Die Finanzierungskrise in der Schifffahrt weitet sich aus. Nicht nur Reeder, auch Schiffbau und Zulieferindustrie stehen unter Druck.

Hamburg. Der Kapitalmangel in der Schifffahrt weitet sich zu einer Bedrohung für die gesamte maritime Wirtschaft in Deutschland aus. „Wenn wir jetzt das Kind in den Brunnen fallen lassen, dann sind wir wieder da, wo wir Ende der achtziger Jahre waren, als der Schifffahrtsstandort Deutschland kaum existierte“, sagte Michael Behrendt, Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), am Donnerstag in Hamburg.

Die Schifffahrtskrise dauert länger als gedacht. Die Frachtraten steigen wieder, sie halten aber kaum Schritt mit den steigenden Kosten für den Treibstoff der Schiffe. Überkapazitäten drücken auf den Markt, Containerschiffe in den gängigsten Größen sind im Überfluss vorhanden und fahren kaum ihre Betriebskosten ein, geschweige denn Zins und Tilgung.

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Damit ist die Erfolgsgeschichte der deutschen Schifffahrt erst einmal unterbrochen. Für wohlhabende Anleger war ein Investment in Schiffe über viele Jahre ein blendendes Geschäft. Sie beteiligten sich an einem geschlossenen Schiffsfonds, wurden damit Miteigner eines Containerschiffs oder eines Tankers und konnten sich in den Boomjahren der Branche über zuverlässige zweistellige Renditen freuen. Zwar hat der Fiskus schon vor Jahren Steuervorteile für Schiffsfonds gestrichen, aber dank der Tonnagesteuer ließ sich mit einem Schiff immer noch gutes Geld verdienen. So stieg Deutschland zu einer führenden Schifffahrtsnation mit der weltweit größten Flotte von Containerschiffen auf.

Diese Zeiten sind vorbei. Der Kapitalfluss ist zum Rinnsal geworden. Die Anleger meiden Schiffsfonds wie der Seemann das Riff. Mehrere Dutzend Fonds sind insolvent, hunderte halten sich mit großer Mühe knapp über der Wasserlinie und hoffen durchzuhalten, bis die Zeiten wieder besser werden. Viele vermögende Anleger haben Geld verloren, 30 bis 70 Prozent ihres Einsatzes, manchmal auch alles. Damit fehlt die Grundlage für die Schiffsfinanzierung, das Eigenkapital der Anleger.

Und auch die zweite Säule ist weitgehend weggebrochen, die Kredite der Schiffsbanken. Die Commerzbank, einer der großen Spieler im Markt, hat sich vor zwei Monaten komplett aus dem Bereich zurückgezogen. Andere Banken, wie die HSH Nordbank, stehen selbst unter Druck und wollen keine zusätzlichen Risiken eingehen. Dazu kommen schärfere Eigenkapitalvorschriften. Gebrauchte Schiffe sind so billig geworden, dass sie kaum noch als Sicherheiten taugen. „Inzwischen ist sogar die Beleihung auf der Basis des Schrottwerts eines Schiffes schwierig“, sagt der Hamburger Reeder Erck Rickmers.

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Die Reeder, die Werften und die Zulieferer befürchten nun, dass asiatische Banken in die Bresche springen und die führende deutsche Position bei der Schiffsfinanzierung verloren geht. Noch Ende 2010 hielten deutsche Banken rund 40 Prozent an den weltweiten Schiffskrediten von 378 Milliarden US-Dollar. Wenn die asiatischen Banken nun einsteigen, was zu der maritimen Strategie in Korea und China gut passen würde, dann würden wohl zunehmend die Schiffe selbst und auch die Zulieferungen aus Asien kommen, fürchten die drei zuständigen Verbände.

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Die gesamte Branche mit rund 400.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 85 bis 90 Milliarden Euro käme ins Wanken. Nicht nur auf Neubauten und Zulieferungen würden sich mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten auswirken, sondern auch auf Umbauten und Reparaturen deutscher Werften. „Ohne ausreichende Kreditversorgung werden deutsche Werften zudem weltweit den Anschluss an das neue Geschäftsfeld Offshore-Windenergie verlieren“, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben der Verbände der Reeder, der Schiffbauer und der Zulieferer an den maritimen Koordinator der Bundesregierung, den FDP-Politiker Hans-Joachim Otto.

Linderung soll ein Maßnahmenpaket bringen, das die Reeder schon seit Monaten in Berlin vortragen, ohne viel Gehör zu finden: Die bundeseigene KfW soll einspringen, wo private Banken nicht mehr wollen oder können. Zudem soll die Bewertung von Schiffen nach anderen Regeln berechnet werden, nicht allein nach aktuellen Marktpreisen. Denn die spiegeln nach Ansicht der Reeder nicht die realen Werte wider. Weil die Auftragsbücher der Werften bald abgearbeitet sind und kaum neue Schiffe bestellt werden, kommt der Markt im nächsten oder übernächsten Jahr wieder ins Gleichgewicht, hofft die Branche.