Die Mieten sinken leicht, Kaufpreise legen noch zu. Experten sehen Hamburg als erste deutsche Stadt auf gefährlichstem Höchstniveau.

  • Hamburg erreicht höchste Stufe im Immobilien-Blasenindex
  • Immobilienpreise klettern deutlich schneller als die Mieten
  • Mieten in Hamburg sinken leicht - teilweise auch im Umland

Für Hamburgs Mieter ist das eine erfreuliche Nachricht: Im dritten Quartal sind die Mieten für Bestandswohnungen im Vergleich zu dem Vorquartal um knapp ein Prozent gesunken. Der Durchschnittswert liegt jetzt bei 11,22 Euro je Quadratmeter Wohnfläche (kalt), wie aus den neuesten Daten des Forschungs- und Beratungsinstituts Empirica hervorgeht. Auch das Hamburger Unternehmen F+B registriert für Hamburg stagnierende Mieten im Quartalsvergleich.

Im zweiten Quartal lag der Durchschnittswert nach den Erhebungen von Empirica noch bei 11,31 Euro. Diese Entwicklung erfasst auch das Hamburger Umland. In Pinneberg konnten Vermieter ihren Mietern bei Neuvermietung gerade noch 0,1 Prozent mehr abknöpfen als im zweiten Quartal, und mit Ausnahme der Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg gehören Steigerungsraten von mehr als zwei Prozent der Vergangenheit an.

Immobilienblase: Fallen die Preise für Hamburger Wohneigentum?

Für Immobilienkäufer zeichnet sich dagegen keine Entspannung ab. Die Immobilienpreise klettern deutlich schneller als die Mieten. So verteuerten sich Eigentumswohnungen in Hamburg erneut um 2,4 Prozent vom zweiten auf das dritte Quartal. Die jüngste Entwicklung unterstreicht einen langfristigen Trend: Von 2016 bis 2021 sind die Mietpreise in der Stadt Hamburg um 16,2 Prozent gestiegen, die entsprechenden Kaufpreise für Eigentumswohnungen kletterten im selben Zeitraum um 62,3 Prozent.

Erstmals hat Hamburg nun die höchste Stufe im Immobilien-Blasenindex von Empirica erreicht. Im Vergleich der sieben größten Metropolen wie Berlin, Frankfurt oder München ist Hamburg die erste Top-Metropole, die das gefährlichste Niveau bei einer Immobilienblase erreicht hat. Bundesweit gehört Hamburg damit zu den zehn Prozent an Städten und Landkreisen, die in diese höchste Kategorie fallen. Was bedeutet das für die weitere Preisentwicklung in Hamburg? Welche Faktoren bestimmen die Blasenbildung. Wie gefährlich ist die Immobilienblase in Hamburg? Wann platzt sie? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Immobilien-Blasenindex – was ist das?

Eine Immobilienblase droht, wenn der Normalverdiener sich die Immobilie nicht mehr leisten kann, weil die Kaufpreise schneller als die Mieten oder die Einkommen steigen und immer mehr Wohnungen über den Bedarf hinaus gebaut werden. Diese Entwicklung wird mit drei Indikatoren gemessen. Der sogenannte Kaufpreisfaktor betrachtet das Verhältnis zwischen Kaufpreis und Jahresmieteinnahmen. Dieser Faktor liegt in Hamburg inzwischen bei 43,4. Im Jahr 2005, als es noch keinerlei Blasengefahr gab, betrug der Kaufpreisfaktor 24,5.

Mehr als zehn Netto-Jahreseinkommen (10,3) sind in Hamburg für den Kauf einer selbst genutzten Eigentumswohnung nötig. Dieser Wert hat sich seit 2005 mehr als verdoppelt. Der dritte Indikator misst die fertiggestellten Wohneinheiten pro 1000 Einwohner. Dabei geht es darum, ob mehr Einheiten als die prognostizierte Neubaunachfrage errichtet werden. Mit 6,1 Fertigstellungen je 1000 Einwohner hat sich der Wert seit 2005 verdreifacht. „Der Indikator für Fertigstellungen ist in Hamburg jetzt erstmals auf Rot gesprungen“, sagt Reiner Braun, Vorstand von Empirica.

Wie gefährlich sind die einzelnen Indikatoren?

Mehr neue Wohnungen sollten eigentlich einer Blasenbildung entgegenwirken. Aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. „Wir sehen inzwischen in Hamburg, dass mehr als 150 Prozent der Neubaunachfrage fertiggestellt werden“, sagt Braun. So lag die Zahl der Fertigstellungen 2020 bei 11.269 Einheiten und die Neubaunachfrage bei 7227 Einheiten. Und ab 2022 sinkt die jährliche Nachfrage auf weniger als 7000 Einheiten.

Der hohe Kaufpreisfaktor von 43,4 bedeutet, dass Vermieter mehr als 43 Jahresnettokaltmieten benötigen, um die Immobilie abzubezahlen. Der extrem hohe Faktor ist eigentlich nur noch gerechtfertigt, wenn die Mieten in den nächsten Jahren noch deutlich steigen, doch danach sieht es nicht aus. Immobilienexperten sprechen bei einem Kaufpreisfaktor von unter 25 von einem noch moderaten Kaufpreisniveau. „Höhere Kaufpreisfaktoren können auf eine Überhitzung des regionalen Marktes hinweisen“, sagt Eva Grundwald, Leiterin des Immobiliengeschäfts der Postbank.

Hamburger müssen mehr als zehn Jahreseinkommen für den Kauf einer Eigentumswohnung aufwenden. Das schlägt sich vor allem in einer hohen Verschuldung nieder. Nach den Zahlen des Baugeldvermittlers Dr. Klein nehmen sie im Schnitt im dritten Quartal einen Kredit über 495.708 Euro auf. Alle Faktoren zusammen zeigen, wie überhitzt der Hamburger Immobilienmarkt ist.

Wann platzt die Immobilienblase?

Das können auch die Experten nicht voraussagen. „Wir können nur Hinweise auf eine drohende Blasenbildung geben und dafür verschiedene Warnstufen anzeigen“, sagt Braun. Die Bildung einer Immobilienblase erstreckt sich über sehr viele Jahre, und wann sie platzt, kann keiner voraussagen. Hamburg erreichte erstmals im vierten Quartal 2011 eine mäßige Blasengefahr, die dann 2016 in eine hohe Gefahr überging und jetzt die höchste Stufe des Blasenindex erreichte.

„Es kann durchaus noch einige Jahre dauern, bis die Immobilienblase platzt“, sagt der Hamburger Ökonom Karl-Werner Hansmann. Die Diskrepanz zwischen Miet- und Preisentwicklung ist für ihn das entscheidende Kriterium. „Die Käufer spekulieren wie bei Aktien auf immer weiter steigende Preise, sonst würden sie auf diesem Preisniveau nicht mehr kaufen“, sagt der frühere Vizepräsident der Universität Hamburg. Gefördert werde die Entwicklung noch durch die niedrigen Zinsen. „Viele sind sich aber nicht der Gefahr der hohen Verschuldung beim Immobilienkauf bewusst“, sagt Hansmann.

Was passiert, wenn eine Immobilienblase platzt?

Das hängt vor allem von den Immobilieneigentümern ab. Wenn alle verkaufen wollen, sind stark sinkende Preise vorgezeichnet. Denn potenzielle Käufer werden in einer solchen Phase eher auf weiter sinkende Preise spekulieren. Experte Braun schätzt das Rückschlagpotenzial für Hamburg auf 30 bis 35 Prozent. „Selbstnutzer werden die Füße stillhalten, wenn sie langfristig finanziert haben“, sagt Braun. Die Gefahren gehen eher von institutionellen Erwerbern aus, die die Preise von Eigentumswohnungen nach oben getrieben haben und um ihre Bilanzen fürchten.

„Wenn eine Immobilienblase platzt, wird Vermögen vernichtet, weil die Buchwerte der Immobilien an Wert verlieren. Es entstehen Leerstände, und im schlimmsten Fall kommt es zu einer Bankenkrise, weil die Kreditausfälle überhandnehmen“, sagt Braun. Die größte Gefahr, um die Blase zum Platzen zu bringen, sieht er in steigenden Zinsen. Dafür reicht schon ein Anstieg auf zwei Prozent aus. „Wenn die Banken erkennen, dass die Inflation längerfristig bleiben wird, werden sie die Zinsen auch ohne die Europäische Zen­tralbank erhöhen“, sagt Braun.

Welche Immobilien wird es beim ­Einbruch besonders hart treffen?

„Das obere Preissegment bei Immobilien wird am stärksten betroffen sein“, sagt Braun. Dort, wo die Preise am stärksten gestiegen seien, müsse man am Ende auch mit den größten Rückschlägen rechnen. Er sieht vor alle aktuelle Qua­dratmeterpreise von 8000 bis 10.000 Euro als besonders stark betroffen an. „Einfamilienhäuser wird es in Hamburg weniger stark treffen“, so Braun. Ihr Preisanstieg ist hinter dem der Eigentumswohnungen zurückgeblieben und sie werden stärker von Selbstnutzern bewohnt, für die Renditeüberlegungen kaum eine Rolle spielen.

Wie wirkt sich die anziehende Inflation auf die Immobilienblase aus?

„Ich denke, die Gruppe, die noch nicht gekauft hat, wird mit der steigenden Inflation erst recht ermuntert, jetzt in Betongold zu investieren“, sagt Hansmann. Experte Braun sieht noch einen anderen Effekt: „Je mehr Inflation, desto unauffälliger entweicht die Luft aus der Preisblase.“ Denn im Zuge der Inflation würden auch die Löhne stärker zulegen, sodass sich die Hamburger wieder teurere Immobilien leisten könnten. Auf diese Weise könnte die Blasengefahr sinken – ganz ohne Crash.