Reeder fürchten um ihre Zukunft und wollen Kredite vom Bund. Kritik an Commerzbank, die sich aus Schiffsfinanzierung zurückzog.
Hamburg. Für die Anleger der Schiffsfonds MS Annabelle Schulte und MS Laura Schulte beginnt der Sommer mit schlechten Nachrichten. Das Amtsgericht Hamburg eröffnete dieser Tage die Insolvenzverfahren für die in der Hansestadt ansässigen Kommanditgesellschaften. Die Containerfrachter fahren das Kapital für Tilgung, Zinsen und Unterhalt nicht mehr ein, von Gewinnen ganz zu schweigen. Reihenweise treiben deutsche Schiffsfonds derzeit in die Insolvenz. Der Markt für Containerfrachter, der von Schiffen in deutschem Eigentum und unter deutscher Bereederung dominiert wird, leidet unter niedrigen Charterraten, den Mietpreisen für die Schiffe. Grund dafür sind vor allem hohe Überkapazitäten bei der Tonnage am Weltmarkt. Die Möglichkeiten von Banken und Privatanlegern, nötiges Kapital nachzuschießen, sind in vielen Fällen erschöpft.
Die Lage ist so ernst, dass jetzt sogar der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto (FDP), eingreift. Er will morgen in Berlin Vertreter der deutschen Schiffsfinanzierer treffen, um über Maßnahmen gegen eine Verschärfung der Krise zu beraten. Der Verband Deutscher Reeder (VDR) hat konkrete Erwartungen an das Treffen: "Die strengen Auflagen für die Refinanzierung von Schiffskrediten bei den Landesbanken müssen gelockert und denen der privaten Bankenwirtschaft angeglichen werden", sagte Ralf Nagel, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des VDR, dem Abendblatt. "Zudem sollte die Schiffsbewertung, die bislang auf Tageswerten basiert, um eine mittelfristige Ertragsprognose für die einzelnen Schiffe ergänzt werden." Finanzielle Überbrückungshilfe für Not leidende Schiffsfonds könne womöglich die KfW-Förderbank des Bundes leisten, sagte Nagel: "Es geht nicht um Subventionen, sondern darum, mit Krediten Zeit zu gewinnen, bis sich die Lage der Schifffahrt vermutlich im kommenden Jahr entspannt."
Bereits seit 2009 arbeitet die Vereinigung Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten (VHSS) mit einem Wertmaßstab für Schiffe, der die Abkürzung LTAV trägt. Berücksichtigt werden vor allem die zu erwartenden Einnahmen und Kosten des Schiffsbetriebs. "Mit diesem Maßstab können die extremen Ausschläge bei der Bewertung von Schiffen gemildert werden", sagte Alexander Geisler von der VHSS dem Abendblatt. "In Boomzeiten werden Schiffe oft zu hoch, in Krisenzeiten häufig viel zu niedrig bewertet."
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Für die Commerzbank kommt diese angestrebte Wende jedoch zu spät. Ausgerechnet als die Lage immer kritischer wurde, beschloss die Bank vergangene Woche, komplett aus dem Geschäft auszusteigen . Die Ankündigung des weltweit zweitgrößten Instituts für Schiffsfinanzierungen schockierte die Branche. "Ich bin enttäuscht von dieser überraschenden Kehrtwendung der Commerzbank, die noch vor weniger als einem Monat verkündet hat, dass die Schiffsfinanzierung weiterhin zum Kerngeschäft zählt. Und nun plötzlich der Rückzug dieses für die maritime Wirtschaft bedeutenden Kreditinstituts, das auch noch zu 25 Prozent dem deutschen Staat gehört", sagte der Hamburger Reeder und Schiffsfinanzierer Hermann Ebel, Gründer und Chef von Hansa Treuhand, dem Abendblatt. "Für die Reeder bedeutet der Rückzug eines großen Marktteilnehmers, dass Kredite noch schwerer erhältlich werden. Für die deutsche Seeschifffahrt sind das keine positiven Aussichten."
Ähnlich sieht das der Hamburger Reeder Claus-Peter Offen: "Es ist nicht auszuschließen, dass sich nun auch andere Banken der Entscheidung der Commerzbank anschließen", sagte Offen dem Abendblatt. Auch für sein Unternehmen, das zu den größten Containercharterreedereien der Welt zählt, sei der Beschluss "nicht besonders erfreulich". Die Commerzbank ist die Hausbank der Reederei, die derzeit über 123 Schiffe verfügt.
Bei 37 Frachtern davon stehen Kapitalerhöhungen an, weil ihre Erträge nicht mehr für die Tilgung der Kredite ausreichen. Dabei handelt es sich um Gesellschaften, bei denen die Investoren Eigenkapital über Fonds bereitgestellt haben. "Die Reederei Offen wird den auf sie entfallenden Anteil an den Kapitalerhöhungen aus ihren eigenen Erträgen bereitstellen. Wir wissen aber nicht, ob dies alle Gesellschafter schaffen", sagte Offen. Sollten die Commerzbank oder andere beteiligte Banken mit dem Aufkommen nicht zufrieden sein, könnten sie sich zum Verkauf der Schiffe entschließen. "Damit entsteht für die Reederei Offen das Risiko, Beteiligungen zu verlieren", sagte Offen. Das Unternehmen hält Anteile zwischen zehn und 25 Prozent an den Schiffen. Ob ein Verkauf der Frachter für die Banken sinnvoll ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. "Gerade bei kleineren Frachtern mit weniger als 3500 Stellplätzen für Standardcontainer dürfte der Preis häufig niedriger sein als die Höhe der Hypothek", so Offen.
Ein weiterer Rückzug deutscher Finanzinstitute könnte noch gravierendere Folgen haben - nicht nur für die Schifffahrt. Auch die deutschen Schiffbauzulieferer sehen die Entscheidung der Commerzbank als "nicht erfreulich" an. Denn sollten künftig chinesische Banken stärker in die Schiffsfinanzierung einsteigen, könnten sie den Reedern vorgeben, welche Anlagen sie für ihre Frachter einkaufen sollen, sagte Christian Schliephack, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie, gestern in Hamburg. Das würde den Export der Branche in das bisher größte Abnehmerland deutlich erschweren.