Die Initiative Pro Quote von 340 Journalistinnen will den Frauenanteil an Führungskräften in Redaktionen auf 30 Prozent steigern.
Hamburg. Alice Schwarzer hat unterschrieben und "taz"-Chefredakteurin Ines Pohl selbstverständlich auch. Aber die Initiative Pro Quote, die fordert, dass Frauen in den kommenden fünf Jahren auf allen Hierarchie-Ebenen 30 Prozent des Führungspersonals in den Redaktionen deutscher Medien stellen sollen, wird auch von Journalistinnen unterstützt, von denen man das nicht unbedingt erwartet hätte. Die RTL-Gesellschaftsreporterin Frauke Ludowig ist ebenso dabei wie ihre Senderkollegin Birgit Schrowange. Der Name von Sabine Christiansen steht neben denen von Sandra Maischberger und Anne Will. Mit Dagmar Reim vom RBB ist sogar eine leibhaftige Intendantin mit von der Partie. Kurzum: Unter den 340 Unterzeichnerinnen des Aufrufs sind fast alle renommierten deutschen Journalistinnen vertreten.
Am Sonntag wurde die Unterschriftenliste an Chefredakteure, Verleger und Intendanten verschickt. Darin berufen sich die Journalistinnen auf den Chefredakteur des "Handelsblattes", Gabor Steingart, der in seiner Zeitung eine Frauenquote eingeführt hat, weil dies "nicht nur die Gerechtigkeit, sondern auch die ökonomische Vernunft" gebiete. Die Initiatorinnen rechnen vor, dass Frauen nur zwei Prozent der Chefredakteure der gut 360 deutschen Tages- und Wochenzeitungen stellen. Von den zwölf Intendanten der Öffentlich-Rechtlichen seien nur drei weiblich. Und in den Redaktionen deutscher Nachrichtenmagazine stünden fast ausschließlich Männer an der Spitze.
Kommentar: Die Quote ist kein Frauen-Thema
Nicht nur Frauen empfinden das als Missstand. Doch wie mit männlichen Unterstützern umzugehen sei, war unter den Initiatorinnen strittig. Es fand sich schließlich eine Mehrheit, die sich dagegen entschied, den Aufruf in der Fassung, die an Mediengewaltige und die Presse verschickt wurde, auch von Männern unterzeichnen zu lassen. Dabei soll es zu diesem Zeitpunkt - von Michael Jürgs bis Ranga Yogeshwar - bereits 40 männliche Unterstützer gegeben haben. Ihre Namen finden sich aber nun neben denen ihrer Kolleginnen auf der Unterstützerliste, die auf der Website www.pro-quote.de steht.
Bei der Planung des Aufrufs achtete die Initiative auf strikte Geheimhaltung. Nahezu konspirativ wurden im Vorfeld der Veröffentlichung des Aufrufs Unterschriften gesammelt. Von "Guerilla-Taktik" war die Rede. Auch jetzt geben sich die Initiatorinnen der Initiative nicht zu erkennen. Zwar ist im Impressum der Pro-Quote-Website die freie Hamburger Journalistin Gunthild Kupitz als Verantwortliche verzeichnet. Sie sagt jedoch, alle 340 Erstunterzeichnerinnen seien Initiatorinnen. Sie habe die Verantwortung für die Website übernommen, weil sie als Freie keinen Vorgesetzten habe.
Nur der "Spiegel" erfuhr von dem Aufruf vor der Zeit. Wie dessen Chefredakteur Georg Mascolo am Montag in der Redaktionskonferenz erzählte, habe er selbst etwas läuten hören und seine Medienredakteure in Marsch gesetzt. So hatte das Nachrichtenmagazin dank Mascolo bereits am Montag eine Meldung zum Aufruf im Blatt, obwohl bereits Freitag Redaktionsschluss war.
Ausgerechnet Mascolo: Der "Spiegel"-Chef ist bekennender Gegner der Frauenquote. Weil er sie auch in seiner Redaktion ablehnt, zogen sich vor knapp einem Jahr Frauen und Betriebsräte aus dem verlagseigenen Arbeitskreis Gleichberechtigung zurück. Noch am Sonntagabend wurde Mascolo auf einer Diskussionsveranstaltung im Spiegel-Haus mit Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen von dem Thema eingeholt. Mascolo verschanzte sich hinter Zahlen der Spiegel-Gruppe, in der 27,7 Prozent der Führungskräfte weiblich seien.
In Mascolos Textredaktion liegt deren Anteil nach Berechnung des Online-Dienstes Meedia aber nur bei 10,7 Prozent. Mehr als stellvertretende Ressortleiterinnen können Journalistinnen derzeit beim "Spiegel" nicht werden. Auf Nachfrage der Ministerin musste Mascolo einräumen, dass der Frauenanteil in Geschäftsführung und Chefredaktion bei null liege. "Das ist zu wenig", tadelte von der Leyen. Sie warnte ihren Gastgeber vor dem "Klumpen-Risiko", das es in männerdominierten Führungsmannschaften gebe. "Gemischte Führungsteams machen die besten Ergebnisse", sagt sie unter Berufung auf einschlägige Studien.
Auch die Chefredakteure, die sich bisher auf der Site von Pro Quote zu Wort gemeldet haben, geben entweder an, die Forderungen der Initiative bereits erfüllt zu haben, oder sie beklagen den angeblichen Mangel an geeigneten weiblichen Bewerberinnen. Wenigstens bei Auszeichnungen haben die Herren ein Einsehen: Die stark männlich dominierte Jury des Henri-Nannen-Preises vergab 2011 zwei der fünf Auszeichnungen, die an einzelne Journalisten gingen, an Frauen.