Die Deutsche Bank hat dem Gericht zunächst die Leviten gelesen. Dann ging es umgekehrt. Den Bankern steht ungemütliche Adventszeit bevor.

München. Empört hat der frühere Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer dem Oberlandesgericht München die Meinung gesagt. „Was mir unterstellt wird, ist ungeheuerlich und ehrenrührig“, schmetterte der 75-jährige Banker den Richtern im Kirch-Prozess entgegen. „Ich weise diese Unterstellungen mit aller Entschiedenheit zurück.“ Wenig später goss sich der Vorsitzende Richter Guido Kotschy ein Glas Wasser randvoll ein, leerte es in einem einzigen Zug – und legte los.

Es war zwar noch keine Urteilsbegründung, nur eine „vorläufige Einschätzung“ zum Ende der Beweisaufnahme nach anderthalb Jahren Prozess. Aber klarer konnte die Botschaft für die Deutsche Bank kaum sein: Einigt euch mit den Erben und Insolvenzverwaltern des Medienunternehmers Leo Kirch in einem Vergleich auf eine hohe Schadenersatzzahlung – sonst müsst ihr fürchten, verurteilt zu werden. Denn die Bank habe „Kirch vor die Wahl gestellt, ihr Schutzschild anzunehmen oder unterzugehen“.

Die Kläger fordern zwei Milliarden Euro plus Zinsen. Kotschy kam auf einen möglichen Schaden zwischen 120 Millionen und 1,5 Milliarden Euro. Eine Einigung in der Mitte, bei 775 Millionen Euro, hatte das Gericht schon im März 2011 vorgeschlagen, Verhandlungen darüber waren aber vor einem halben Jahr in letzter Minute im Vorstand der Deutschen Bank gescheitert.

Dabei hatte die Bank Kotschy bereits Befangenheit vorgeworfen. Das Gericht habe „noch die fernliegendste Behauptung, die schillerndste Elemente einer Verschwörungstheorie“ ausführlich untersucht, beschwerte sich Bank-Anwalt Markus Meier in seinem Schlussvortrag.

Aber das Gericht stellte klar: Nein, an der Pleite der Kirch-Gruppe im April 2002 seien Breuer und die Deutsche Bank nicht schuld gewesen. Der mit 6,5 Milliarden Euro verschuldete Kirch-Konzern sei bereits insolvenzreif gewesen. „Der Verschwörungstheorie der Kläger hängen wir nicht an“, betonte Kotschy.

Aber die Bank habe bei der Sanierung des am Abgrund stehenden Medienkonzerns dabei sein wollen. Und dafür habe Breuer dem Kreditkunden Kirch die Pistole auf die Brust gesetzt.

Dass bei Kirch damals das Dach brannte, das hatten die Bank-Anwälte in ihrem Plädoyer selbst betont: Die Banken, die Hollywood-Studios, der an ProSiebenSat.1 beteiligte Axel-Springer-Verlag – alle forderten damals Geld von Kirch, und der suchte händeringend einen Ausweg.

Dann kam das inzwischen legendäre Fernsehinterview Breuers vom 4. Februar 2002, in dem er sagte, ohne Umstrukturierung werde Kirch wohl kaum noch einen Bankkredit bekommen. Das sei „eine öffentliche Bloßstellung“ gewesen, sagte Kotschy. „Das ist Ihnen nicht einfach herausgerutscht.“ Denn Breuer habe ein lukratives Sanierungsmandat angestrebt.

Er habe sich damals intensiv mit der Krise bei Kirch befasst: Ende Januar auf Einladung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) das Gespräch Breuers mit den Chefs von Bertelsmann und WAZ, dann die Debatte im Bank-Vorstand, dann das Interview, dann das Hilfsangebot an Kirch. „Sie haben auf diese Weise ins Geschäft kommen wollen“, sagte der Richter. Das aber sei eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung. Und das könne den Anspruch auf Schadenersatz begründen.

Für die Deutsche Bank wird es damit eng. Ein Funken Hoffnung besteht noch: Dass die Kläger es versäumt haben, die notwendige Sicherheit für die Prozesskosten zu hinterlegen. Annähernd 600 000 Euro sind bislang aufgelaufen – und letztlich soll nicht der Steuerzahler für Zivilstreitigkeiten von Millionären bluten müssen. Deshalb ist die Regel klar: Ohne Sicherheit wäre die Klage vom Tisch, das kann nicht auf später verschoben oder nachträglich geleistet werden. Kläger-Geschäftsführer Hans Erl sagte, für ein Treuhandkonto gebe es wohl auch das erforderliche Schriftstück, und auf ein Grundstück der Witwe Ruth Kirch in Bad Wiessee am Tegernsee könnte er zugreifen. Das Gericht hat zwar Zweifel – aber ob Kirch das Prozesskostenrisiko missbräuchlich verlagert hat, das müsste jetzt die Bank beweisen.

Knapp einen Monat hat die Deutsche Bank jetzt Zeit, Beweise zu finden oder einen Vergleich mit Kirch zu schließen. Billiger ist er mit diesen Daumenschrauben kaum geworden. „Am 14. Dezember treffen wir uns wieder“, sagte Kotschy.