Hamburg. Ob Bestand oder Neubau: Forschungsinstitut sieht auch für die umliegenden Kreise der Metropolregion eine große Blasen-Gefahr.
- „Die aktuelle Entwicklung ist typisch für das Entstehen einer Immobilienblase", sagt der Hamburger Ökonom Karl-Werner Hansmann
- Beim Immobilienkauf nehmen Hamburger immer größere Risiken in Kauf. Die durchschnittliche Kredithöhe lag im zweiten Quartal 2021 bei rund 446.400 Euro
Auf den ersten Blick sind es nur zwei Immobilienangebote, doch sie stehen für eine Entwicklung, die immer dramatischere Ausmaße annimmt. Eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in Eppendorf soll über 400.000 Euro kosten. Die winzigen Zimmer sind etwas hergerichtet, aber der Balkon ist so schmal, dass man darauf kaum stehen kann.
Pro Quadratmeter Wohnfläche soll der Käufer 7830 Euro für den Altbau bezahlen. Da erscheint ein Neubau in ähnlicher Größe für 4818 Euro je Quadratmeter wie ein Schnäppchen. Allerdings entsteht der Neubau in Uetersen, 30 Kilometer von Eppendorf entfernt.
Ob aus dem Bestand oder Neubau: Die Immobilienpreise kennen nur noch eine Richtung, nach oben. Der Käufer in Uetersen zahlt heute 113 Prozent mehr als 2015, und in Eppendorf beträgt die Preissteigerung rund 80 Prozent in diesem Zeitraum. Angesichts der hohen Quadratmeterpreise in der Hansestadt fallen die prozentualen Steigerungen geringer als im Umland aus.
Immobilien-Experte: Blase hat Hamburg längst erfasst
„Die Entwicklung ist typisch für das Entstehen einer Immobilienblase, die Hamburg längst erfasst hat“, sagt der Hamburger Ökonom Karl-Werner Hansmann. „Erst steigen die Preise rund um die Alster, dann auch in Lurup oder Rahlstedt, und schließlich schwappt die Entwicklung stetig steigender Immobilienpreise in das Umland über.“ Das Phänomen hat inzwischen fast die gesamte Bundesrepublik erfasst. In über 80 Prozent der Landkreise und kreisfreien Städte registriert das Forschungs- und Beratungsinstitut Empirica eine Blasengefahr.
Dazu gehören Hamburg und alle umliegenden Landkreise, wie aus dem Blasenindex von Empirica für das zweite Quartal hervorgeht. Hamburg und die Kreise Herzogtum-Lauenburg, Pinneberg, Stormarn, Harburg, Lüneburg und Stade befinden sich danach bereits in einer „eher hohen Blasengefahr“, und im Kreis Segeberg wird sogar eine „hohe Blasengefahr“ verzeichnet.
Wohnimmobilien in Hamburg haben sich um 8,1 Prozent verteuert
Ein Grund dafür ist, dass in dem Kreis mehr Neubauwohnungen als in Hamburg errichtet werden. Die Gefahr: Viele von ihnen könnten bald leer stehen. Bezogen auf 1000 Einwohner lagen die Fertigstellungen im Kreis bei 6,6 Wohneinheiten und in der Hansestadt bei 5,3. Alle drei Indikatoren für den Blasenindex stehen in Segeberg auf Rot, während es in Hamburg nur zwei sind.
Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen, wie die neuesten Zahlen des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp) belegen. Dabei werden nicht Angebotspreise aus Immobilienportalen ausgewertet, sondern die tatsächlichen Kaufpreise aus den Kreditverträgen. Danach haben sich die Wohnimmobilien in Hamburg im zweiten Quartal 2021 um 8,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal verteuert. Die Hansestadt liegt über dem Durchschnittswert von 7,5 Prozent für die sieben größten Metropolen.
Immer mehr Menschen wünschen sich Wohneigentum
„Seit den Lockdowns wünschen sich immer mehr Menschen Wohneigentum“, sagt vdp-Geschäftsführer Jens Tolckmitt. „Leider kann das Angebot immer noch nicht mit der starken Nachfrage mithalten, was zu einer weiteren Verteuerung der Wohnimmobilienpreise führt.“ Konkret stiegen die Preise für Eigentumswohnungen in Hamburg im Jahresvergleich um zwölf Prozent und Einfamilienhäuser um 7,3 Prozent. Die Corona-Pandemie hat die Preisentwicklung eher befeuert. Das hat auch viele Experten wie Hansmann überrascht.
Anders als die Immobilienpreise steigen die Mieten in Hamburg kaum noch. Vom ersten zum zweiten Quartal 2021 erhöhten sich Bestandsmieten nur um 0,3 Prozent auf 11,66 Euro Euro (kalt) je Quadratmeter. Für Neubauwohnungen stiegen die Mieten in diesem Zeitraum um 0,4 Prozent auf 13,59 Euro je Quadratmeter, wie das Portal ImmoScout24 ermittelte. In den nächsten zwölf Monaten werden nach einer Prognose des Portals die Mieten in der Hansestadt nur noch um 2,7 Prozent steigen, der niedrigste Wert unter den sieben großen Metropolen wie Berlin, München oder Frankfurt.
Mietpreisentwicklung ist keine Momentaufnahme
„Hamburg ist auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Mietmarkt, in dem Angebot und Nachfrage sich annähern, und erreicht dadurch die höchste Preisstabilität“, sagt Thomas Schroeter, Geschäftsführer von ImmoScout24. Die Mietpreisentwicklung ist keine Momentaufnahme. In den vergangenen fünf Jahren sind die Mieten in der Hansestadt um 19 Prozent gestiegen, wie aus einer Untersuchung des Immobilienportals Immowelt hervorgeht.
Das liegt zwar deutlich über der allgemeinen Preissteigerung, die in diesem Zeitraum bei acht Prozent lag, aber Hamburg bleibt im Vergleich der sieben größten Metropolen unterdurchschnittlich von Mietpreissteigerungen betroffen. Die Preise für Eigentumswohnungen in Hamburg stiegen dagegen in dem Fünfjahreszeitraum um 52 Prozent.
Käufer spekulieren wie bei Aktien auf immer weiter steigende Preise
„Das ist eine ökonomisch ungesunde Entwicklung, die schon seit Jahren anhält“, sagt Hansmann. Für den Experten befindet sich Hamburg schon seit Jahren in einer Immobilienblase, und die Diskrepanz zwischen Miet- und Preisentwicklung ist für ihn das entscheidende Kriterium. „Die Käufer spekulieren wie bei Aktien auf immer weiter steigende Preise, sonst würden sie auf diesem Preisniveau nicht mehr kaufen“, sagt der frühere Vizepräsident der Universität Hamburg. Gefördert werde die Entwicklung noch durch die niedrigen Zinsen. „Viele sind sich der Gefahr der hohen Verschuldung beim Immobilienkauf nicht bewusst“, sagt Hansmann.
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Beim Immobilienkauf nehmen die Hamburger immer größere Risiken in Kauf. Die durchschnittliche Kredithöhe lag im zweiten Quartal 2021 bei rund 446.400 Euro, wie aus Daten des Baufinanzierungsvermittlers Dr. Klein hervorgeht. 2015 kamen die Hamburger noch mit einer Kreditsumme von 248.000 Euro aus. Damit hat sich die Kreditbelastung um 80 Prozent erhöht. Die Einkommensentwicklung hat mit der höheren Kreditaufnahme nicht Schritt gehalten.
Vergabe von Baukrediten macht Braun Sorgen
„Durch die kontinuierlich ansteigende Haushaltsverschuldung wächst das Risiko, bei sich ändernden äußeren Umständen in eine finanzielle Schieflage zu geraten“, sagt Alexander Krolzik, Abteilungsleiter Immobilienfinanzierung bei der Verbraucherzentrale Hamburg. „Das bedeutet für die Darlehensnehmer ein höheres Risiko im Hinblick auf eventuell gestiegene Zinsen zum Zeitpunkt der Anschlussfinanzierung.“
„Eine Blase droht, wenn der Normalverdiener sich die Immobilie nicht mehr leisten kann, weil die Kaufpreise schneller als die Mieten oder die Einkommen steigen und immer mehr Wohnungen über den Bedarf hinaus gebaut werden und dazu immer mehr Kredite aufgenommen werden“, sagt Reiner Braun, Vorstand von Empirica. Alle diese Daten fließen in den Blasenindex ein. Vor allem die Vergabe von Baukrediten macht Braun Sorgen. „Bundesweit steigt vor allem der Teilindex für Baukredite im zweiten Quartal um neun Punkte“, sagt Braun. Dabei wird die Kreditvergabe und die Entwicklung der Zinsen auf Basis der Daten der Bundesbank erfasst.
Zunehmende Stadtflucht könnte einen Preisrutsch in Gang setzen
Hamburg hat aber auch in den anderen Teilindizes bedenklich hohe Werte. So liegt der Kaufpreisfaktor für eine Eigentumswohnung bei 42,3, also mehr als 42 Jahreskaltmieten müssen vereinnahmt werden, um den Kaufpreis wieder einzuspielen. Für Selbstnutzer ist das Preis-Einkommen-Verhältnis wichtiger. Inzwischen kostet die Immobilie fast elf Jahreseinkommen. Gegenüber 2005 hat sich der Wert mehr als verdoppelt.
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„Wir können nur Hinweise auf drohende Blasenbildung geben und dafür verschiedene Warnstufen anzeigen“, sagt Braun. Gemessen wird dabei die Entwicklung seit dem blasenfreien Referenzjahr 2005. Braun sieht deutschlandweit ein Preisrückschlagpotenzial von 30 Prozent. In den sieben größten Metropolen, wozu auch Hamburg gehört, sind es sogar 47 Prozent. Auch die zunehmende Stadtflucht oder die steigende Arbeitslosigkeit in den Städten könnten einen Preisrutsch in Gang setzen, so Braun.
Wenn eine Immobilienblase platzt, wird es gefährlich. „Dann wird Vermögen vernichtet, weil die Buchwerte der Immobilien an Wert verlieren. Es entstehen Leerstände, und im schlimmsten Fall kommt es zu einer Bankenkrise, weil die Kreditausfälle überhandnehmen“, sagt Braun. Bis es so weit ist, könnten noch einige Jahren vergehen, wenn man die Daten aus Spanien oder Irland, wo Immobilienblasen platzten, heranzieht.