Nach den wichtigen Durchbrüchen der Finanzminister wendet sich der EU-Gipfel in Brüssel den nächsten Schlüsselfragen zu.
Brüssel. Griechenland wird mit frischen Milliardenkrediten gerettet, Europas Großbanken von einer Zentralaufsicht kontrolliert: Nach den wichtigen Durchbrüchen der Finanzminister hat sich der EU-Gipfel in Brüssel den nächsten Schlüsselfragen zugewendet, vor allem, wie die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden kann. Für neuen Zündstoff sorgte Frankreichs Staatschef François Hollande: Er will gemeinsam mit Italien die EU-Defizitziele aufweichen, um nicht so streng sparen zu müssen. Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bleibt die Abkehr von einer strengen Haushaltsdisziplin ein rotes Tuch.
„Wir werden einen Fahrplan aufstellen, wie wir in den nächsten Monaten weiterarbeiten“, formulierte sie das Ziel für den zweitägigen Gipfel. Ihr gehe es vor allem darum, die Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Staaten dauerhaft zu steigern – und die Währungszone so vor weiteren Krisen zu schützen. „Bei unseren Beratungen wird es vor allem darum gehen, die wirtschaftliche Koordinierung zu verstärken“, fügte sie hinzu.
Der finnische Ministerpräsident Jyrki Katainen zeigte sich erleichtert vom doppelten Durchbruch der Finanzminister. Auf dem Gipfel könne man sich nun in Ruhe und ohne Druck den anderen Fragen widmen. „Wir könnten eine lockere Runde zur Zukunft der EU und Währungsunion laufen.“ Den noch vor einigen Wochen spürbaren Willen für tiefgreifende Reformen sehe er unter seinen Kollegen jedenfalls nicht mehr, sagte Katainen.
Im Gegenteil: Die ersten Anzeichen der Entspannung will Paris nutzen, um die Sparpolitik zu lockern. Italiens Regierungschef Mario Monti kämpft seit langem dafür, dass die EU-Kommission bei der Berechnung der Neuverschuldung „Zukunftsinvestitionen“ herausrechnet, also etwa Ausgaben in Forschung und Entwicklung. „Es ist möglich, dass wir den Vorschlag von Mario Monti aufnehmen“, sagte Hollande nun bei seiner Ankunft in Brüssel. Sein Motiv: Er könnte sich vor weiteren Kürzungen zu Hause drücken, die notwendig wären, um wie versprochen das französische Defizit im kommenden Jahr wieder unter die erlaubten drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken. Das Anliegen steht im krassen Widerspruch zur deutschen Position
Entschärft wurden die Gipfel-Verhandlungen, weil Ratspräsident Herman Van Rompuy schon zuvor den besonders konfliktträchtigen Diskussionspunkt eines eigenen Euro-Budgets aus seinem Reformkonzept gestrichen hatte. Eine Änderung der EU-Verträge für mehr politische Verbindlichkeit in der Eurozone wird auf die Zeit nach der Europawahl im Jahr 2014 aufgeschoben. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) äußerte vor dem Gipfel denn auch die Erwartung, „dass das eher eine kürzere Sitzung wird“, an deren Ende der Fahrplan zur Vertiefung der Währungsunion wohl vertagt werden dürfte.
Die kniffligsten Aufgaben zur Euro-Rettung hatten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Kollegen in der Nacht zum Donnerstag und am Donnerstagmorgen abgeräumt: Sie einigten sich auf den rechtlichen Rahmen für eine zentrale Bankenaufsicht, die ab 2014 alle Großbanken der Eurozone kontrollieren sollen. Schon im Laufe des kommenden Jahres wird es nun möglich, dass strauchelnde Banken direkt aus dem Rettungsfonds ESM aufgefangen werden. Ihre volle Arbeit soll die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelte Aufsicht zum 1. März 2014 aufnehmen. Aus Deutschland werden 20 bis 30 Banken an die Leine gelegt, Sparkassen und Genossenschaftsbanken bleiben unter nationaler Aufsicht.
Zweiter Durchbruch: Nach dem erfolgreichen Schuldenrückkauf Athens gab die Eurogruppe die ersehnten Notkredite von 34,4 Milliarden Euro für Griechenland frei. Premierminister Antonis Samaras erschien mit einem erleichterten Strahlen in Brüssel. „Wir sind sehr zufrieden, das ist ein großer Erfolg für Griechenland und für Europa“, sagte er. Zugleich sprach er von einer „großen Herausforderung“, die von nun an vor jedem liege.