Die Wirtschaft wird sich nach einer EZB-Umfrage noch schwächer entwickeln als bisher angenommen. Inflationssorgen sind unbegründet

Frankfurt/Main. Die Wirtschaft im Euroraum wird sich nach Einschätzung von Experten noch schwächer entwickeln als bisher angenommen. Zugleich dürfte die Teuerung höher ausfallen. Dies geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) unter 56 Finanzexperten hervor.

Demnach wird die Wirtschaft im Euroraum im laufenden Jahr um 0,5 Prozent schrumpfen. Bislang hatten die Experten ein Minus von 0,3 Punkten erwartet. Auch auf das kommende Jahr blicken die Experten pessimistischer als bislang: 2013 rechnen sie nur mit einem leichten Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent nach bislang 0,6 Prozent. Längerfristig wird das Wachstum aber unverändert auf 1,8 Prozent veranschlagt.

Die Inflation im Währungsraum wird nach der Prognose 2012 bei 2,5 Prozent liegen. Das sind 0,2 Prozentpunkte mehr als bisher. 2013 dürfte sich die Teuerung auf 1,9 (bisher 1,7) Prozent ermäßigen. In der langen Frist sehen die Experten eine Rate von 2,0 Prozent.

Auch die EZB selbst erwartet, dass die Teuerung noch eine Weile über ihrer Zielmarke von knapp zwei Prozent liegen wird. Es sei aber zu erwarten, dass sie im Laufe des kommenden Jahres unter diese Marke sinkt.

Inflationssorgen sind unbegründet

Das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen unterstrich am Donnerstag, dass er keine Gefahren für die Preisstabilität in Deutschland und der Eurozone sieht. Inflationssorgen würden derzeit im Zusammenhang mit dem Anleihenkaufprogramm der EZB sowie mit Blick auf den sehr niedrigen Leitzins geäußert, sagte Asmussen laut Redetext beim Versicherungstag in Berlin: „Ich versichere Ihnen: Diese Sorgen sind unbegründet.“ Von Inflation oder Geldentwertung könne keine Rede sein.

Alle Euroländer müssen ihre Hausaufgaben machen

Die Euroländer dürfen sich nach Worten von Asmussen nicht auf den Hilfen der EZB zur Bewältigung der Schuldenkrise ausruhen. Eine kurzfristige Abschwächung des Refinanzierungsdrucks dürfe nicht zum Erlahmen der Reformanstrengungen führen, mahnte Asmussen. Dabei seien nicht nur die Länder am Rande der Währungszone gefordert, betonte der deutsche Geldpolitiker: „Der springende Punkt ist, dass alle Länder des Euroraums, auch Deutschland und Frankreich, ihre Hausaufgaben machen müssen.“

Das von der EZB ins Auge gefasste Anleihenankaufprogramm ziele nicht nur darauf ab, eine Normalisierung in den Ländern zu erreichen, die unter hohen Zinsen leiden. Vielmehr würden die Maßnahmen dazu beitragen, Kapitalströme umzulenken – mit positiven Effekten für Sparer, Pensionsfonds und Versicherungen.

Nachlässige Haushaltsführung in einem Land dürfe künftig nicht mehr andere Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft ziehen, mahnte Asmussen. Damit die notwendigen Reformen umgesetzt werden, müssten Anreize gesetzt werden. „Eine Überlegung wäre, dass Anleihen, die zu einer Staatsverschuldung über dem Schwellenwert von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) führen, nur nachrangig bedient werden.“ Das würde nach Ansicht Asmussens die Schuldenaufnahme verteuern und somit ein marktbasiertes Anreizsystem für mehr Haushaltsdisziplin schaffen.

Die EZB befragt alle drei Monate Experten aus Finanzinstituten und Forschungseinrichtungen. Die jüngste Befragung wurde vom 16. bis 22. Oktober durchgeführt.