Hamburg. Serie Kultläden, Teil 20: Sie haben ein spezielles Angebot, eine besondere Atmosphäre. Heute: Mode Stegmann.

Natürlich geht es erst mal um Knöpfe. Rot, lila, gelb, grün, mit Glitzer, Sissi-Porträt oder als Schmetterling, rund und eckig, von winzigklein bis richtig groß. Gleich rechts neben dem Eingang zieht sich die Knopfwand entlang: 360 Schubladen mit 15.000 verschiedenen Knöpfen. „Und jeden Tag kommen neue“, sagt Stefanie König und zieht eins der mehr als 100 Jahre alten Holzkästchen heraus. Darin stehen kleine Pappschachteln, in denen die Modelle nach Größen sortiert und akkurat ausgezeichnet liegen.

Die Knopfauswahl von Stegmann am Jungfernstieg ist legendär. „So eine Wand finden Sie in Deutschland nicht noch mal. Die Kunden lieben das“, sagt Verena Weinkath. König und Weinkath, 53 und 51 Jahre alt, sind Schwestern und die Chefinnen eines der ältesten Modegeschäfte in der Hamburger Innenstadt. Schon ihr Urgroßvater hatte die ersten Knöpfe im Angebot. „Wir verkaufen immer noch sehr viele Knöpfe“, sagen seine Nachfolgerinnen in der vierten Generation. „Aber um die Miete zu bezahlen, reicht das heute nicht mehr.“

Stegmann am Jungfernstieg war schon immer für seine große Auswahl an Knöpfen bekannt.
Stegmann am Jungfernstieg war schon immer für seine große Auswahl an Knöpfen bekannt. © HA | Andreas Laible

Chefinnen tragen fast ausschließlich die Stegmann-Kollektion

Bunt ist es in dem kleinen Ladenlokal an Hamburgs nobler Flaniermeile. Und voll. Jeder Zentimeter ist ausgenutzt. Gürtel, Tücher, Hüte, Taschen, Armbänder und Ansteckblüten in allen Farben. An den Schaufensterpuppen sind Kleider mit großen Mustern dekoriert. Wer sagt denn, dass Hanseaten nur Marineblau mögen, Grau, Beige und Weiß?

Mittendrin die Inhaberinnen, immer in Bewegung. Hier zupft Stefanie König an einem Hütchen mit Feder, dort faltet Verena Weinkath eine große Wollstola zusammen. Beide im trendigen Jumpsuit aus der Stegmann-Kollektion. Werbung in eigener Sache. „Wir tragen praktisch nichts anderes mehr“, sagt Stefanie König. Ihre Schwester nickt. Stegmann, 1882 als sogenanntes Weißwarengeschäft für Schneiderei-Zubehör gegründet, steht heute für exklusive Accessoires und ausgesuchte Textilien.

Familienbetrieb vor fast 20 Jahren übernommen

Vor fast 20 Jahren haben die quirligen Schwestern den Familienbetrieb von den Eltern übernommen und ihm erst mal eine Modernisierungskur verordnet. Sie bauten das Stammhaus am Jungfernstieg um, verkleinerten die Fläche und schlossen die beiden Filialen im Elbe- und im Alstertal-Einkaufszentrum.

„Eigentlich war immer klar, dass wir ins Unternehmen einsteigen“, sagt Verena Weinkath. Beide haben schon als Schülerinnen im Laden mitverkauft, später eine Ausbildung im Modehandel gemacht, ihren Abschluss als Betriebswirtin für Textileinzelhandel absolviert und in verschiedenen Abteilungen gearbeitet. Bei der Neueröffnung 2001 war König gerade Mutter von Zwillingen geworden, Weinkath war schwanger. „Aber wir haben es hinbekommen“, sagt Stefanie König und lacht.

Die Gewerbeanmeldung von Hermann Stegmann von 1882.
Die Gewerbeanmeldung von Hermann Stegmann von 1882. © HA | Andreas Laible

Und das soll so weitergehen. In drei Jahren will das Duo das 140-jährige Bestehen feiern. „Warten Sie mal, ich muss Ihnen etwas zeigen“, sagt Verena Weinkath, springt auf und kommt kurz darauf mit einem großen Folianten zurück. „Das ist unsere Chronik“, sagt sie. Mitarbeiter hatten sie zum 75. Jubiläum für ihre Großeltern zusammengestellt und liebevoll dekoriert. Der Gewerbeschein von 1882 ist erhalten, Fotos vom ersten Standort an der Ecke Dammtorstraße/Gänsemarkt im Vorgängergebäude des inzwischen abgerissenen Deutschlandhauses und von den verschiedenen Perioden am Jungfernstieg, wohin die Firma Stegmann 1932 gezogen war.

Eltern bauten den Modebereich bei Stegmann aus

„Anfangs wurden nur Spitzenmanschetten, Bluseneinsätze, Bordüren, Nähnadeln, Ansteckblumen und eben Knöpfe verkauft“, sagt Stefanie König. Ihre Großmutter Hanna Stegmann war es, die anfing, auch Blusen anzubieten. Den Modebereich bauten ihre Eltern weiter aus.

Die heutigen Inhaberinnen gehen noch einen Schritt weiter und schreiben mit einer eigenen Stegmann-Kollektion die Erfolgsgeschichte des Modehändlers weiter. „Wir haben Mode gesucht, die gut geschnitten ist, schön bedruckt und außerdem bezahlbar“, erinnert sich Verena Weinkath. „Das gab es aber nicht.“ Kurzerhand entwarfen die beiden trendbewussten Geschäftsfrauen gemeinsam mit einem Modeproduzenten in Paris die ersten eigenen Modelle. Das war vor fünf Jahren, inzwischen umfasst das Sortiment ihrer Marke Stegmann Hamburg zehn Kleider, Hosen und Jumpsuits.

„Flexi-Couture“ nennen sie die Kollektion aus weichen Jerseystoffen. „Es läuft super“, sagt Stefanie König. Die Schwestern verkaufen ihre Marke nicht nur am Jungfernstieg und online, sondern auch in 350 Boutiquen in Deutschland, Österreich und auf Mallorca. „Und zwar nicht ein oder zwei Kleider pro Laden, sondern ein paar Hundert.“

Schnelle Reaktion auf neue Trends

Konkrete Geschäftszahlen geben sie nicht preis. „Wir schreiben monatlich zweistellige Pluszahlen“, sagt König. Angesichts des Schrumpfungsprozesses, in dem sich die Textilbranche in Deutschland seit Jahren befindet, ein beachtlicher Erfolg für das Traditionsgeschäft. Nach Hochrechnungen des BTE Handelsverbands entfielen auf den gesamten Bekleidungsfachhandel 2018 etwa 32 Milliarden Euro.

Die Stegmann-Filiale am Jungfernstieg.
Die Stegmann-Filiale am Jungfernstieg. © HA | Andreas Laible

Mittelständische Boutiquen und Modehäuser dürften ihren Vorjahresumsatz demnach um durchschnittlich zwei bis drei Prozent verfehlt haben. Selbst die großen Ketten wie H&M, Primark, C&A und Zara kämpfen mit sinkenden Umsätzen. Auch in diesem Jahr sind die Erlöse laut TW-Testclub, dem teilnehmerstärksten Panel im deutschen stationären Modehandel, in den ersten sechs Monaten im Schnitt um ein Prozent zurückgegangen.

„Unser Vorteil als kleiner Händler ist, dass wir sehr schnell auf neue Trends reagieren können“, sagt Stefanie König und erzählt von einer Paris-Reise im Frühjahr. Damals hätten die jungen Leute in der Metro plötzlich alle Mützen mit breitem Umschlag getragen. „Wir haben das gesehen, sofort geordert und die neuen Modelle in den vergangenen Monaten gut verkauft“, freuen sich die Stegmann-Schwestern. Das Besondere ihres Traditionsgeschäfts: Es gibt Sachen, die es anderswo noch nicht oder nicht mehr gibt. Trendige Mützen zum Beispiel und eben auch Ansteckblumen, Bluseneinsätze – und ganz viele Knöpfe.

Der Laden in Kürze

Ladengröße: 110 Quadratmeter

Adresse: Jungfernstieg 46; www.stegmann-mode.de

Gegründet: 1882

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10 bis 19 Uhr, Sonnabend 10 bis 18 Uhr

Mitarbeiter: 17

Günstigster Artikel: Gegennäh-Knöpfe für 30 Cent

Teuerster Artikel: bedruckte Kaschmirschals von Franco Ferrari für 498 Euro

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