Konzerne lassen sich hierzulande zwar häufiger von Frauen kontrolliert, doch noch dominieren Männer die Aufsichtsräte. Quote notwendig?

Frankfurt/Main. „Frauen werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt“ – was so oder ähnlich in vielen Stellenanzeigen steht, scheint nicht für Aufsichtsräte deutscher Konzerne zu gelten. Zwar ist die Zeit vorbei, in denen fast ausschließlich ältere Herren die Schalthebel der deutschen Wirtschaft bedienten. Doch auch im Jahr 2012 ist der Anteil weiblicher Kontrolleure noch vergleichsweise gering.

Immerhin: Mittlerweile ist jedes fünfte der insgesamt 500 Aufsichtsratsmitglieder der 30 Dax-Konzerne eine Frau. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) rechnet vor: Der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien stieg von 11,7 Prozent im Jahr 2006 auf aktuell 19,4 Prozent. Die Mehrzahl der Frauen sitzt für die Arbeitnehmerseite in den Kontrollgremien (12 Prozent), auf Kapitalseite sind es lediglich 7,4 Prozent.

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Befürwortern einer Frauenquote geht das alles viel zu langsam. Ohne Druck, davon ist zum Beispiel EU-Grundrechtekommissarin Viviane Reding überzeugt, wird die Männerdomäne in den Führungsetagen großer Konzerne nicht zu brechen sein. Die Luxemburgerin will im Oktober einen Gesetzentwurf für eine europaweite Frauenquote vorlegen. Damit soll bis 2020 ein Frauenanteil von 40 Prozent in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen Pflicht werden.

„Keiner mag Quoten, aber ich mag, was Quoten bewirken“, hatte Reding im März in Frankfurt für ihre Idee geworben. „Wir bräuchten sonst Jahrzehnte, um dahin zu kommen, wo wir hin wollen.“ Die Initiative FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte) hat errechnet: In den Unternehmen in den wichtigsten deutschen Börsenindizes (Dax, MDax, TecDax, SDax) lag der Frauenanteil in den Aufsichtsräten im Jahr 2011 durchschnittlich bei knapp 14 Prozent, in den Vorständen sitzen demnach nicht einmal 4 Prozent Frauen.

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Dabei hatte die deutsche Wirtschaft schon vor gut einem Jahrzehnt Besserung gelobt. In der geltenden Fassung des 2002 verabschiedeten „Deutschen Corporate Governance Kodex“ heißt es, bei der Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat sei auf „Vielfalt (Diversity)“ zu achten, eine „angemessene Beteiligung von Frauen“ sei anzustreben.

Doch von der Brüsseler 40-Prozent-Quote ist das Gros der deutschen Unternehmen ebenso weit entfernt wie von der in Berlin diskutierten Mindestquote von 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten. Unter den 30 Konzernen in der ersten Börsenliga erreichen das Ziel nur Deutsche Bank (40 Prozent Frauen), Beiersdorf (33 Prozent), Henkel (32 Prozent), Commerzbank und Deutsche Post (beide 30 Prozent).

Simone Bagel-Trah (43) ist dabei die Exotin. Als einzige Frau führt sie einen Dax-Aufsichtsrat. Im September 2009, 133 Jahre nach Firmengründung, übernahm die Ururenkelin von Firmengründer Fritz Henkel die Kontrolle über die Geschäfte des Düsseldorfer Klebstoff- und Waschmittelriesen Henkel. In einem Interview machte die promovierte Mikrobiologin 2011 deutlich, was sie von Frauenquoten hält: „Wir wollen allen Mitarbeitern die gleichen Chancen geben. Unabhängig von Geschlecht oder Nationalität.“ Und: „Wir wollen Frauen fördern, aber wir glauben nicht, dass wir dafür noch eine Quote brauchen.“

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) baut ebenfalls auf Freiwilligkeit – „Flexi-Quote“ nennt sie das und erklärt auf der seit kurzem geschalteten Internetseite ihre „intelligente Quote“ mit den Worten: „Nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern mit Köpfchen durch die gläserne Decke.“

Beim Medizinkonzern Fresenius und dessen Tochter Fresenius Medical Care, die beide ohne Frauen in ihren Kontrollgremien auskommen, heißt es, das Unternehmen setze „auf eine langfristig angelegte und nachhaltige Förderung von Frauen“. Von starren Geschlechter-Quoten hält man in Bad Homburg nichts, auch bei der Besetzung der Aufsichtsräte komme es „grundsätzlich und vorrangig auf die Qualifikation des Einzelnen an“, erklärte ein Fresenius-Sprecher.

Die Aktionärsschützer der DSW sehen das Jahr der Bundestagswahl 2013 als „Lackmustest für die Flexi-Quote in Deutschland“. Tue sich dann nicht spürbar etwas in den Führungsetagen der Konzerne, werde die gesetzliche Quote kommen – ob über Berlin oder Brüssel.

Es sei sicher gut, bei der Besetzung von Aufsichtsratsposten „nicht in alte Muster zu verfallen und den besten Golfkumpel“ in den meist gut bezahlten Job zu hieven, meint DSW-Vertreter und Anlegeranwalt Klaus Nieding. Entscheidend sei, dass Kompetenz darüber entscheide, wer das Rennen mache – gleich, ob Mann oder Frau.