Hamburg. Die hohe Inflation beschäftigt derzeit alle Verbraucher. Doch in welchem Ausmaß sind die Produkte teurer geworden? Der große Test.
„Ist das teuer geworden!“ Wer sich in diesen Tagen mit Freunden und Bekannten unterhält, kommt häufig auf ein Thema: die stark steigenden Preise. Seien es die hohen Kosten für Diesel (Rekordhoch) und Benzin (wenige Cent pro Liter unter der Höchstmarke), das Heizen mit Gas, die Rechnung für Strom, das Buchen eines Urlaubs – und die hohe Endsumme beim Einkaufen im Supermarkt oder beim Discounter.
Bei 4,5 Prozent dürfte die Inflationsrate hierzulande im Oktober liegen. Das ist der höchste Stand seit 28 Jahren. Als Treiber dieser Entwicklung gelten vor allem die Energiepreise. Sie erhöhten sich binnen Jahresfrist laut dem Statistischen Bundesamt um 18,6 Prozent. Die zwei Hauptgründe: Die Nachfrage nach Rohöl ist weltweit hoch, weil die Konjunktur sich nach dem Einbruch in der Corona-Krise erholt.
Inflation: Preissteigerungsrate weiter angeheizt
Zudem werden in Deutschland seit Jahresbeginn 25 Euro je Tonne Kohlendioxid fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Und während das befristete Senken der Mehrwertsteuer in der zweiten Jahreshälfte 2020 inflationsdämpfend wirkte, sorgt das Auslaufen dieser Corona-Regelung nun seit Juli für ein weiteres Anheizen der Preissteigerungsrate in diesem Jahr.
Nahrungsmittel kosteten 4,4 Prozent mehr als im Oktober 2020 und waren in den Vorjahren häufig ein Treiber der Inflationsrate. Daher wollte das Abendblatt wissen: Wie stark sind die Preise für Bananen, Kiwis, Toastbrot und Milch auf lange Sicht gestiegen? Für die Vergleichsdaten wurde auf einen Test zurückgegriffen, den diese Redaktion im Oktober 2013 gemacht hatte. Damals wurden die Preise von rund 40 Produkten in Supermärkten und Discountern im Hamburger Norden ermittelt. Diese (nicht repräsentative) Stichprobe wurde nun erneut durchgeführt. Dabei wurden teils heftige Verteuerungen festgestellt – mitunter aber auch Preisnachlässe.
Preise für Kiwis haben sich verdreifacht
Die Ergebnisse des Tests: Den größten Ausreißer nach oben gibt es bei Kiwis. Mussten Kunden 2013 bei Edeka nur 19 Cent für die grüne Frucht bezahlen, waren es in dieser Woche 59 Cent – mehr als eine Verdreifachung. Bei Rewe verdoppelte sich der Preis auf 45 Cent. Aber auch lose Äpfel verteuerten sich deutlich, um 20 bis 67 Prozent (siehe Grafik). Zur Einordnung: Die Preise stiegen in Deutschland insgesamt seit 2013 um rund zehn Prozent. Kiwis und Äpfel wurden also extrem viel teurer.
Bei Bananen ist das Bild uneinheitlich. Bei Rewe zog der Preis laut Stichprobe um 47 Prozent an, bei Aldi im Schnitt um zehn Prozent, was der allgemeinen Inflationsrate seit 2013 entspricht, während die Südfrucht bei Edeka um 17 Prozent günstiger wurde. Ein Blick in den Prospekt zeigt, warum: Bananen sind in dieser Woche im Angebot. Angebotspreise werden beim Preischeck grundsätzlich berücksichtigt, werden in der Tabelle aber damals wie heute nicht gesondert ausgewiesen. Große Preissprünge gab es auch bei Gemüse wie Tomaten, Paprika, und Gurken.
Auch Spaghetti kosten doppelt so viel
Aber nicht nur frische Produkte wie Obst und Gemüse wurden teurer. 500 Gramm Spaghetti des günstigsten Anbieters im Geschäft kosten nun doppelt so viel wie vor acht Jahren. Eier, H-Milch und Kaffee etwa (mindestens) ein Viertel mehr. Der Discounter Aldi, der die Preisführerschaft im hart umkämpften deutschen Lebensmittelhandel für sich veranschlagt, erhöhte die Preise fürs Hackfleisch um fast ein Drittel, eine Flasche Coca-Cola wurde 20 Prozent teurer.
Interessant: Zu Beginn der Corona-Krise gab es bekanntlich Hamsterkäufe beim Toilettenpapier, das ja meistens zusammen mit dem Wocheneinkauf besorgt wird. Teilweise war es ausverkauft. Deutlich teurer wurde es im langfristigen Vergleich aber nicht. Rewe schlägt für die dreilagige Variante in acht Jahren nur vier Prozent drauf, bei Aldi sind es immerhin 17 Prozent. Der Butterpreis, der es mit seinen starken Schwankungen häufig in die Medien schafft, ist bei den Handelsmarken ebenfalls kaum gestiegen. Die Preise für Nivea-Creme zogen beim Discounter um fast ein Drittel an.
Bei einigen Produkten gab es Senkungen
Die Preisanhebungen begründen Hersteller im Regelfall mit einem Potpourri von Argumenten. Dazu zählen natürlich auch die gestiegenen Energiepreise, die sie bei der Produktion ebenfalls betreffen. Mit der Pandemie wurden auch höhere Kosten durch Schutzmaßnahmen zum Beispiel für Erntehelfer angeführt. „Viele haben im Windschatten von Corona die Preise erhöht. Das ist ein Phänomen, das wir beobachten“, sagte der Hamburger Verbraucherschützer Armin Valet vor Kurzem dem Abendblatt. Er ist ein bundesweit gefragter Experte zum Thema. Steigende Löhne gehören ebenso zu Preistreibern wie höhere Transportkosten, Marketingausgaben und gestiegene Rohstoffpreise. Es sei Fakt, „dass es selten eine Rückkehr gibt, wenn die höheren Preise erst mal eingeführt sind“, sagte Valet.
Dennoch gab es beim durchgeführten Preischeck auch Senkungen. Die Salami-Pizza von Dr. Oetker kostet bei Rewe 36 Prozent weniger – weil sie derzeit im Angebot ist. Beim Discounter Aldi, der sie vor acht Jahren nicht im Sortiment hatte, ist sie wenige Prozentpunkte billiger als bei anderen Händlern vor acht Jahren. Babybel vergünstigte sich um 14 Prozent – allerdings liegt auch dies an einem Angebotspreis. Regulär schlagen die einzeln verpackten, kleinen Käsestücke mit 1,89 Euro zu Buche. Damit ist das rote Netz genauso teuer wie 2013. Aber damals waren noch sieben Stück bei einem Gesamtgewicht von 140 Gramm im Netz. Nun sind es nur noch sechs für 120 Gramm.
Anbieter arbeiten bei den Preisen mit Tricks
An dem Beispiel wird ein Trick der Lebensmittelhersteller deutlich, auf den Verbraucherschützer wie Valet seit Jahren hinweisen. Der Preis bleibt gleich, aber der Inhalt der Packung schrumpft. Gern wird dies noch mit Hinweisen versehen wie „jetzt mit neuer Rezeptur“. Ob der Zutatenmix aber wirklich immer besser ist, bleibt mitunter fraglich.
Auch Hinweise wie „mehr Inhalt“ sind mit Vorsicht zu genießen. Größere Packungseinheiten werden gern genutzt, um Preisschwellen zu überwinden. Ein Beispiel aus dem Preischeck: Für 500 Milliliter Heinz Ketchup müssen Verbraucher bei Aldi 2,49 Euro bezahlen. Beim Test vor acht Jahren lag der Preis bei Edeka, Netto, Lidl und Rewe bei 1,59 Euro für eine 450 Milliliter fassende Flasche. Durch die Vergrößerung der Flasche hat der Ketchuphersteller den Sprung über die Zwei-Euro-Marke geschafft. Dass Edeka derzeit unter dieser Marke liegt, hat einen einfachen Grund: „jetzt 20 % günstiger“, wirbt der Supermarkt in seinem aktuellen Prospekt. Regulär kostet die Kopfstehflasche also auch etwa 2,50 Euro. Bezogen auf den Normalpreis wurde Heinz Ketchup in acht Jahren also rund 40 Prozent teurer.
Unterschiedliche Packungsgrößen erschweren Preisvergleich
Wer es genau wissen will, sollte sich daher den Grundpreis anschauen. Dabei wird der Preis beispielsweise pro Liter oder Kilogramm an einem Etikett am Ladenregal angegeben. Allerdings erfolgt dies häufig in sehr kleiner Schrift. Man muss also genau hinsehen – das lohnt sich auch bei vermeintlich festen Einheiten wie einer Tafel Schokolade. Die Zeiten, dass sie 100 Gramm wiegen, sind passé. So kann bei Milka das süße Kakaoerzeugnis je nach Sorte mal 85, 90 oder doch die gewohnten 100 Gramm haben. Vor acht Jahren verlangten alle untersuchten Händler weniger als einen Euro für die Tafel, vier von fünf sogar nur 89 Cent. Nun liegen Aldi und Rewe bei 1,15 Euro – Edeka unterschreitet den Grenzwert von einem Euro, weil die lilafarbene Tafel in dieser Woche im Angebot ist.
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Zwischen den verschiedenen Händlern wie Supermärkten und Discountern erschweren zudem unterschiedliche Packungsgrößen den Preisvergleich. So liegen bei Rewe die Goldbären von Haribo in der 200-Gramm-Tüte im Regal, an der Kasse werden 99 Cent abgebucht. Bei Aldi gibt es aber eine 360 Gramm fassende Tüte für 1,29 Euro. Ähnlich ist es bei der Flasche Coca-Cola. Rewe verlangt 1,15 Euro für einen Liter. Aldi nimmt 1,19 Euro für die Flasche mit 1,25 Litern.
Wer rechnet, kann Geld sparen
Wer ein bisschen schaut und rechnet, kann also Geld sparen. Eins sollte man aber nicht vergessen: Auch die Qualität zählt. Zum einen soziale Standards beim Hersteller. Zum anderen eine artgerechte Haltung der Tiere. Und bei Obst und Gemüse sowie Nahrungsmittel insgesamt ist letztlich eins entscheidend: der Geschmack – und über den lässt sich bekanntlich nicht streiten.