartet er eine Stagnation der Immobilienpreise ab dem zweiten Quartal. „Steigen die Zinsen noch auf drei Prozent, kann man auch Preisrückgänge erwarten, denn dann wird es auf breiter Front an Käufern fehlen“, sagt Voigtländer. Die Zahlungsfähigkeit für den Schuldendienst beim Immobilienkauf werde zudem durch die hohen Energiekosten beeinträchtigt.

Auch Marco Wagner von der Commerzbank erwartet, dass die sich abzeichnenden höheren Zinsen die Nachfrage nach Wohnimmobilien spürbar bremsen. Selbst ein Rückgang der Immobilienpreise sei nicht ausgeschlossen. „Schließlich spricht vieles dafür, dass Wohnimmobilien in Deutschland spürbar überteuert sind, was die Bundesbank in ihren regelmäßigen Berichten feststellt“, so Wagner. Sie sieht eine Überbewertung der Immobilienpreise von bis zu 40 Prozent.

Auch Immobilienexperte Konstantin Kholodilin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht die Gefahr von Immobilienblasen. „Aber die steigenden Zinsen reichen nicht aus, um die Blase platzen zu lassen.“ Auslöser dafür könnte eine Rezession sein durch einen Stopp der Gaslieferungen aus Russland. „Wenn dann Schwellenhaushalte, die schon durch die gestiegenen Energiekosten stark belastet sind, Probleme bekommen, ihren Schuldendienst zuverlässig zu leisten, hätte das einen stärkeren Effekt als jetzt die steigenden Zinsen.“

Wie ist die Situation am Hamburger Immobilienmarkt?

Steigende Zinsen, hohe Energieausgaben und der ungewisse Ausgang des Krieges in der Ukraine beeinträchtigen den Immobilienmarkt. „Die Erwartung weitersteigender Zinsen lässt Interessenten vorsichtiger agieren“, sagt Anika Schönfeldt-Schulz vom Immobilienverband Nord. Wegen der steigenden Zinsen würden erste Interessenten ihre Kaufabsichten aufgeben. „Probleme mit den KfW-Förderkrediten kommen noch hinzu, und es platzen vereinzelt auch schon zugesagte Kredite von Banken, weil die eine Neubewertung vornehmen“, sagt die Maklerin.

„Es gibt erste Kunden, die ihre Kaufabsichten im Moment aufgeben, aber das sind noch Ausnahmen“, bestätigt Andreas Gnielka, Geschäftsleiter Wohnen Bestand bei Grossmann & Berger. „Die Zeit der Belastungsfaktoren währt noch zu kurz, um verlässliche Auswirkungen auf den Immobilienmarkt zu diagnostizieren“, so Gnielka. „Aber ich rechne damit, dass sie sich im dritten Quartal zeigen werden, in welcher Form lässt sich noch nicht abschätzen.“

Wie haben sich seit Jahresanfang die Preise entwickelt?

Im ersten Quartal 2022 sind die Angebots-Immobilienpreise in Hamburg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum im zweistelligen Prozentbereich gestiegen, wie aus Daten von Empirica hervorgeht. So verteuerten sich Eigentumswohnungen aus dem Bestand um 10,6 Prozent und gebrauchte Einfamilienhäuser um 14,1 Prozent. „Die Käufer in Hamburg sind immer noch mit sehr viel Eigenkapital von 40 bis 50 Prozent des Kaufpreises unterwegs und spüren deshalb die gestiegenen Zinsbelastungen nicht so stark wie das in Musterrechnungen aussieht“, sagt Gnielka. Allerdings gilt das nicht für die Masse der Immobilienkäufer.

Im Schnitt finanzieren die Hamburger ihre Immobilie zu 76,5 Prozent und nehmen dafür einen Kredit über rund 440.000 Euro auf, wie sich aus Daten des Baugeldvermittlers Dr. Klein für das erste Quartal ergibt. Gnielkas Kollegin Schönfeldt-Schulz sagt: „Steigen die Zinsen in Richtung drei Prozent werden sich in Hamburg immer noch genug Menschen den Traum vom Eigenheim erfüllen können.“ Bei Verkäufern registriert die Maklerin aber eine gewisse Zurückhaltung. „Sie stellen ihre Verkaufsabsicht zurück, weil sie eine Sachanlage derzeit für sicherer halten als einen hohen Geldbestand“, sagt Schönfeldt-Schulz.

Wie sieht es mit der Nachfrage nach Baufinanzierungen aus?

„Die Nachfrage nach privaten Baufinanzierungen bei uns ist nach wie vor rege“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. „Trotz des jüngsten Zinsanstieges denken weiter viele unserer Kunden über den Kauf einer Immobilie nach.“ Zusätzlich habe Corona dazu geführt, dass Wohnen und damit die eigene Immobilie eine noch größere Bedeutung für die Kunden bekommen habe. Deshalb geht die Haspa weiter vom einer hohen Nachfrage nach Baufinanzierungen aus. Und das Zinsniveau sei historisch gesehen vergleichsweise niedrig.

Welche Probleme haben potenzielle Käufer bei der Finanzierung?

Neben anziehenden Preisen wird der Anstieg der Zinskonditionen zu einem Problem bei den Kreditverhandlungen. „Selbst wenn die Kreditentscheidung nur wenige Wochen dauert, können die Zinsen in dieser Zeit schon wieder um 0,15 Prozentpunkte gestiegen sein“, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung. „Bei einem Darlehen von 400.000 Euro bedeutet das eine zusätzliche Zinsbelastung von 50 Euro pro Monat – und 6000 Euro innerhalb von zehn Jahren“, rechnet der Experte vor.

„Die Verunsicherung der potenziellen Käufer ist groß“, bestätigt Dirk Scobel von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Wir raten bei Kaufplänen nicht mehr mit einem bestimmten Zinssatz zu kalkulieren, sondern einem Wert aus Zins und Tilgung“, sagt er. Steigen die Zinsen weiter, kann man die Tilgung etwas geringer ansetzen. Angemessen in der jetzigen Situation sei ein Wert von fünf Prozent. „Bei einer Kreditsumme von 400.000 Euro beläuft sich die jährliche Belastung auf 20.000 Euro im Jahr, das sind 1667 Euro im Monat“, rechnet der Verbraucherschützer vor.