Hamburg. Der Chef des Ökostromanbieters Lichtblick spricht über Preisschocks für private Haushalte, Homeoffice und autarke Häuser.

Die Energiepreise steigen, Gas könnte knapp werden; und wer auf eine Wärmepumpe umstellen will, muss lange, lange warten. Wie geht das weiter, was kann man als Verbraucher tun? Darüber spricht in unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ Constantin Eis (39), der CEO des Ökostromanbieters Lichtblick.

Das sagt Constantin Eis über ...

… die Preissteigerungen für Gas und Strom:

„In den vergangenen 20 Jahren war Energie mehr oder weniger preislich stabil, die Situation, in der wir uns jetzt befinden, ist neu. Vor einem Jahr lag der Gaspreis pro Megawattstunde bei 20 Euro, jetzt ist er bei 200 Euro. Bei Strom kommen wir von 50 Euro und werden 2023 über 500 Euro liegen. In Frankreich muss für eine Megawattstunde Strom sogar schon 1600 Euro gezahlt werden, was unter anderem daran liegt, dass zwei Drittel aller Atomkraftwerke dort wegen verschiedener Probleme derzeit abgeschaltet sind.

Die Preissteigerungen stellen uns vor große Herausforderungen, weil wir die Energie für unsere Kundinnen und Kunden normalerweise langfristig einkaufen und jetzt nicht voraussagen können, ob beziehungsweise wie lange die Preise so hoch bleiben. Wir müssen viel mehr Geld in die Hand nehmen, um die Versorgung in Zukunft zu sichern, und laufen dabei Gefahr, viel zu viel für Gas oder Strom zu bezahlen. Das sind Risiken, die wir in der Vergangenheit nicht meistern mussten.“

… die Frage, was auf die privaten Haushalte zukommt:

„Unsere Bestandskundinnen und -kunden profitieren heute von der Energie, die wir vor einem Jahr zu deutlich niedrigeren Preisen eingekauft haben. Die meisten werden die tatsächlichen Preissteigerungen erst 2023 erleben, wir sprechen von dem Faktor drei bis vier, um den sich die Kosten erhöhen, wobei es darauf ankommt, von welchem Niveau man startet, ob man bisher beispielsweise 5 Cent oder 8 Cent für die Kilowattstunde bezahlt hat. Wenn ein Haushalt im Jahr 2022 rund 2000 Euro für Gas bezahlt hat, werden es 2023 irgendetwas zwischen 6000 und 8000 Euro werden.

Das ist gesellschaftlich eine riesige Herausforderung, die uns bevorsteht. Was ich nicht glaube, ist, dass die Menschen Angst haben müssen, im Winter in kalten Räumen zu sitzen. Die Versorgung mit Gas ist gewährleistet, wobei es natürlich davon abhängt, wie kalt der Winter wird. Es gab mal eine Übung in Süddeutschland, in der simuliert wurde, was passiert, wenn wir einen Winter erleben, in dem die Temperaturen an mehr als 40 Tagen niedriger als minus fünf Grad betragen. Dann würden wir Probleme kriegen, aber dass wir angesichts des Klimawandels tatsächlich eine so lange Kältephase in Deutschland erleben, ist extrem unwahrscheinlich.“

… die Deutschen und die billige Energie:

„Wir sind ein Land, das sehr kosten­bewusst ist, ein Teil unseres Wohlstands haben wir der sehr billigen Energie zu verdanken – die auch aus Russland kam, da müssen wir ehrlich sein. Gesellschaftlich wollten wir das auch so, alle gemeinsam. Deshalb müssen wir auch alle gemeinsam dort wieder rauskommen und die Abhängigkeit von fossilen Energie reduzieren.

Dabei nutzt es aus meiner Sicht nur sehr kurzfristig, wenn wir jetzt Gas aus Russland gegen Gas aus Katar tauschen. Wir wollen unseren Gaskundinnen und -kunden in den nächsten Jahren dabei helfen, vom Gas wegzukommen, um als Unternehmen insgesamt bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu werden.“

… Privathäuser, die ihre eigene Energie produzieren:

„Wir arbeiten derzeit an einem Programm, mit dem 25.000 Häuser in Deutschland in die Lage versetzt werden sollen, ihren eigenen Strom zu produzieren, ihn zu speichern und damit unter anderem eine Wärmepumpe zu betreiben, mit der sie heizen können. Das ist das Geschäftsfeld; in das wir, neben dem Bau von eigenen Anlagen, am meisten investieren. Hierfür planen wir Ausgaben in Höhe von 500 Millionen Euro.

Vom 1. November an wird man bei uns Fotovoltaik und Batterien kaufen können, die wir dann einbauen. Ich glaube, dass sich eine Kombination aus Fotovoltaik und Wärmepumpe durchsetzen wird, kombiniert mit Elektro-autos, deren Batterien man auch nutzen kann, um den selbst erzeugten Strom zu speichern. Solarthermie ist dagegen derzeit keine Technologie, die extrem wächst.“

… Wärmepumpen in alten Häusern:

„Idealerweise bieten sich Häuser mit einer Fußbodenheizung oder großen Wandheizung für die Nutzung von Wärmepumpen an. Auch alte Immobilien kann man mit Wärmepumpen gut beheizen, wenn die Rohre und Heizkörper neu und modern sind und niedrige Vorlauftemperaturen haben. Darauf sollten wir uns konzentrieren und weniger wie in der Vergangenheit auf die Dämmung von Häusern. Denn erstens bringt die nicht so viel, wie oft behauptet wird, und zweitens ändert sich durch die Dämmung eines Hauses wenig an unserem CO2-Ausstoß. Ziel muss es sein, ganz auf Gas zu verzichten.“

… flexibles und mobiles Arbeiten, das gegen tote Zeiten und beim Energiesparen hilft:

„Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen im Schnitt 45 Minuten, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu kommen. Wenn man das mal hochrechnet, heißt das: 45 Minuten mal zwei, für Hin- und Rückfahrt, an fünf Tagen in der Woche – das ist de facto ein Arbeitstag, den die Kolleginnen und Kollegen mit der An- und Abfahrt verbringen. Das ist oftmals verlorene Zeit, die sie weder für sich selbst noch für ihre Familie oder das Unternehmen haben.

Dagegen wollten wir etwas tun und unseren Leuten ermöglichen, so flexibel wie möglich zu arbeiten. Alle können bei Lichtblick von dort arbeiten, wo sie möchten, solange die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert. Übrigens kann Homeoffice in diesem Winter auch dabei helfen, Energie zu sparen, wenn nicht sowohl Wohnungen als auch Büros beheizt werden müssen.“

Der Fragebogen

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Astronaut, weil mich das Universum immer schon interessiert hat – ich fand es sehr spannend, als Kind Sterne zu beobachten.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Wissen startet mit Neugierde.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Als Kind ganz klar meine Eltern, beide sehr unternehmerisch. Heute inspirieren mich Menschen wie Barack Obama (als wir in New York gelebt haben).

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Dass ich am besten nicht zum Gymnasium gehen solle, sondern eher auf die Real- oder Hauptschule. Dass ich dann trotzdem ein sehr gutes Abitur gemacht habe, war in der 4. Klasse nicht absehbar.

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?

Ich habe früh Verantwortung bei uns in der Familie übernommen, und ich genieße es, Sachen zu gestalten, das macht mir die meiste Freude und entspricht auch meinen Stärken.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Mit Sicherheit mein erster Chef bei Roland Berger – Max Falckenberg, aber auch die Samwer-Brüder

Auf wen hören Sie?

Meine Frau und meine Tochter.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Cool head, warm heart, hard working hands.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Seinen Mitarbeitenden nicht vertrauen.

Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?

Transparenz, Ehrlichkeit, Vertrauen.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Früher wichtiger als heute – aber immer noch leider ein Punkt, den ich noch nicht komplett losgelassen habe.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Kalkulierte Risiken einzugehen, besser etwas zu machen, als zu warten, bis es gemacht wird. Zu wissen, dass sie mit jeder Herausforderung immer zu mir kommen können – die Tür ist immer auf

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Früher Noten, Universität, Berufserfahrung – heute vielmehr, was hinter dem Lebenslauf steckt: Hat die Person eine Krise überwunden, hat sie ihr Abitur über den 2. Bildungsweg gemeistert, was treibt die Person an? Warum steht sie morgens auf?

Duzen oder siezen Sie?

Duzen.

Was sind Ihre größten Stärken?

Eine Strategie zu formulieren und diese dann umzusetzen. Ich bin eher für die groben Dinge gut, nicht für Prozesse und Details.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Überschätzen von Geschwindigkeit – ich tendiere dazu, Dinge sehr zu simplifizieren, und erwarte, dass mein Umfeld das auch so sieht.

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Ich würde gerne Barack Obama näher kennenlernen und auch Wladimir Putin, mich interessiert wirklich, wie man so denken kann, wie er das tut.

Was würden Sie ihn fragen?

Barack Obama würde ich fragen, ob Michelle nicht die erste Präsidentin von Amerika werden will – und wenn nicht, warum nicht. Putin würde ich fragen, wie er das humanitäre Leid, das er über die Menschen bringt, mit seinem eigenen religiösen Weltbild übereinbringt.

Was denken Sie über Betriebsräte?

Ich glaube, dass Betriebsräte und Gewerkschaften ihren großen Beitrag in der Vergangenheit geleistet haben, die Interessen der Mitarbeitenden zu stärken und zu schützen. Gerade zu Beginn der Industrialisierung waren diese Institutionen elementar wichtig. Ich glaube aber, dass ihre Bedeutung rapide abnimmt – da Mitarbeitende heute deutlich mehr ihre Interessen vertreten und der Gesetzgeber einen guten Rahmen setzt.

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Zu überschätzen, dass Veränderung überall auf Gegenliebe stößt.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Lernen hört im Leben nicht auf.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

60–80.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

Sechs bis acht.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Erstaunlicherweise kann ich nachts gut schlafen, auch in stressigen Situationen.

Wie kommunizieren Sie?

Über E-Mail, WhatsApp, Slack, Teams.

Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?

Zu viel – ich würde gerne wieder mehr Menschen treffen. Corona hat das teilweise zum Negativen verändert.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Findet etwas, was euch Spaß macht, nicht, was euch viel Geld bringt.

Was unterscheidet den Menschen von dem Manager Eis?

Der Manager ist deutlich konfrontativer als der Mensch. Beide haben aber eine starke Meinung zu Themen.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Vielen Dank für das Interview.